Diverse

New Gen

XL/Beggars/Rough Trade

The future generation of Grime and R’n’B? Momentaufnahme aus einer offen­kundig aufgeregten Szene.

Na prima, das ist dann das Album zum Jahresstart 2017, das mal wieder von dem heißen Scheiß kündet, an den zu glauben wir schon aus dem Programm gestrichen hatten. Es gibt da etwas, es wurde in London ausgemacht, live geprobt, in Digital­sendern gespielt, es tritt gebündelt unter dem Namen „New Gen“ auf, ist ein Netzknotenpunkt, an den junge Musiker schnell andocken konnten. Den Stempel „brand new“ möchte man diesem „Es“ aber dann doch nicht verpassen, Bewegungsmelder verzeichneten erste Aktivitäten im Frühjahr 2015 in London, die MCs Stormzy, Avelino und Kojey Radical sind mit ihren Tracks schon über den Szenestatus hinausgewachsen. Sei’s drum.

Hier und jetzt kommt der erste gemeinsame Auftritt via Tonträger, die 17 Stücke zusammen­getragen und produziert hat Caroline Simionescu-Marin (kurz SM) von der Onlineplattform GRM Daily, die inzwischen den Posten einer A&R-Managerin beim Londoner XL-Label bekleidet. Die 21-Jährige fehlt in keiner Businessliste, die die Topkreativkräfte in der britischen Musikindustrie aufführt. Für die New Generation nimmt Caroline SM die Rolle einer Mutter ein, sie hält ihre Hand über die jungen Künstler, kuratiert, moderiert und schickt ihre Kinder gut gerüstet in den Hype. Der funktioniert definitionsgemäß darüber, dass er eine Nummer zu groß angesetzt ist.

Eine Revolution im R’n’B oder einen Paradigmenwechsel in ­Grime oder Trap kann man auf dieser Compilation nicht entdecken, dafür aber zahlreiche Veränderungen in Mikrostrukturen, den Wunsch, etwas in noch nicht so gut erkundete Gefilde weiterzutreiben. Das gilt für Ray BLKs munter krängendes „Busy“, hier kriegt der R’n’B eine Rosskur mit den Mitteln des Home­recording verpasst. Oder für Jevons „Man Of The Hour“, das sich eines Flamenco­klatschens als Schrittmacher bedient (und auch wieder sehr undergroundig daherkommt).

Weit nach vorn lehnt sich Kojey Radical mit dem Track „Fuck Your Feelings“: ein dekonstruierter Minimalgospel mit Rapper, Chor, rückwärts laufenden Rhythmusschleifen und einem ordentlich komprimierten Keyboardgrummeln. Das hat Stil, man erkennt den Rapper von der starken „23 Winters“-EP wieder. Ob das Gros der New-Gen-Tracks eine Halbwertszeit von mehr als einer Saison hat? Eher nicht. Diese Sammlung ist eine ­Momentaufnahme aus einer offenkundig aufgeregten Szene, sie hat neugierig gemacht, wir werden eine Auge auf diese Generation haben. Das reicht doch.