Yello – Fllag


Sie gehören zu den wenigen, die den vielgeschundenen Begriff „Klangcollagen“ mit Einfällen und intelligentem Witz erfüllt haben: Das Schweizer Duo hält auf dem neuen Album diese Fahne hoch und läßt sie mächtig knattern.

An Einfällen scheint es Boris Blank und Dieter Meier nie zu mangeln; der durch die Single „The Race“ ausgelöste internationale Erfolg sorgte für keine Irritationen bei dem Schweizer Qualitätsunternehmen, sondern scheint im Gegenteil beflügelnd gewirkt zu hoben. Sie kümmern sich mal wieder keinen Deut um Dancefloor-Trends, versuchen sich nicht als eidgenössische House-Meister und picken doch mit distanziertem und scharfem Blick Versatzstücke und Polaroid-ähnliche Momente zeitgenössischer Popmusik heraus, um damit ihr intelligentes Spiel zu treiben.

Gleich der Opener „Tied Up“ scheint ein mild ironischer Kommentar zur „Ethno-Welle“ zu sein: rasende Bongo-Passagen, geheimnisvolle Chöre, heiße Bläser und eine Santana-Gitarre — in sechs Minuten brennen Yello ein von wohlgesetzten elektronischen Effekten pointiertes Feuerwerk ab, aus dem weniger Begabte vielleicht gleich drei Songs gezimmert hätten.

Mit dem nächsten Stück, „Of Course I’m Lying“, machen wir eine halsbrecherische Kurve in Richtung Romantik. Weit gefächerte Keyboards über gefällig pulsierendem Beat, es wäre fast eine von jenen unwiderstehlichen Schnulzen… ja, wenn da nicht dieser Gesang („You’re lying/l love it!“) wäre, mit der die schmachtende Stimmung gegengezeichnet wird. Ein hinreißendes Wechselspiel von gerissenem Gebrauch gefühliger Melodien, die selbst Elton John vor Neid erblassen lassen könnten, und plötzlichen Irritationen. Ein Jonglieren mit Emotionen und Rhythmen, das den Yellos keiner nachmacht.

Dieter Meier als schlitzohrigen Märchenonkel erleben wir auch beim nächsten Song, „3rd Of June“, in dem er von einem Mann erzählt, der plötzlich zum überirdischen Straßenprediger wird. „Blazing Saddles“ ist nicht, wie man vermuten könnte, eine Country & Western-Adaption, sondern von einer Art Space-Balalaika geprägt, mit der die sonoren Don-Kosaken-Stimmen ausgezeichnet harmonieren. Aber auch hier gleitet die Yello-Musik nie ins Nächstliegende ab, nichts wird „parodiert“ oder gar nur simpel umarrangiert. Die Blank/Meier-Kompositionen klopfen klanglich vermeintlich besetzte Gebiete auf ungewohnte Möglichkeiten ab — und da landet eben die Balalaika im afrikanischen Busch. Man könnte so Song für Song weitermachen — Yellos Variete — bunte und doch zügig vorangetriebene Musik scheint nur einen Feind zu kennen: die Langeweile. Da versucht sich Wort-Experimentator und Improvisator Meier auch mal in Italienisch („Otto Di Catania“). Songs, die wie für Video-Clips maßgeschneidert scheinen, und doch stets auch ganz ohne optische Umsetzung auskommen können. Soundtracks,die für Filme viel zu schade sind, denn die besten Bilder kommen dem Hörer im Kopf.

(CD und MC simultan mit LP, CD mit 1 Bonus-Track)

DISCOGRAPHIE:

1. SOLID PLEASURE (1980)

2. CLAROQUESI(1981)

3. YOU GOTTA SAY YES TO ANOTHEREXCESS(1983)

4. YELLO – LIVE AT THE ROXY (1984)

5. STELLA (1985)

6. THE MIX IN ONE GO: Maxis 1980-1985(1986)

7. ONCE SECOND (1987)

Dieter Meier über die Arbeit an der neuen LP

„ONE SECOND, die letzte LP, ist für meine Begriffe etwas zu steif und glatt geraten, weil wir erstmals optimales Equipment besaßen und dadurch den spielerischen Umgang mit der Technik verloren hatten. Inzwischen haben wir den Respekt vor den Maschinen abgelegt, wir haben das Studio, wie ein Boot auf See, wieder richtig ‚eingesessen‘. Den respektlosen Umgang mit den Maschinen aber kann man nur erlernen, wenn man täglich mit diesem Monster umgeht. Wer als Musiker im Probenkeller seine Nümmerchen übt und dann plötzlich diesem Monster begegnet, ist völlig verloren. Wir sind in der glücklichen Lage, täglich mit diesen Maschinen umzugehen, und haben deswegen auch die spielerische Leichtigkeit, die uns vielleicht zuletzt etwas abgegangen war, auf der neuen LP wieder gefunden.“

DURCH „FORMEL 1“ KAM „THE RACE“ ANS LAUFEN

Boris Blank produzierte ursprünglich für zwei Zauberer aus der Schweiz einen (damals noch unbetitelten) Track, mit dem die beiden 1987 an den „Weltmeisterschaften der Magier“ in Los Angeles teilnahmen. Wenig später flatterte Boris die Anfrage von „Formel 1“ auf den Tisch, ob er nicht zufällig eine Idee zu einem Trailer für die neugestaltete „Formel 1“-Sendung habe. Die Folge: Das „Formel 1 „-interne Gremium entschied sich mit sechs zu null Stimmen für die Yello-Komposition. Daraufhin erst wurde man richtig aktiv. Dieter Meier schrieb die passenden Lyrics, Boris bastelte hektisch an der 13 Minuten und 20 Sekunden langen Maxi-Version. Im April 1988, anläßlich der Feier zur 200. „Formel 1 „-Sendung, hatte dann die eigentliche Single-Version mit dem Titel „The Race“ Premiere. Sie ist die bislang mit Abstand erfolgreichste Yello-Single. Allein in Deutschland ging sie knapp 200 000 mal über den Ladentisch, wobei der Maxi-Anteil erstaunlicherweise höher ist als derjenige der dreiminütigen Single. Mit dem Zufallsprodukt „The Race“ knackten Yello gleich auch erstmals die englischen Top 10. Der Titel wurde nicht zuletzt deshalb auch, in einer neuen Version, auf die LP FLAG genommen.