The Chapman Family


Vier Briten ätzen gegen die Beatles. Ihr Indie-Pop mit ruppiger Postpunk- und Industrial-Schlagseite macht jedoch so viel Spaß, dass das Kratzen am Heldendenkmal in Ordnung geht.

Kingsley Chapman ist stinkig. Eigentlich wollte der Sänger der Chapman Family, dass Burn Your Town am Valentinstag erscheint. Das Problem: Da bevorratet der Handel vor allem jene Musik, die sich Liebende schenken. Nicht unbedingt die Zielgruppe der Band aus dem nordbritischen Stockton-on-Tees. Nun soll das Debütalbum im März in die Läden kommen. Mit „Kids“ und „Virgins“ erschienen bereits zwei Singles, die geschickt die Schnittstelle zwischen britischem Pop im Sinne von The Cure und Joy Division und härterem Gitarrenrock ausloteten, sich dabei aber deutlicher Kategorisierungen entzogen.

Der „NME“ schickte die Band gemeinsam mit La Roux auf Tour, die großen Plattenfirmen klopften aufgeregt an. Dass seitdem bald zwei Jahre vergingen, dürfte am langsamen Songwriting, aber auch an der Sturheit der Band liegen. „Wir sind vielleicht etwas kompliziert“, sagt Kingsley. Nach einer kurzen Pause berichtigt er: „Nein, sind wir nicht. Aber wir wissen eben mittlerweile ziemlich genau, was wir wollen und was nicht.“ Das glaubt man sofort. Kingsley Chapman benennt direkt, was ihn ärgert – und ohne Rücksicht auf eventuelle Befindlichkeiten.

Dass es immer noch Bands gibt, die so klingen wie die Libertines, zum Beispiel. Oder dass England momentan Kopf steht, weil Prinz William im nächsten Sommer seine Verlobte Kate Middleton ehelicht. Das sei eine „riesige Geldverschwendung“ und das Königshaus mit seinen Hochzeiten und Begräbnissen eine gern genommene Waffe, um von den eigentlichen Problemen im Lande abzulenken. Bleibt die Frage nach dem Bandnamen. Ein Tribut an Mark David Chapman, der am 8. Dezember 1980 John Lennon erschoss. Die Außenwirkung habe man nicht bedacht, als man 2006 den Namen wählte. Doch die Demontage des Denkmals ist Kingsley Chapman offenbar ein Herzensanliegen. Wie sich die Beatles in die Kulturlandschaft eingefressen haben, sei unerträglich: „In Liverpool haben sie sogar den Flughafen nach John Lennon benannt. Und wenn am Ende ein riesengroßer Feuerball auf die Erde zurast und wir wissen, dass wir alle sterben werden, wird irgendwo eine große Bühne stehen, auf der Paul McCartney dieses schreckliche ‚Hey Jude‘ singt“. Klingt eigentlich total schön.

CD im ME S. 21

* In Liverpool spielt The Chapman Family nicht so gern: Die Mehrzahl der Hate-Mails, die die Band aufgrund ihres Namens bekommt, stammt aus der Beatles-Heimatstadt.

* Die Wurzeln der Gruppe liegen in einem Projekt, dass Kingsley und Paul Chapman Ende der 90er starteten. Die Instrumente: Drumcomputer und Gitarre. Der Sound: „Lärm“, sagt Kingsley.

* Erster Eindruck der Band von Deutschland: „Ähnlich wie England – nur ohne den ganzen Müll auf den Straßen“.