Trotzkopf


Vom Proto-Punk zum Polit-Propheten

IGGY POP American Caesar

(Virgin, 839 025-2) Ist Onkel Osterberg auf seine ölten Tage größenwahnsinnig geworden? Theatralisch rezitiert Iggy eine Episode aus dem Leben des römischen Imperators Julius Caesar. ,Werff sie den Löwen zum Fraß vorl“, fordert er mit hämischem Lachen. Doch der zynische Schein trügt: Auf seinem zehnten Soloalbum schlüpft der ewige Veitstänzer des Rock V Roll lediglich in die Rolle des Beobachter schwierig gewordener Zeiten. Keine Spur von Feldherrenallüren. Iggy gibt «nur* politische Kommentare ab, und das ohne Predigertonfoll.

„Das Leben nach Bush und Gorbatschow, die Mauer ist gefallen, doch irgendetwas ist verlorengegangen“ — mit diesen markigen Worten wandelt er den Text des Gassenhauers „Louie, Louie“ um, weit entfernt von jener Inspirationsarmut, die sonst bei Coverversionen zu orten ist. Egal, ob es um das alte Rom, seine eigene Musik oder die anderer geht: Auf AMERICAN CAESAR werden historische Errungenschaften auf die Moderne projiziert, dabei geriert sich der Shouter zeitweise wie der rotzige Rebell aus zügellosen Stooges-Zeiten. Sein zweites Gesicht: Nur von einer Akustikgitarre begleitet, sinniert der Sänger über die Einsamkeit. Was ihn dabei auszeichnet, ist die Gabe, Frustration nicht zu weinerlicher Songschreibermentalität verkommen zu lassen. Vielmehr reagiert er mit trotziger Kritik und verdammt das gesellige Leben als von Spaß überdeckte Qual (»Social Life“). Partys mag Iggy also nicht, dafür das gesunde Leben umso mehr, so wie man es ja seit etwa sieben Jahren von ihm gewohnt ist.

Die musikalische Kontinuität blieb dabei leider auf der Strecke. Ohne klare Linie pendelte er zwischen Rock ’n‘ Trash und Kommerz-Kompromissen umher, wie das letzte Patchwork BRICK BY BRICK schmerzhaft vor Ohren führte. Auf AMERICAN CAESAR ist das Unikum endlich wieder Herr über alle Aufnahmen. Keine künstlichen Produktionsmätzchen, keine verkaufsfördernden VIP-Gäste: Iggy überstrahlt das Album mit Charisma und bündelt damit die unterschiedlichsten Einflüsse. Naturbreit statt benebelt — selten klang diese Metamorphose so ergiebig wie bei diesem Kämpfer gegen die Mittelmäßigkeit. Julius wäre stolz auf ihn.