Vor der Nagelprobe


THE STROKES - Ende Februar wollen die Fab Five deutsche Bühnen rocken - und beweisen, dass ihre Hymnen größer sind als der Hype.

Es ist eine Binsenweisheit, aber nichtsdestotrotz wahr wie nur was: Der Prophet gilt im eigenen Lande nichts. Und in der eigenen Stadt allenfalls wenig. Wer mitbekommen hat, wie die Konzerte der Strokes im Dezember vergangenen Jahres im „New Yorker“ annonciert wurden, weiß, wovon die Rede ist. Ganz entgegen branchenüblichem Geklingel und Getrommel wurden die Gigs der anno 2001 meistgehypten Formation in einer denkwürdigen Nivellierung real existierenden Fan- und Kritikergebarens angekündigt. Die „local rock band The Strokes“ spiele zwei Konzerte im Apollo Theatre, war in der Gazette zu lesen. Rein geographisch mag diese Einordnung korrekt sein – vier der fünf Bandmitglieder sind in New York geboren oder aufgewachsen -, ansonsten aber ist der Veranstaltungshinweis eine schnöde bis ungezogene Untertreibung. Und dann auch wieder nichts als die Wahrheit.

Sicher: Die Newcomerband um Sänger Julian Casablancas wurde 2001 wie keine andere Band mit Lob regelrecht zugeschissen, und die mediale Hyperventilation allen voran naturgemäß der „New Musical Express“-wollte schier kein Ende nehmen wollte. Und dennoch ist die Konzertannonce für The Strokes nicht grundfalsch: In der Welt ist die Band auf dem allerbesten Wege, richtig berühmt zu werden, in New York ist sie eine unter sehr vielen – „a local rock band“ eben. Allerdings eine, die hält, was der weitgehend ohne ihr Zutun produzierte Hype versprochen hat. Die beiden Konzerte im Apollo Theatre jedenfalls waren ohne Fehl und Tadel, zudem restlos ausverkauft und eine Demonstration dessen, was die Strokes derzeit so unwiderstehlich knusprig macht. In scheinbar nachlässig gewählter Garderobe präsentierten sich die Fünf exakt so wie auf den clever inszenierten Promo-Fotos: enge Jeans, Converse-Turnschuhe, schön spack sitzende Lederjoppen, wahlweise Second-hand-Sakkos.

Selbstverständlich sind diese Tapeten und die sympathischen, halblangen Nicht-Frisuren – Ziel: möglichst am Ende des Tages noch so aussehen wie frisch verwuschelt aus dem Bett – alles andere als zufällig gewählt, sie sind die visuelle Reminiszenz an Zeiten, als die Strokes noch nicht einmal Quark im Kühlschrank waren: Television, The Feelies, die Talking Heads und Blondie aus der „Parallel Lines“-Phase lassen schön grüßen. Sei modern, indem du dich vor einem Old-fashioned-Style verbeugst und ihn am eigenen Leibe zelebrierst – dieses Credo haben die Strokes komplett inhaliert. Nach der optischen Verbeugung folgt die auf der auditiven Ebene: Auch live ist an den Strokes nichts wirklich neu oder gar innovativ. Zumeist schnelle Rockmusik, schroff geschrammelte Akkorde, Riffs mit Beef und Biss – alles schon mal da gewesen.

Aber eben lange nicht mehr so gut wie von den Strokes dargeboten. Im wohl dosierten Zusammenspiel – besonders frisch, frank und frei: die beiden Gitarristen Nick Valensi und Albert Hammond Jr.- und mit minimaler Instrumentierung schaffen die Strokes im Apollo Theatre auch live das, was ihr famoses, von einer sympathischen Nicht-Produktion geprägtes Debüt-Album „Is This It“ auszeichnet: maximale Atmosphäre zu erzeugen. Es hat eine heutzutage selten gewordene Wahrhaftigkeit, was die Strokes an diesen beiden Abenden im Dezember 2001 auf die New Yorker Bühne bringen: hochenergetischer Budenzauber ohne Bohei, dafür mit ein paar Zutaten, die gekonnt zwischen epigonalem Zitieren, gnadenloser Klischeeverwurstung und Wir-sind-einfach-wirklich-so-trotz-unserer-wohlhabenden-Elternhäuser hin und her pendeln. In filigranster Iggy-Pop-Manier wälzt sich Julian Casablancas auf dem Boden – auf dem selbstverständlich keine Glasscherben liegen, hey, wir haben 2001, Punk’s not dead, but over! -, hantiert reichlich risikobehaftet mit dem Mikrofonständer und wirkt ansonsten während des Gigs bedenklich verhuscht bis angenehm verschusselt. Und zwar dergestalt, dass sein Auftritt von vorne bis hinten funktionierte und auf alle Fälle polarisierte. Der eine Eckpunkt: Ja, von den Drogen will ich auch und zwar möglichste viel und dann noch mehr. Der andere: So wie der auf der Bühne rumstakst, möchte ich nie durchs Leben wandeln. Mag sein, dass die Art von Bühnenpräsenz ähnlich einstudiert ist wie das konzentrierte Instrumenteumwerfen im Videoclip-ähnlichen Kurzfilm zu „Last Nite“; mag sein, dass die Strokes notorisch mit Ironie und Versatzstücken aus der Rockgeschichte spielen. Und es mag auch sein, dass die Strokes die Konsensmilchband für alle die sind, denen The Hives zu gut frisiert und The White Stripes dann doch zu ruppig sind.

Ist aber auch egal: Live ist die Band eine Wucht, und Julian Casablancas ist arschcool. Wenn nicht sogar cool as fuck. Muss man wahrscheinlich auch sein, sonst hätte Casablancas ebenso wie auch der Rest der Band den Rummel um die Strokes bis dato wohl gar nicht unbeschadet überstanden. Is this it?, hier ausnahmsweise einmal mit zwei Fragezeichen? Aber ja doch, das ist es. Mit Ausrufezeichen. So:!

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