Courtney Barnett

Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit

Marathon Artists/Kobalt/RTD 20.03.2015

Die Rückkehr des Slacker-Pop: Unbeeindruckt vom Hype quengelt sich die Australierin durch ein gutes Dutzend Schluffi-Hits, die allesamt ebenso gewitzt wie eingängig sind.

Eine Bialetti. Sie wissen schon, diese kleine Espressokanne für den Herd, die keine Crema kann, aber dafür nur einen Zehner kostet. Da muss man erst mal drauf kommen, dass man auch über eine Bialetti, die im Englischen übrigens anders heißt, nämlich „Percolator“, singen kann. Courtney Barnett rechnet dem Hörer in „Depreston“ sogar vor, wie viel Geld sie durch die Zubereitung ihrer Latte (das Getränk, nicht das Holzdingens) in der heimischen Küche gegenüber dem bisher favorisierten Genuss im Coffee Shop spart, der jetzt ohnehin viel weiter weg liegt als früher. Eigentlich geht es in dem Song aber um etwas anderes, nämlich um das Leben in trauter Zweisamkeit und im „California Bungalow“ (feststehender Begriff aus der Architektur: Holzhaus, schöner Garten, geräumige Garage, günstig im Bau) im Melbourner Vorort Preston, das für viele so eine Art Endstation im positiven Sinne, so eine Art Angekommen-Sein darzustellen scheint.

Bei Barnett hat man den Eindruck, dass sie nicht übermäßig großen Wert darauf legt, irgendwo anzukommen. Ihr Trick: Sie schildert gerne Realitäten, die durchaus positiv behaftet sind, aber genug Raum für handfeste Verzweiflung bieten. Im Verlauf des Albums haben wir es mit Überlandfahrten zu tun und ausgestopften (ja, wirklich) Kängurus am Straßenrand. Wir hören von den spät entdeckten Vorzügen von Bio-Lebensmitteln gegenüber der Massenware und von Partys, auf die man nur eventuell gehen möchte, wobei sich die Frage stellt, ob die anderen Besucher überhaupt bemerken, ob man da ist oder nicht und falls ja, ob sie das überhaupt kümmert. Riesiges Problem, kann der Rezensent bestätigen. Weiter berichtenswert: „Money“ reimt sich nicht nur auf „Honey“, sondern auch auf „Origami“, Jesus zieht Grimassen. Die Robben sterben, weil sie es eben wollen, auch das Great Barrier Riff hat schon bessere Tage erlebt. Was sich so ganz witzig liest und auch anhört, ergibt als Gesamtes einen Katastrophen-Flow, bei dem jemand die Kontraste total hochgezogen hat, eine Art Dogma-Oper mit jeder Menge Feelings, über denen meist kleine schwarze Wolken hängen, auf deren Abregnen man ruhig größere Geldsummen wetten kann.

Barnett geht also den Weg weiter, den sie mit ihren beiden im vergangenen Sommer im Doppel auch hierzulande veröffentlichten EPs „The Double EP: A Sea Of Split Peas“ und ihrem Signature Song „Avant Gardener“ eingeschlagen hat. Musikalisch wirkt all das noch ein bisschen runder als zuletzt. Nicht unbedingt, was die Produktion angeht, wohl aber in Sachen Selbstverständnis. Weil Barnett genau weiß, wie sie die Stärken ihrer Songs betont, nachzuhören im Repetitiv-Ende von „Depreston“. Vor allem aber drückt sie den Hebel oft genug Richtung Melodie: Dann kommen Powerpop-Juwelen wie ­„Debbie Downer“ oder „Aqua Profunda!“ raus, die bei aller Gedankenschwere federleicht nach Frühling klingen. Bezugspunkte: Lemonheads zu COME ON FEEL-Zeiten, frühe Blur, Breeders, Veruca Salt. Aber auch, wenn Barnett mit ihrem typischen Sprech-Singsang in der Garage bleibt und ihre Intonation Erinnerungen an Stephen Malkmus oder Jonathan Richman weckt, wenn die Gitarre sich lässig durch die Effekte rumpelt, geht man als Hörer gerne mit.

Interessant ist, dass erwähnte Einflüsse einen nie anspringen, eher ist es so, als fahre man mit einem alten Wagen auf einer staubigen Piste an ihnen vorbei, und sie heben lässig die Hand zum Gruße. Die Klangsprache bleibt stets die von Courtney Barnett. Man soll ja vorsichtig sein mit Vermutungen und Vorschusslorbeeren, aber diese Platte spricht dafür, dass wir an dieser Songwriterin noch viel Freude haben werden. Der Albumtitel, das sei der Vollständigkeit halber erwähnt, ist der bisher beste des Jahres.