,Als ob ich was über Gott wüsste!“


Jetzt ist es raus: Solange nicht Obama interveniert, wird der Mann, der sich 15 Jahre lang Smog nannte, unter seinem bürgerlichen Namen Bill Callahan Platten machen. Und solange nicht Gott interveniert, wird er auf diesen auch nicht singen wie Dolly Parton; gut also, dass Callahan nicht religiös ist.

Seit der Smog-Platte JULIUS CAESAR aus dem Jahr 1994 bin ich ein großer Bewunderer deiner Arbeit. Als irgendwann im Winter neues Material von dir angekündigt wurde, erwartete ich nichts als ein weiteres großartiges Album. Nun ist SOMETIMES I WISH WE WERE AN EAGLE nach Meinung vieler das beste Album deiner Karriere geworden und wird diesmal auch fast weltweit als solches gewürdigt. Nimmst du das auch so wahr? Die Reaktionen auf diese Platte waren deutlich besser als gewohnt. Es ist nett, ein bisschen Begeisterung auszulösen. Ich fahre gerade ganz allein durchs Land und gebe Graus-Konzerte in Plattenläden – da ist es schön, unterwegs ein paar gute Nachrichten zu erhalten. Unterhältst du dich nach solchen Auftritten in Plattenläden dann auch mit den Fans? Die Annahme, dass du ein grüblerischer Eremit bist, der nicht allzu gern kommuniziert, hält sich ja nun schon ewig, und auch nach Smog-Konzerten bist du in der Regel nicht mehr zu sehen. Plattenläden sind ein Ort, wo ich ungezwungen mit Menschen sprechen kann. Wenn mir ein Fan sagt, er habe nach dem Hören einer meiner Songs das Gefühl, ich sei sein bester Freund, dann ist das gut, denn jeder kann einen Freund gebrauchen. Wenn ein Fan sich aber zu sehr hineinsteigert, ist es schlecht. Bei Club-Shows mag ich eigentlich keine Leute treffen. Das ist einfach was anderes: Es ist dunkel und alle sind angetrunken. Das kommt mir eher so vor wie eine Filmvorführung, bei der es keinen Kontakt zwischen Künstler und Publikum geben sollte. Ich hasse diese großen Rockkonzerte, wenn der Sänger die Hände der Fans in der ersten Reihe berührt, während er singt. Wahrscheinlich versucht er einfach nur, wach zu bleiben oder sich irgendwie zu beschäftigen. In Plattenläden zu spielen, ist mehr wie Theater: ein kurzes Stück, ein einziger Akt. Da fühlt es sich normaler an, sich danach noch mit ein paar Leute zu treffen. Über die Jahre hat sich dein Pseudonym von Smog zu (Smog) gewandelt, die letzten beiden Alben erschienen dann unter deinem bürgerlichen Namen. Kannst du dir vorstellen, irgendwann mal wieder eine Platte als Smog zu veröffentlichen? Es wird keine Smog-Platte mehr geben. Es sei denn, Obama bittet mich, dieses Pseudonym wieder zu benutzen. Das mit dem Namen ist doch keine große Sache. Ich schreibe einfach nur Songs, die ich selbst gern hören würde. Der Begriff Smog hat aufgehört, eine Bedeutung für mich zu haben. Also dachte ich mir: Warum sollte ich diesen Namen benutzen, der nichts bedeutet? Meinen eigenen Namen zu verwenden, erschien mir als das denkbar Neutralste. Ich würde mich X nennen, wenn es nicht schon zwei Bands geben würde, die so heißen. Fändest du es seltsam, wenn sich Hörer nur an deiner Musik erfreuen und gar nicht auf die Texte achten? Nein. Ich selbst achte bei ziemlich viel Musik nicht auf den Text. So was wie Pearl Jam. Man hört doch meist gar nicht, wovon er da gerade singt. Wenn ich mir das neue, fast schon erhebende Stück „Eid Ma Clack Shaw“ anhöre und es mit wirklich desperaten alten Songs wie „Your Wedding“, „Wild Love“ und „A Hit“ (in dem du recht bezeichnend singst: „It’s not going to be a hit / so why even bother with it“) vergleiche, komme ich zu dem Schluss, dass du – auch unter Mitbeachtung eines lyrischen Ichs – heute ein viel zufriedenerer Mensch sein musst als noch vor zehn oder 15 Jahren. Liege ich da richtig? Vielleicht waren diese alten Songs das, was man als „Wachstumsschmerzen“ bezeichnet. Ich bin ja sozusagen mit Vinyl aufgewachsen, und in meiner Anfangszeit wollte ich alles rausbringen, egal wie peinlich, linkisch oder naiv das Material war. Ich bin mit meinen Songs nach draußen gegangen, ohne zu wissen, wie man Gitarre spielt oder Platten aufnimmt. Um die roheste Musik zu machen, die irgendwie möglich war. Neil Michael Hagertys Produktion deines letzten Albums WOKE ON A WHALE HEART war für deine Verhältnisse fast schon opulent, der Gesamtklang war stellenweise allzu süffig. Bist du mit dem Album heute noch zufrieden? Schließlich hast du dieses Mal ja wieder selbst produziert. WOKE ON A WHAL EHEART war ein Experiment: Jemand anderen produzieren zu lassen, ohne Input von mir. Ich mag das Album immer noch. Ich wusste da ganz genau, was ich wollte, und hätte es nicht allein umsetzen können. Bei SOMETIMES I WISH WEWERE AN EAGLE wusste ich auch genau, was ich wollte, und ich wollte es allein machen. Gibt es eigentlich einen guten Grund, überhaupt Interviews zu geben, und kannst du irgendetwas für dich selbst daraus ziehen? Wir beide kommunizieren ja gerade per E-Mail, üblich sind eher persönliche Treffen oder Telefoninterviews. Ich habe einige Telefoninterviews zu dieser Platte gegeben. Ich telefoniere aber nicht mit Journalisten in Europa, denn sonst würde ich eine astronomische Handy-Rechnung haben. Zuletzt bin ich des Telefonierens etwas müde geworden, weil mich plötzlich alle zu Gott befragen wollten (im neuen Song „Faith / Void“ wiederholt Callaban die Worte „It’s time toput God a „way“ unzählige Male; Anm.).

Als ob ich irgendetwas über Gott wüsste! Ich bin ja überhaupt nicht religiös. Wenn Gebete trotzdem erhört werden würden — für was würdest du beten? Für gute Gesundheit, eine Ehefrau, die mich hebt, und für Kinder, die ich hebe und mit denen ich lachen kann. Aber ich bete nicht. Auf Joanna Newsoms Meisterwerk YS bist du auf dem Song „Only Skin“ zu hören, auch live seid ihr gemeinsam aufgetreten. Besteht eigentlich die Chance, dass du noch einmal mit Joanna zusammenarbeiten wirst? Ich hätte Lust dazu. Ich schätze, irgendwann wird wieder etwas passieren. Es ist schwierig, einen Sänger zu finden, mit dessen Stimme man deine auch nur im Entferntesten vergleichen könnte — auch Lou Reed oder Leonard Cohen kommen nicht ganz hin. Welche Sänger oder Sängerinnen haben dich am meisten beeinflusst? Ich höre eine Menge Musik. Ich wünschte, ich könnte so singen wie Lee „Scratch“ Perry, R. Kelly oder Dolly Parton. Andererseits muss man versuchen, seine eigene Stimme zu finden. Vielleicht wünscht Dolly Parton sich ja, so singen zu können wie ich!

Albumkritik ME 5/09

www.dragcity.com/bands/callaban.html