„Dürre Typen mit Haaren und so …“


Sonnenbrillen in geschlossenen Räumen? Mag sein, dass bei The National mit zunehmendem Erfolg auch die Lichtempfindlichkeit steigt. Vielleicht dienen die Brillen Matt Berninger und Scott Devendorf aber auch der Konzentration während unserer kleinen Raterunde.

Lambchop „Ohio“

Matt Berninger: (als der Gesang einsetzt) Sind das die Tindersticks, Stuart Staples?

Nein, aber die Stimme ist ähnlich bemerkenswert.

Scott Devendorf: Gib uns mal einen Tipp!

Der Sänger hat früher als Parkettleger gearbeitet, und die Band hat knapp ein Dutzend Mitglieder. Eins ihrer großen Alben heißt IS A WOMAN.

(Schweigen)

Okay, das sind Lambchop, und Kurt Wagner ist der Mann am Mikrofon.

Matt: Ach klar, die kenne ich natürlich.

Der Song heißt „Ohio“.

Beide: Ah, hm!

Scott: Eine gute Wahl!

Sufjan Stevens „Say Yes! To M!ch!gan!“

Scott: (nach zwei Sekunden) Sufjan!

Matt: Von welchem Album ist das?

Das ist „Say Yes! To M!ch!gan!“ vom Album …

Matt: MICHIGAN, klar!

Sufjan Stevens spielt auch auf eurem neuen Album mit.

Matt: Ja, deshalb haben wir das auch so schnell erraten.

Habt ihr eine Ahnung, wie es um Sufjans Plan steht, zu jedem US-Bundesstaat ein Album zu produzieren?

Scott: Ich weiß nicht …

Matt: Ich glaube, das ist kein so großes Thema mehr für ihn. Mit uns hat er jedenfalls nicht darüber gesprochen.

Bruce Springsteen „Born In The USA“

Matt: (nach den ersten Takten) Springsteen! „Born in the USA“.

Ist Springsteen einer eurer Einflüsse?

Scott: Auf jeden Fall.

Matt: Ich glaube, Springsteen ist auf die eine oder andere Art für jeden Musiker unserer Generation ein Einfluss, als Verkörperung des Rock’n’Roll-Gottes. Auch heute steckt noch eine so große Ernsthaftigkeit in seiner Musik, und auch mit welchem Respekt er immer noch seinem Publikum begegnet, ist bemerkenswert.

The Drums „Let’s Go Surfing“

Matt: Klingt wie Joy Division. (hört aufmerksam zu) Wer ist das?

Eine junge Band aus New York, die gerade immens gehypt wird.

Matt: Nicht Real Estate, oder?

Nein, das sind The Drums.

Matt: Ach ja, von denen habe ich gehört, so dürre Typen mit Haaren und so.

Scott: Ich glaube, ich habe mal ein Video von denen gesehen. Der Sänger hat so einen merkwürdigen Tanzstil.

Ja, hat ebenfalls etwas von Ian Curtis. Und auf der anderen Seite diesen Beach-Boys-Sound, obwohl The Drums nicht mal aus Kalifornien kommen. Aber die Beach Boys konnten ja auch nicht surfen …

Scott: Genau, die haben sich bloß darüber vermarktet.

M.I.A. „Born Free“

(Ein paar Minuten vergehen, bis der Gesang einsetzt)

Scott: M.I.A.?

Ja, genau.

Scott: Ist das „Born Free“?

Ja. Kennst du das Video?

Scott: Ja.

Matt: Was ist mit dem Video?

Scott: Das ist ein Minifilm, acht Minuten lang, in dem ein Haufen Rothaariger verhaftet und entweder erschossen oder durch die Wüste und ein Minenfeld getrieben werden …

So rothaarige Typen wie du, Matt.

Matt: (schaut leicht erschrocken) Oh …

Scott: Es ist ziemlich brutal, und es ärgert mich, dass es nur der Kontroverse wegen kontrovers ist.

Philip Selway „Patron Saint“

Der spielt eigentlich in einer Band, das hier ist sein Solodebüt.

Scott: Ist das der Typ von den Fleet Foxes?

Nein, aber die Band, in der er spielt, ist ziemlich einflussreich. Er spielt Schlagzeug …

Scott: Oh, ist das Phil Selway? Ich habe schon ein paar Sachen von ihm als Video gesehen. Ein sympathischer Typ ist das.

Matt: Klingt gut, ist das schon draußen?

Midlake „Acts Of Man“

Scott: (nach ein paar Takten) Midlake! Ist das von der neuen Platte, der Song „Acts Of Man“?

Genau. Wusstet ihr, dass sich Midlake im selben Jahr gegründet haben wie ihr? 1999.

Matt: Ja, die sind schon eine Weile länger am Start als man denkt. Wenn auch mit weniger Alben als wir. Jetzt sind sie mit uns auf Tour, was mich sehr freut. Ich hatte sie vorher noch nie live gesehen.

Scott: Ich hatte sie vor ein paar Jahren in L.A. gesehen – ein tolles Konzert.

Wilco „Radio Cure

Scott: (beim Flirren der Gitarre) Wilco!

Richtig! Habt ihr mal mit denen gespielt?

Scott: Bisher bloß auf Festivals, wo wir ihnen vom Bühnenrand zuschauen durften. Sie sind großartig.

Matt: Definitiv ein Einfluss für uns. Sie verfolgen sehr gezielt ihren Stil, ohne den künstlerischen Ansprüchen anderer gerecht werden zu wollen. Und dabei sind sie immer noch wahnsinnig innovativ und klingen, als schüttelten sie die Songs aus dem Ärmel.

Den nächsten Künstler hattet ihr vorhin schon mal getippt …

Stuart A. Staples „That Leaving Feeling“ feat. Lhasa

Scott: (nachdem Staples‘ Stimme einsetzt) Tindersticks oder Stuart Staples.

Das ist ein Song von Staples‘ Soloplatte. Aber da singt auch noch eine Frau mit …

Scott: Wer ist das?

Lhasa, eine mexikanisch-amerikanische Songwriterin, die leider Anfang des Jahres an Brustkrebs gestorben ist.

Scott: Kann sein, dass ich von der schon mal gehört habe, bin mir aber nicht sicher.

Staples hat mal gesagt, dass er fast automatisch Duette schreibe. Ganz oft merkt er beim Songschreiben: x{201a}Mist, schon wieder ein Duett‘. Das passiert bei The National eher nicht …

Matt: Stimmt, Duette passieren uns nicht so einfach. (lacht) Aber wir haben mal mit St. Vincent ein Cover des Crooked-Fingers-Songs „Sleep All Summer“ aufgenommen. Immerhin!

Leonard Cohen „So Long, Marianne“

Matt: (nach zwei Sekunden) Leonard Cohen … (hört weiter zu) Cohen ist ein viel größerer Einfluss als alles andere. Cohen und Cave haben mich am meisten beeinflusst.

Scott: Ja, die Art, wie er Songs schreibt, ist großartig.

Matt: Wir haben ihn letztes Jahr auf einem Festival in Spanien gesehen, das war sehr berührend. Ein sehr starker Songwriter.

Und eine charismatische Bühnenpräsenz.

Matt: Auf jeden Fall! Und ein unheimlich freundlicher Mensch. Backstage hat er jedem „Hallo“ gesagt, der vorbei kam. Selbst den Leuten, die den Müll rausbrachten, hat er die Hand geschüttelt. Es war toll, eine Legende wie ihn so menschlich zu sehen – wie ein freundlicher Geist. (lacht)

Story & Albumkritik ME 6/10

www.americanmary.com