Welcome To The Pleasuredome


Deutschlands Parade-Rocker werden auf ihrer laufenden Tournee dem Titel ihres aktuellen Albums, CRAZY WORLD, alle Ehre machen. Verdammt crazy ging es jedenfalls bei den letzten Live-Proben in der englischen Provinz ab, zu denen der Live-Spion von ME/Sounds exklusiv und vor Ort geladen war.

Von außen sieht der Probe-Palast wie der Pleasuredome von FGTH aus, doch innen ähnelt er zumindest heute eher dem Käfig voller Narren. Noch bevor das erste Gitarrenriff ertönt, fallen die Generatoren aus. Taschenlampen blitzen auf, Band, Roadies und Techniker springen im Achteck. Acht Ecken hat auch das Zelt, das irgendwo auf freier Flur in den englischen Midlands steht und in diesen Tagen die Generalprobe von „The Steve Lemon Band“ über sich ergehen lassen muß. Steve Lemon hat nichts mit musizierenden Limonenhändler zu tun. es ist der Deckname der Scorpions, die hier ungestört mit vollem Bühnenaufbau für ihre aktuelle Welttournee proben.

Bruntingthorpe heißt das Kaff, gut zwölf Meilen vor den Toren der englischen Stadt Leicester gelegen, wo die Herren Meine, Schenker, Jabs, Buchholz und Rarebell sich auf den nächsten Live-Waffengang vorbereiten. Unterm Dach des fußballfeldgroßen Zeltes steigt die Nervosität heute mit jeder Minute, bleiben Musikern und Crew doch nur noch knappe 72 Stunden, um die neue Bühne und das Zusammenspiel von Musik. Tontechnik und Licht zu testen. Am 23. November fällt der Vorhang, dann geht’s beim Tour-Auftakt in Brüssel livehaftig um die Wurst. „Wir waren schon immer Weltmeister im Improvisieren“, macht Rudolf Schenker sich vor dem Startschuß zur „Crazy World-Tour W91 selbst Mut. „Was soll’s — wir sind seil über 20 Jahren on the road, da bringt uns nicht einmal ein totaler Siromausfall mehr aus der Ruhe. Notfalls bringen wir jedes Konzert bei Kerzenlicht mit Akustik-Gitarren zu Ende.“

Damit es erst gar nicht soweit kommt, muß die 57köpfige Mannschaft, inklusive Tour-Manager, Kassenwart, Sound-Mixer. Licht-Designer und Bus-Chauffeur, jetzt noch drei Tage zwischen Wohnwagen, mobiler Waschmaschine und strengen Essens-Dünsten aus der mobilen Flightcase-Küche schwitzen. Trotz der großen Crew heißt die neue Band-Politik klar „kleiner und feiner“. Die Scorpions haben sich nach den gemischten Erfahrungen mit ihrer gigantomanischen, im Hause George Lucas entworfenen Bühne auf der letzten „Savage Amusement“-Tour eine Abmagerungskur verordnet. „Die damalige Buhne plus Aufbauten war derart jenseits von teuer, daß wir in Amerika selbst bei ausverkauften Häusern noch Miese gemacht haben“, klagt der FinanzInspektor in der Band.

Francis Buchholz.

Diesmal „begnügt“ man sich mit einem Bühnen-Set, das sich unter vier rechteckigen, beweglichen Licht-Traversen ausnimmt wie ein riesiger Marktplatz musikalischer Sensationen.

Die zwei Lauframpen, links und rechts der Drums, bieten den beiden Gitarren-Sprintern in der Band. Rudolf Schenker und Matthias Jabs, genügend Bewegungs-Raum, um sich während der 90minütigen Show bei neuen Songs wie „Lust Or Love“, „Kicks After Six“ oder „Hit Between The Eyes“ die Hummeln aus dem Hintern zu spielen.