Vom Kirchenchor in die Radiocharts


Die Brooklyniten Yeasayer lassen auch auf ihrem zweiten Album Welten kollidieren.

Ein bisschen verschlafen schieben Anand Wilder, Chris Keating und Ira Wolf Tuton zusammen sind sie die eklektizistische Combo Yeasayer — ihr Frühstück auf dem Teller herum. Die vielen Promotermine in den letzten Tagen haben Spuren hinterlassen. Als das Gespräch auf Phil Collins kommt, werden die drei allerdings zusehends munter. Wilder zerrt ein Fanshirt unterm Pulli hervor, seine Bandkollegen überschlagen sich fast für die Ehrenrettung des Superstars. „Man muss ihn als Popinnovator anerkennen“, plädiert Tuton. „Okay, Phil Collins hat auch Mist gemacht, den Tarzan-Soundtrack etwa. Aber er ist ein fantastischer Drummer und hat eine wirklich eigene Popsprache entwickelt. Bei ihm ist es einfach Hit-or-Miss.“

Ein Blick zurück: Vor zwei Jahren avancierten Yeasayer mit ihrem Debüt ALL HOUR CYMBALS zur angesagten It-Band, das schillernde Album sorgte für Raunen in der Blogosphäre und beförderte den Mythos vom kreativen Hotspot Brooklyn. Der polyrhythmische Sound, die Engführung von Weltmusik mit Indie-Pop traf den Zeitgeist. “ Middle-Eastern-Psych-Snap-Gospel“ nannte die Band ihre Mixtur damals.

Rückschlüsse auf den Sound des Nachfolgers ODD BLOOD darf man aus dieser Selbstbeschreibung aber nicht ziehen. Yeasayer sind musikalische Vielfraße. Klangwelten lassen sie jenseits von kulturellen Zusammenhängen und diskursiven Hierarchien aufeinander prallen, frei von inhaltlichem Ballast. So legen sie zum Beispiel Wert auf die Feststellung, dass die vielen Referenzen an fromme Choräle auf ALL HOUR CYMBALS kein Ausdruck religiöser Gefühle sind: „Es sollte einfach wie ein Chor in einer Scheune im Alabama klingen“ erklärt Keating. „Von dieser Idee sind wir jetzt weit weg.“

Das neue Album klingt poppiger, leichtfüßiger, synthlastiger. Für Kontinuitäten sorgen der emphatische Gesang und die überbordende Verspieltheit. Das Ziel war, „eine Pop-Platte machen, die schräg klingt“, so Keating, „auf dass man nach dem ersten Hören einen Ohrwurm hat, dann aber mehr und mehr Seltsames entdeckt“.

Während der Arbeit am Album haben sie Radiohits aus den 90ern gehört, „von Suzanne Vega bis The Offspring“, erzählt Wilder. Hinten ihrem Bedürfnis, sich anders zu positionieren, steckt die Sorge, in einer Schublade zu landen. Yeasayer wollen sich nicht in der Weltmusiknische oder als Experimentalband sehen. „The Offspring etwa hatten wirklich ungewöhnliche Akkordfolgen. Trotzdem behauptet niemand, die Band würde Sounds aus dem Nahen Osten verarbeiten.“

Eine eigene Sprache finden— für das Trio klingt das nach Stagnation. Lieber schauen sie, was passiert, wenn man Afrobeats mit Thai-Pop kreuzt. Oder aus einer Tracy-Chapman-Laune heraus Depeche Mode zitiert.

www.yeasayer.net