Tindersticks


Ein wahrer Melancholiker, dieser Stuart Staples. Groß, galant, grauhaarig und mit Augen, die Tränensäcke wie zwei Stück Handgepäck tragen. So ein Mann muß einfach so eine Stimme haben: als ginge die Welt jeden Moment unter. Sanft und sachte und ganz ganz langsam. Die Tindersticks, das sind – Staples eingerechnet – sechs junge Briten. Musiker, welche die Last der Jahrhunderte auf ihren schmalen Schultern zu tragen scheinen. Gewandet in wohlfeine, monochromfarbene Anzugstoffe, erwecken sie den Anschein, als seien sie allesamt auf üppigen Landgütern der Aristokratie aufgewachsen. Auch scheinen sie Oscar Wildes Romane dutzende Male gelesen zu haben, um seither Musik aus einer anderen Epoche zu spielen. Ihre spinnwebfeinen, manierierten Klangcollagen aus dem Niemandsland zwischen Folk und Jazz und Klassik fallen zwar live etwas knorrig-rockiger aus als auf Platte, klingen aber immer noch irgendwie nach karmesinroten Plüschsesseln, nach Gesprächen über den Zustand des Empire und nach Tee mit Milch.

Die Tindersticks live, das ist schon deshalb schwierige Kost, weil eigentlich nichts passiert außer Musik. Landgraf Staples sagt „thank you“ und sonst nichts zwischen seinen Stücken. Auch die Bewegungen seiner Band beschränken sich auf Kopfnicken. Und wenn man sich nicht ab und zu ein Kölsch holen würde, hätte man den Eindruck, einer in Kunstharz gegossenen Szenerie beizuwohnen.

Es fällt schwer, die gesammelten Melancholien der Tindersticks auseinanderzuhalten. Irgendwie benebelt die Zeitlupen-Tristesse der Kompositionen die Sinne. „Patchwork“ jedenfalls kommt zuerst. Anschließend gibt’s „Kathleen“ und dann „Blood“. Die Gitarre schrammelt, die Drums patschen chablistrocken, die Violine klingt wie eine Steel-Guitar, die Rost angesetzt hat. Und Stuart Staples murmelt, wie schrecklich, ganz schrecklich das alles ist: morgens das leere Kopfkissen neben ihm, abends die Leere des Hauses, das Alleinsein und überhaupt.

Hoffnungslos, aber nie so richtig verzweifelt zu klingen, das macht das Geheimnis der Tindersticks aus. Musik für Melancholiker.