Nick Cave erlebt bei Radiohead „die stärkste spirituelle Kraft“

Nick Cave gesteht: Kein Ereignis bewegte ihn so wie das Radiohead-Konzert. Aber sind nicht auch seine Gigs spirituelle Erlebnisse?

Nick Cave teilte kürzlich seine Eindrücke von einem Radiohead-Konzert. Der Musiker fand dabei zahlreiche lobende Worte für die Band rund um Frontmann Thom Yorke und bezeichnete den Auftritt als spezielles Highlight unter den Gigs, die er besucht hatte.

Emotionale Überwältigung

Im neuen Post auf seiner Website „The Red Hand Files“ antwortete Nick Cave auf die Frage eines Lesers, ob er selbst gerne Konzerte besuche. Er erklärte, dass er Shows anderer Künstler:innen eher meide, da seine eigenen ihn bereits emotional stark beanspruchen würden. Dennoch würde er in ruhigeren Zeiten einige Gigs angucken – unter anderem die von Bob Dylan oder auch Swans. Ein Konzert stach für ihn jedoch als definitives Highlight heraus: die Show von Radiohead in der Londoner O2-Arena. Der Musiker sprach von einem „spirituellen Erlebnis“.

„Beim Radiohead-Konzert in der O2-Arena saß ich unter zwanzigtausend Menschen. Seltsamerweise war es das erste Mal, dass ich bei einem so großen Konzert im Publikum saß, und ich war überwältigt von der tiefen Liebe im Saal – Menschen tanzten, schrien, weinten, umarmten sich und stürzten sich ausgelassen auf die Bühne“, berichtete er begeistert.

Der 68-Jährige schwärmte weiter: „Mir wurde bewusst, wie kraftvoll Live-Musik ist – dass eine Gruppe von Menschen zusammenkommt und einen ganz eigenen Klang erschafft, und dass Menschen sich mit dieser unverwechselbaren Vision so verbunden fühlen, als wäre es ihre eigene Erfahrung. Ich spürte ihre moralische Qualität – wie diese einzigartige Kraft die Welt mit ihrer Güte heilen kann.“

Live wird Seele preisgegeben

Weiter erklärte der Sänger, er sei generell ein sehr spiritueller Mensch. Er sei viel in der Natur, gehe zur Kirche und meditiere regelmäßig. Doch auf dem Konzert wurde ihm angeblich klar, dass nichts davon so stark und eindrucksvoll sei wie die Kraft, die ein Live-Konzert entfachen könne.

Speziell zur Show von Radiohead ergänzte er: „Ich glaube, das Publikum von Radiohead reagierte nicht nur auf die Musik, die atemberaubend war, sondern auch auf den Mut der Künstler:innen – auf die schiere Kühnheit, vor einem Publikum zu stehen und ihre Seele preiszugeben. Wie alle anderen dort war ich tief bewegt und demütig.“

Zwei Seiten derselben Erfahrung

Was Cave bei Radiohead erlebte, beschreiben seine eigenen Fans regelmäßig über seine Konzerte. Die intensiven, oft mehrere Stunden dauernden Shows mit den Bad Seeds oder in intimeren Formaten wie den „Conversations“-Auftritten haben längst den Ruf, weit mehr zu sein als gewöhnliche Auftritte. Fans berichten von kathartischen Momenten, von Tränen und Umarmungen unter Fremden, von einer Atmosphäre, die an eine Zusammenkunft Gleichgesinnter erinnert – an eine Messe im ursprünglichen Sinne des Wortes.

Die Parallele zwischen Caves eigenen Shows und seiner Beschreibung des Radiohead-Konzerts ist frappierend. Beide Acts schaffen Räume, in denen Verletzlichkeit zur Stärke wird, in denen das Publikum nicht bloß konsumiert, sondern Teil eines kollektiven, fast sakralen Moments wird. Cave erkannte bei Radiohead jene „moralische Qualität“ und „heilende Kraft“, die er selbst seit Jahrzehnten auf der Bühne beschwört. In seiner Beschreibung des Radiohead-Publikums – „tief bewegt und demütig“ – könnte er ebenso gut seine eigene Crowd beschreiben. Es sind moderne Messen, bei denen nicht Dogmen zelebriert werden, sondern die Kraft der Musik, Menschen zu berühren, zu verbinden und zu verwandeln.

Plus: Zwischen Cave und der Band bestand 2025 sogar eine direkte Verbindung. Genauer gesagt geht es hier um Radiohead-Mitglied und Bassist Colin Greenwood. Dieser sprang für den Bad-Seeds-Bassisten Martyn Casey ein, als Nick Cave mit der Band in Nordamerika auf Tour war.