Tim Robbins über Opportunismus


Das größte Problem der USA sei der Opportunismus seiner Landsleute, glaubt der engagierte Oscarpreisträger und will deshalb nicht alleine auf Präsident Obama vertrauen, sondern betreibt fortan lieber liberale Aufklärungsarbeit an der musikalischen Basis. Jetzt – mit 51 Jahren – erscheint sein Debütalbum.

Herr Robbins, Sie werfen Amerikanern Opportunismus vor – warum?

Tim Robbins: Weil wir die Probleme nicht in den Griff kriegen. Niemand traut sich, Verantwortung zu übernehmen und eine Sache konsequent durchzuziehen. Sobald man das tut, kommt Widerstand von allen Seiten, weil es krankerweise zur politischen Kultur gehört, dass man eine andere Partei oder Religion allein deshalb nicht unterstützt, weil es der erklärte Feind ist. Das ist auch das Hauptproblem von Ralph Nader von den Grünen.

Den Sie seit Jahren unterstützen.

So gut ich kann. Aber ich verlasse mich nicht allein auf ihn, denn ich weiß, dass er sich nie gegen das Zweiparteiensystem durchsetzen kann. Deshalb verfolge ich nebenher meine eigenen Projekte. Etwa mit den Bühnenadaptionen von „1984“ oder „Dead Man Walking“, die ich in amerikanischen Universitäten aufführe, wenn die mir zusichern, Kurse über die Todesstrafe anzubieten – auf Grundlage von Helen Prejeans Buch. Darauf haben sich bislang 160 Unis eingelassen. Sie bieten begleitende Seminare an, laden Gastredner ein und halten Diskussionen über die Todesstrafe ab.

Das soll helfen, den Opportunisten in Zukunft mündige, verantwortungsvolle Bürger entgegenzustellen?

Ganz genau. Denn nur das sorgt für Veränderungen. Eine Person alleine kann keine große Veränderung schaffen.

Spielen Sie auf Präsident Obama und seine Hilflosigkeit gegenüber BP an?

Dieses Desaster sollte auch dem Letzten die Augen öffnen. Es ist unmöglich, Präsident der USA zu sein, ohne Kompromisse einzugehen. In diesem Fall gegenüber den Ölfirmen, die Obamas Wahlkampf mitfinanziert haben. Das dürfte gerade für Jungwähler eine Enttäuschung sein. Genau wie die Tatsache, dass wir weiter Kriege führen und Guantanamo immer noch existiert. Das einzige, was bislang umgesetzt wurde, ist die Gesundheitsreform – aber die haben viele nicht verstanden, weil sie Opfer rechter Medienpropaganda sind oder den Vorgaben ihrer Partei oder ihrer Glaubensgemeinschaft folgen. Das ist nicht nur dumm, es ist tragisch. Und ich mache mir Sorgen, dass die Erstwähler, die so viel Hoffnung hatten, allein aus Frust zu lethargischen Mitläufern werden.

Könnten Sie Sich vorstellen, irgendwann selbst in die Politik zu gehen?

Ich glaube nicht, dass ich als Politiker sehr effizient wäre, denn ich würde keine Kompromisse eingehen. Ich bemühe mich, die Kunst einzusetzen. Denn Kunst kann emotional bewegen, für Neues öffnen und so zu einem Dialog führen, der Veränderungen bewirkt.

Genau wie es Ihnen in den Siebzigern mit The Clash ergangen ist?

Als ich 1976 aufs College ging, erschienen all diese unglaublichen Alben: die Sex Pistols, das Debüt von den Talking Heads, die erste Elvis Costello, Lou Reeds Street Hassle und natürlich The Clash. Die haben mir die Augen geöffnet.

Jetzt veröffentlichen Sie ihr Debüt als Musiker. Und zwar mit Americana anstatt Punk. Wie kommt das?

Weil ich nicht mehr 20 bin, und das auch niemandem vortäuschen möchte. Außerdem hatte ich schon immer eine Schwäche für Folk. Denn auch da gibt es Leute mit revolutionäre Gedanken, die ihre unbequemen Ideen in eingängige Melodien verpackt und sich damit Gehör verschafft haben. Dylan, Cohen, Seeger und wie sie alle heißen. Menschen, die es geschafft haben, andere zu beeinflussen – auf eine ganz und gar unpeinliche Art und Weise.

Ist das der Beginn einer neuen Karriere?

Wahrscheinlich ist es eher eine Midlifecrisis, wegen all der Veränderungen in meinem Leben: Die Trennung von meiner Partnerin, die Kinder sind am College und wohnen nicht mehr Zuhause, aber auch, dass ich als Schauspieler und Regisseur nicht mehr so aktiv bin wie vor ein paar Jahren. Damals hätte ich gar keine Zeit für richtige Musik gehabt. Ich hatte eine Spaßband namens Gob Roberts, und wir sind 2006 sogar im Vorprogramm von Pearl Jam aufgetreten. Die Erfüllung einer Rock’n’Roll-Fantasie. Seitdem habe ich immer eine Gitarre dabei und schreibe Songs im Hotelzimmer. Aber richtig ernst ist das erst geworden, als ich 2008 versucht habe, einen Film zu drehen und plötzlich alles schief lief. Eine schlimme Erfahrung, da habe ich mich gefragt, ob ich das Richtige mit meinem Leben mache. Mir wurde klar, dass ich all diese Stücke habe, die ich doch immer mal aufnehmen wollte.

Aber Sie haben gerade einen Part in „Die grüne Laterne“, der Verfilmung des DC-Comics, übernommen – was ja keine anspruchsvolle Filmkunst sein dürfte, oder?

Eher nicht. Ich bekomme so viele Drehbücher, mit denen ich nichts anfangen kann oder die so schlecht sind, dass ich damit nichts zu tun haben möchte. Aber als mir „Die grüne Laterne“ angeboten wurde, konnte ich nicht nein sagen. Dafür habe ich den Comic als Kind zu sehr gemocht. Und ich schätze den Regisseur Martin Campbell.

Es stört sie also nicht, dass Sie „nur“ den Vater des Bösewichts spielen?

Ab sofort spiele ich nur noch Väter. Das passt zu meinem grauen Haar. Also: Bezahlt mich und ich gebe euch den nicht opportunistischen Dad. Da habe ich Erfahrung.

www.timrobbins.net

Tim Robbins, Jahrgang 58, ist die Stimme des liberalen Hollywood. Sei es seine 23-jährige Beziehung zu Kollegin Susan Sarandon (zwei Söhne, keine Ehe), dem Engagement für Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen oder seine Karriere, die von Theater, Indie-Filmen und raren Mainstream-Ausflügen („Krieg der Welten“) geprägt ist. Robbins bekanntester Film ist „Dead Man Walking“, für den er Regie führte. Nicht minder denkwürdig: Sein Auftritt als hinkender Rockgitarrist in „Tenacious D – The Pick Of Destiny“. Im Oktober geht er mit seinem ersten Album Tim Robbins and the Rogues Gallery Band auf Deutschland-Tour.