Zurück aus der Gruf


Die Horrorsippe ist auferstanden und läßt in Leinwandgröße ihre Fernseh-Ahnen alt aussehen.

Der Regisseur fällt in Ohnmacht. Der Kameramann fängt sich eine Grippe ein. Christopher Lloyd verliert fast ein Ohr, und überhaupt wollen die ganzen Anstrengungen einfach kein Ende nehmen. Über sechs Monate zogen sich die Dreharbeiten von „The Addams Family“ hin — Chaos total. Aber irgendwie paßt es ja. Denn diese Familie ist alles, aber nicht gewöhnlich. In ihrem gemütlichen, vergammelten Schloß foltern, quälen und necken sie einander. Die Kids jagen mit Hackebeilen durch die Zimmer, Mama züchtet fleischfressende Pflanzen, und Dad erledigt die Nachbarn mit wohlplazierten Golfbällen. „The Addams Family“ — das sind höchst humorvolle und sympathische Grufties, die nichts als morbiden Schabernack im Sinn haben. Erfunden wurde der Clan Ende der vierziger Jahre von dem Cartoonisten Samuel Addams. In weit über 1000 Zeichnungen stellte seine Familie fortan die biedere Nachkriegsmoral auf den Kopf. Erlaubt war alles. So lange der Humor schwarz, die Streiche hinreichend bissig und die Pointe niederträchtig war. Die Glotze zog bald nach, doch die Erstausstrahlung der TV-Serie „The Addams Familv“

ließ an Popularität zu wünschen übrig. Die Gründe sind, aus heutiger

Sicht, nachvollziehbar. Zu brav in rV-Normen gepreßt, zu wenig wüst ;ab sich die erste Fleisch- und Blut-)esetzung der Familie. Der Biß der Cartoons fehlte: klarer Fall von Eti-;ettenschwindel. Und dennoch: Jber die kommenden Jahrzehnte entwickelte sich die Sippe zum Kult-Clan. Fan-Zirkel und Merchandising-Maschine arbeiteten fleißig, und zumindest in den ‚ ! SA weiß jedes Kind die Titelmeloiie der „Addams Family“ im Schlaf zu pfeifen. In Deutschland sind die Nachahmer „The Munsters“ vielleicht beliebter. Doch ob Kult oder Kopisten — der Film „The Addams Family“ degradiert die TV-Geschichte zur Nostalgie.

„Unser Hauptanliegen war es“, sagt Regisseur Barry Sonnenfeld, „dem Geist der Cartoons möglichst treu zu bleiben. Und am besten geht das, wenn man sie einfach in den Film einbaut. “ Allerdings. Der Film gibt sich als rasante Nummernrevue ohne Grenzen oder Logik. Die liebevollen, visuellen Gags werden einem nur so um die Ohren gehauen, dazu prasselt es trockene Sprüche. Eine Menge Kritiker bemängelten die Dürftigkeitkeit der Story des Filmes. Richtig gesehen, falsch gefolgert. Denn die exzentrischen Macken der Familienmitglieder sind Story genug.

„Ich habe sehr viele tragische, persönlich belastende und ernste Parts gespielt“, stöhnt Anjelica „Morticia Addams“ Huston, „doch eine Komödie wie diese ist beileibe kein Spaziergang. Die Entwicklung des Charakters ist hart und kompliziert, das 77ming ist noch wichtiger ab bei Dramen, und von den physischen Torturen will ich gar nicht erst anfangen. “ Diese Arbeit — jeden Schweißtropfen, jeden von 40 Mio. Dollar, jeden gerissenen Nerv — sieht man dem Film an. Was da mit so scheinbarer Lässigkeit vorgezaubert wird, ist die Summe eines gewaltigen Großunternehmens. Dagegen muß sich die Fernseh-Familie natürlich kleinkariert ausnehmen. Mit deren Einspruch wäre ohnehin nicht mehr zu rechnen — die Hälfte der Darsteller von heute liegt für immer in der Gruft. Mit den Kino-Addams hingegen kann man nach 74 Millionen Dollar Kasse in 24 USA-Spieltagen wohl auch in Zukunft rechnen. Haisund Beinbruch beim Drehen der Fortsetzung! Im wahrsten Sinne des Wortes natürlich.