Von Emerson, Lake & Palmer entdeckt für den Rest der Welt


Nun, langer Rede kurzer Sinn: Die fünf Jungs aus Italien verstehen ihr Handwerk so wahnsinnig gut, dass man garnicht anders kann als ihnen eine Mords-Karriere vorauszusagen. ‚Premiata Forneria Marconi‘, dieser zungenbrecherische Name versteckt sich hinter den drei Grossbuchstaben PFM, die in Kürze vielleicht ein genauso bekanntes Markenzeichen wie ELP werden können. Ob ich da wohl nicht ein bisschen zu hoch In die Tastatur gegriffen habe? Kaum.

PROBLEM: ZUVIEL TALENT!!

Zum ersten Mal traf ich PFM vor einigen Monaten bei einem Live-Gig in London. Manticore, die neue ELP-Plattenfirma, stellte damals ihre noch weithin unbekannten Gruppen vor. Während des PFM-Konzertes hörte ich nur den einen Kommentar vom anwesenden Londoner ‚Insider‘-Publikum: „Das einzige Problem für diese Italiener ist, dass sie zuviel Talent haben …“ In Frankfurt gab PFM neulich ihr erstes und bislang einziges Konzert auf deutschem Boden. Dort bewiesen sie erneut, dass sie ‚live‘ mindestens genauso gut wie auf Platte sind, und es wurde mir verständlich, warum diese italienische Top-Gruppe in ihrer Heimat südlich der Alpen bereits mehr als 50 000 LPs verkaufen konnte. Mit von der Partie war übrigens der Ex-King Crimson-Songschreiber und Co-Produzent Pete Sinfield, der im letzten Jahr wesentlich dazu beitrug, dass Roxy Music entdeckt wurde: Er produzierte das erste Roxy Music-Album. Pete ist ein alter Hase, der sich in der Londoner Szene bestens auskennt.

PETE SINFIELD – DAS MADCHEN FÜR ALLES

Seine Karriere begann er als Roadie bei King Crimson.

Als Songschreiber und Produzent wurde er 1969 vollwertiges Mitglied dieser Band, die er ausserdem mit einer duften Light-Show versorgte und auf zwei grossen Amerika-Tourneen begleitete. Im Frühjahr 1972 trennte sich Pete, das Mädchen für Alles, von King Crimson, um seine eigenen Wege zu gehen. Inzwischen hat er bewiesen, dass dieser Entschluss richtig war. Im letzten Sommer produzierte er das erste Roxy Music-Album. Jetzt gerade veröffentlichte er sein erstes Solo-Album auf ‚Manticore‘ unter dem Titel ‚Still‘.

MEL COLLINS: NACH KING CRIMSON UND ALEXIS KORNER ZU PFM

‚Still‘ entstand unter Mitwirkung des Ex-King Crimscn Saxophonisten Mel Collins. Collins hatte ‚Crimson‘ im April 72 während einer USA-Tournee verlassen und sich Alexis Korner und Peter Thorup angeschlossen, mit denen zusammen schliesslich die recht kurzlebige Band ‚Snape‘ aus der Taufe gehoben wurde. Nach einer vierwöchigen Deutschland-Tour mit Snape begab sich Mel mit seinem alten Freund Pete Sinfield ins Studio. Nach diesem scheinbar endlosen Hin und Her zeichnete sich so langsam eine Band ab, die möglicherweise schon bald im Vorprogramm von Emerson, Lake & Palmer auf Amerika-Tournee geht: ‚PFM plus Pete Sinfield plus Mel Collins.“ Es hält sich das Gerücht, dass ELP bereits ein wenig Angst haben vor dieser Neu-Formation. Wer PFM, Pete und Mel zusammen ‚live‘ in Frankfurt gesehen hat, kann Emerson, Lake & Palmer gut verstehen.

SOUND WIE KING CRIMSON

Die Besetzung von PFM ähnelt beinahe bis ins Detail der von King Crimson. Es drängt sich der Verdacht auf, dass ‚Producer‘ Pete Sinfield seinen ehemaligen Kollegen, vor allem dem Crimson-Chef Bob Fripp (Sinfield: „Bobby Fripp ist .ein straighterj Freak – was immer das auch wieder ist…“) beweisen will, dass in ihm weit mehr Qualitäten stecken und dass in einer Band mit Fripp einfach kein Platz für ein weiteres Allround-Genie war. Sinfield: „Es hat natürlich Auseinandersetzungen zwischen Bobby und mir gegeben, aber inzwischen ist es wieder sehr cool zwischen uns.“ PFM ist eine Fünf-Mann-Band, bestehend aus Flavio Premoli (Mellotron, Moog Synthesizer, Hammond Orgel, Grand Piano, Klarinette und ‚lead vocals‘), Franco Mussida (Gitarre und ‚lead vocals‘) Franz Di Cioccio (Drums), Giorgio Piazza (Bass) und Mauro Pagani (Violine und Piccolo-Flöte). Mauro erzählte mir am Nachmittag vor dem Frankfurter Konzert, wie PFM zu seinem beinahe unaussprechlich langen Namen gekommen ist: „Nun, vor einigen Jahren, als wir in Italien noch nicht so bekannt waren wie jetzt, waren wir häufig knapp bei Kasse. Oft hatten wir Schulden bei einer Frau, der eine Konditorei gehörte. Zum Spass sagten wir zu ihr manchmal: ‚Wenn Sie unsere Schulden vergessen, benennen wir unsere Band nach Ihrem Laden.‘ Irgendwann kamen wir schliesslich darauf, dass das eigentlich ein ganz guter Gag wäre. So nannten wir uns also ‚Premiata Forneria Marconi‘, denn das war der Name dieser Bäckerei.“ Über die Zukunft brauchen sich Mauro und die anderen PFM-Mitglieder keine grossen Sorgen zu machen, denn in ihrer Heimat sind sie die mit Abstand populärste Rock-Band und mit der Schützenhilfe von Emerson, Lake & Palmer dürften sie schon sehr bald international voll am Ball sein.