Volles Rohr


Pflichttermine "for those about to rock": Die Starkstromfirma kommt im Herbst wieder auf Tour.

Sag Angus einen schönen Gruß , grinst der plötzlich unerwartet handzahme Herr vom Zoll, als er hört, wo es später noch hingehen soll. Und auch Charles, der Taxifahrer, wird sofort redselig und beginnt zu grübeln: Sein erstes Konzert von „Aay See Fuckin‘ Dee See“, wo war das gleich noch mal…? Womit die Fronten schon mal geklärt wären: Hier, in Boston an der amerikanischen Ostküste, sind die Starkstrom-Rocker heute Abend garantiert unter alten Freunden.

Unter knapp 20.000. um genau zu sein, denn so viele warten im ausverkauften „Fleet Center“ an diesem Dienstag auf die fünfte Show der gerade gestarteten „Stiff Upper Lip“-Tour. Ex-Gunner Slash darf mit seiner Band Snakepit für sie den Anheizer spielen zum Glück tut er’s schon sehr frühzeitig und ist nach 30 Minuten auch schon wieder verschwunden, was man ihm hoch anrechnen muss. Die Pause wird von den Amis eifrig dazu genutzt, die diversen MerchandisingStände leerzukaufen – trotz gepfefferter Preise mit Gewinnspannen wohl jenseits der tausend Prozent (für ein Shirt made in the Dominican Republic müssen lockere 45 Dollar hingeblättert werden, das Tourjacket gibt’s für 300). Drinnen gehen kurz nach halb neun zum zweiten Mal die Lichter aus und die Riff-Könige in aller Gemütlichkeit an die Arbeit:“You Shook Me All Night Long“ markiert den Einstieg in ein zweistündiges Show-Spektakel, das die meisten hier in ähnlicher Form garantiert schon mindestens einmal erlebt haben, ihren ausgebleichten AC/DC-Tour-Shirts nach zu urteilen. Wie gesagt: Man kennt sich, und entsprechend ist der Umgangston. „It’s good to be back in Boston“, krächzt Sänger Brian Johnson denn auch gut gelaunt unter seiner unverzichtbaren Schiebermütze hervor und gibt dirigierenderweise den Gotthilf Fischer des Hard Rock zum ersten Stimmband-Test für das buntgemischte Auditorium. Angeheizt wird es zusätzlich von Karpfenmaul Angus Young, der sich auf dem Cat Walk mitten ins Volk schon mal warmspurtet und seine Gibson SG bereits jetzt unter Wasser zu setzen beginnt.

Der 45jährige ist zwar eine Spur ruhiger geworden (wer will’s ihm verdenken?), aber schafft sich auf der Bühne und diversen mobilen Plattformen immer noch bis zur völligen Erschöpfung, während Rhythmusgitarrist Malcolm Young und Bassist Cliff Williams ihren Job nach wie vor ohne jede Effekthascherei erledigen und wie immer erst im letzten Moment parallel vor ans Mikro schlurfen, um kurz ein paar Refrainzeilen abzusondern und sich dann sofort wieder Richtung Drumpodest zurückzuziehen. Auf dem thront Phil Rudd.der Links-Rechts-Bumm-Tschack-Weltmeister: In der internationalen Rockszene spielt wohl kaum einer ein derart minimalistisches Schlagzeug, das so auf den Punkt groovt, immenser Snare-Verschleiß inklusive (pro Konzert im Schnitt drei Stück).

AC/DC, das steht also auch 25 Jahre seit Veröffentlichung der ersten LP „High Voltage“ für kurzweiliges Entertainment ohne Peinlichkeiten, wohl aber auf dem schmalen Grad zwischen Ironie und Extravaganz… wobei man diese Band nicht mit normalen Maßstäben messen darf, denn jede andere würde wohl von der Bühne geprügelt werden, wenn sie es wagen würde, haufenweise derart uralte Kamellen zu servieren, und das auch noch wie seinerzeit im Studio eingespielt. Aber egal, das ist nicht das Thema, denn hier lautet das Motto „Give the people what they want“, und das kriegen sie auch diesmal: „Thunderstruck“, „The Jack“, „Highway To Hell“,“Whole Lotta Rosie“-die mit Ausnahme von „Get It Hot“ wohlbekannte, 20 Titel umfassende Setlist ließe sich beliebig fortsetzen. Gleiches gilt für die 1000 Mal bewährten Show-Gimmicks: Zum Intro von „Heils Beils“ schwingt sich Brian – immer noch ein begnadeter Luftgitarrenspieler vor dem Herrn – im Schweinsgalopp an das Seil der überdimensionalen Glocke, die von der Hallendecke herabbaumelt, Angus strippt sich zu den Klängen von „Bad Boy Boogie“ bis auf die frenetisch bejubelte Stars & Stripes-Unterhose nach und nach die zu diesem Zeitpunkt längst durchgeschwitzen Klamotten vom Leib, und zur finalen Zugabe „For Those About To Rock“ unterziehen sechs Konfetti-Kanonen die Trommelfelle einer heftigen Prüfung.

Also alles wie gehabt? Nicht ganz: Wirklich neu ist bei den Rock’n’Roll-Dinosauriern die überdimensionale Angus-Statue, die unvermittelt ein unvermutetes Eigenleben entwickelt, während die teilbare Videowand hinter ihr abwechselnd gestochen scharfe Bilder und kurze Gag-Videos liefert. Das Licht üppig, wie in der Oberliga nun mal Standard, der Soundpegel längst nicht mehr in schmerzenden Dimensionen – im Jahr 2000 liefern AC/DC einmal mehr eine Rock-Show nach „Wetten, dass…?“-Manier: Unterhaltsam, für die eine oder andere Überraschung gut und durchaus noch das nicht wenige Geld wert. Und das ist doch was!