The Verve


BRITPOP-FANS SIND GEDULDIGE MENSCHEN, die selbst eine zweistündige Wartezeit in Kauf nehmen – solange es genug Bier und Rauchwaren gibt. Ohne wäre der erste Teil des heutigen Abends für manchen auch schwer zu ertragen. The Verve begehen den Fehler, ihr knapp 90minütiges Programm mit einem Querschnitt durch ihre ersten beiden Alben „A Storm in Heaven“ (’93) und „A Northern Soul“ (’95) einzuleiten. Dabei scheint das Gros der 4.500 Zuschauer lediglich mit dem aktuellen Epos „Urban Hymns“ vertraut. Der Applaus ist entsprechend spärlich. Bassist Simon Jones versucht es mit einem trotzigen „Come On!“, während Richard Ashcroft minutenlang am Bühnenrand verharrt, als wolle er die Ursachen der ungewöhnlichen Stille ergründen. Im Gegensatz zum euphorisch begrüßten Live-Comeback der reformierten The Verve im August ’97 ist diesmal kein überschwengliches Abfeiern angesagt. Dafür ist das Auditorium einfach zu hip und chic. Aber genau diese Klientel haben Ashcroft & Co. in den vergangenen Monaten mobilisiert. Richtige Stimmung kommt denn auch erst beim neuen Material auf – bei „Whipping Willow“,“The Rolling People“, „The Drugs Don’t Work“ und der neuen Single „Lucky Man“. Da kennen Euphorie und Jubel dann plötzlich fast keine Grenzen mehr. Trotzdem: Ashcroft, der wohl sein Frühwerk gerne mehr geschätzt wüßte, fühlt sich sichtlich unwohl. Auf die lautstark eingeforderte „Bitter Sweet Symphony“ hat er erst mal keinen Bock. Kurzerhand verweist er die Band für einen Song der Bühne. Was folgt, ist jedoch der ultimative Höhepunkt des Abends: „Sonnet“ in einer Akustikversion, die den Verve-Frontmann barfuß und mit entrücktem Blick nicht nur als charismatischen Sänger, sondern auch als begnadeten Gitarristen zeigt. Charisma ist etwas, was Ashcrofts kongenialem Partner, Leadgitarrist Nick McCabe, abgeht. Stocksteif steht er auf der linken Bühnenseite, trägt Sonnenbrille samt Winterjacke und produziert seine sphärischen Soundschwälle. Auch Kollege Simon Tong an Keyboards und Gitarren hält sich merklich zurück: König Richard beherrscht die Szene. Als doch noch „Bitter Sweet Symphony“ erklingt, steht die Halle Kopf. Doch der geflügelte Wohlklang nur wenige Minuten. Drei Zugaben geben keine Höhepunkte mehr her, sondern wirken eher wie sanfte Rausschmeißer. Erfolgreich zu sein heißt, sich Erwartungen stellen zu müssen. Und die sind bei The Verve derzeit höher, als sie das Quintett erfüllen kann. Mal sehen, ob sich das bis zum Frühsommer ändert. Dann nämlich wollen The Verve endlich nach Deutschland kommen.