Aerosmith hebt ab


Nur ein ganz mageres Kartenpäckchen konnten die Vera stalter während des Vorverkaufs für das Kölner Aerosmith-Konzert absetzen; also warfen sie das Handtuch und sagten die ganze Show ab. Glücklicherweise gibt es noch den amerikanischen Sektor in der Bundesrepublik, und die US-Armee ließ die Jungstars aus Boston nicht im Stich: In Frankfurt/Offenbach, Erlangen und Ludwigshafen waren die Auftritte ausverkauft, vor den Hallen rollten die Armeelastwagen gleich rudelweise an und spuckten ihre Fracht aus: G.I.s mit zwei Pfund Kaugummi im Mund, viel Dope in der Tasche und dem obligatorischen Sturmschnitt auf dem Schädel.

Ich hörte Aerosmith in der Offenbacher Stadthalle und glaubte zunächst an einen Stromausfall: Nicht das erwartete Soundgewitter dröhnte aus den Boxen, sondern vorsichtig ausgesteuerter, ja beinahe schon zu leiser Hardrock. Der Nachwuchs im Schwermetallager betrachtet also Musik doch nicht nur als Synonym für Lautstärke; die Altherrenriege – Robin Trower zum Beispiel, oder Uriah Heep – kann da noch viel lernen.

Die Natur hat den zierlichen Aeroschmitz-Sänger Steven Tyler mit Schwulst-Lippen und einem lauernd-sinnlichen Blick a la Mick Jagger ausgestattet; daß er diese Gabe nutzen will und auch seine Bühnenshow nach dem Vorbild Jagger ausgerichtet ist, ist da verständlich. Gleichwohl stellt sich die Frage, wie weit man im Leben mit Kopien kommt; denn während Tyler noch halbwegs überzeugt, ist die Keith Richard-Adaption seines Gitarristen Joe Perry schlicht und einfach lächerlich.

Einen zwiespältigen Eindruck hinterließ auch das Repertoire, das Aerosmith in Deutschland vorstellte. Solange die Band mit sauberem Hardrock durchstartete,wirkte sie frisch und überzeugend, riß sie die Zuhörer mit und brachte Körper ins Rollen; sobald sie die Dampfwalze in Gang setzte und auf Heavyrock umschaltete, ließ der Drive nach, wurde der Sound schwammig, breitete sich Langeweile aus.

Die Tyler-Gang stieg in Amerika sehr rasch in den mittlerweile gar nicht mehr so kleinen Club der Superstars auf; ihre dritte und jüngste LP „Rocks“, aus der auch ein großer Teil des Bühnenrepertoires stammt, wurde mit Gold und Platin veredelt. Es sieht so aus, als sei diese stürmische Entwicklung über Aerosmith hinweggerollt; noch entsprechen Bühnenroutine und -konzept nicht den Erwartungen, die die Verkaufszahlen der Platten suggerieren. Aber ein Stück Faszination, das strahlte Steven Tyler schon aus zwischen Erlangen und Ludwigshafen. Wenn er daran noch ein wenig dreht, dann füllt er demnächst wohl auch die Hallen in Deutschlands Norden.