Brian Wilson

No Pier Pressure

Capitol/Universal 3.04.2015

Duett-Album des Pop-Genies: Billo-Trash, hübsch-glattes Handwerk und ein zu Herzen gehendes Au Revoir.

Das Cover ist ungewöhnlich düster, eine industrielle Küstenszenerie mit Brackwasser und Schatten, die Sonne nur diffus zu erkennen. Dann der Albumtitel: Kein Gruppendruck – und das bei einer Songsammlung mit einem halben Dutzend Gastsängern. Man hat hier noch die Hoffnung, es könne sich um eine Platte aus dem Schattenreich der Seele von Brian Wilson handeln. Um ein – oh Wunder! – ehrliches Album. Ohne Hokuspokus.

„This Beautiful Day“ heißt der kurze Auftakt. Wilson wirkt schläfrig, es könnte ein neuer Morgen sein: „Life goes on an on, like your favourite song“. Über den 1:25 Minuten liegt diese wunderbare Wilson-Magie, die Harmonien sind da, die traurigen Klavierakkorde. NO PIER PRESSURE – ein spätes Meisterwerk? Dann der größtmögliche Bruch: „Runaway Dancer“, ein ganz schlimmes Lied aus einer Horrorwelt, in der Helene Fischers Systempop jegliches Original mit Selbstbräuner überschminkt hat. Gesungen wird der Schmu von einem gewissen Sebu Simonian, Wilson singt entmündigt im Hintergrund mit – und kann wahrscheinlich nichts dafür. Wer trifft eine solche Entscheidung?

Man hat danach ehrlich Angst vor den elf folgenden Stücken. Aber richtig schlimm wird es nun nicht mehr. Zusammen mit Zooey Deschanel singt Wilson den hübschen Postkartenbossanova „On The Island“, das folgende Instrumental „Half Moon Bay“ klingt verdammt lässig. Später, wenn der alte Beach-Boys-Kumpel Al Jardine mitsingt, wird einem sofort heimelig zumute. „Guess You Had To Be Here“, einem Duett mit dem jungen Countrystar Kacey Musgraves, möchte man den Titel der letzten Beach-Boys-Platte zurufen: THAT’S WHY GOD MADE THE RADIO.

Nur die Hoffnung auf das Meisterwerk, die wird enttäuscht. Bis zum Finale Brian Wilson ein einziges Mal alleine im Raum ist, traurige Noten spielt und „The Last Song“ anstimmt: Er hätte gerne noch mehr gegeben, aber die Zeit sei nun leider abgelaufen. „Don’t be sad. There was a time and place for what we had.“ Trommelwirbel, Pauken, Streicher, ein Chorgesang wie aus dem Himmel: Ein Genie sagt schon einmal auf Wiedersehen, bevor es zu spät ist und Mike Love irgendeinen Quatsch aus dem Archiv holt. Das ist mal eine sehr gute Idee.