Anthony Gonzalez / M83


Der für seinen atmosphärischen Pop gefeierte Franzose liebt auch privat Musik, die ihm das Kopfkino anwirft.

Dieses Stück beschreibt für mich das Lebensgefühl in meiner Heimat Südfrankreich …

ENNIO MORRICONE

„COME MADDALENA“ (1971)

Ich habe das Stück entdeckt, als ich mit einem Freund auf dem Rückweg von Marseille im Auto saß. Die Landschaft – Palmen, grüne Hänge, das Meer – rauschte an uns vorbei und wurde auf ganz natürliche Weise eins mit der Leichtigkeit der Musik. Ich war zu dieser Zeit noch ein Teenager, aber habe dieses Bild von der südfranzösischen Landschaft immer noch vor Augen, sobald ich diesen Song höre.

Wegen dieser Platte wäre ich gerne in den Achtzigern ein Teenager gewesen …

TEARS FOR FEARS

SONGS FROM THE BIG CHAIR (1985)

Ich war erst ein Jahrzehnt nach der Veröffentlichung der Platte im Teenageralter, aber trotzdem haben mich Songs wie „Head Over Heels/Broken“ so sehr geprägt, dass viele Stücke meines vorletzten Albums Saturdays = Youth davon inspiriert worden sind. Tears For Fears sind für mich Ikonen des 80s-Pop. Ich mochte die heitere Atmosphäre, die ihre Songs ausstrahlen, und natürlich war auch ein gewisser Spaßfaktor dabei, auf so ein buntes und lebhaftes Zeitalter wie die Achtziger zurückzublicken. Die Band hat mit diesem Album den passenden Soundtrack zum Jungsein geliefert und gleichzeitig die wichtigsten Schwingungen der Zeit aufgegriffen.

Dieses Album packte ich als Erstes in meinen Koffer, als ich vor zwei Jahren nach L.A. umzog …

BRIAN ENO

DISCREET MUSIC (1975)

Diese Platte war immer bei mir, als ich mit meinem Auto das Umland von L.A. erkundet habe. Egal, ob ich in die Wüste oder ans Meer gefahren bin – sie war mein Reisebegleiter, als perfekter Soundtrack für die Landschaft Kaliforniens. Aber auch schon zuvor stand diese Musik für meine Empfindungen, die ich mit Kalifornien verbinde.

Ein Doppel-Album, das mich ermutigt hat, selbst eines aufzunehmen …

THE SMASHING PUMPKINS

MELLON COLLIE AND THE INFINITE SADNESS (1995)

Kein anderes Doppel-Album hat auf mich eine ähnlich starke Wirkung gehabt. Das ist der Soundtrack meiner Jugend, da kommt keine andere Platte heran. Ich bin noch heute so von den Songs begeistert, dass ich mir niemals anmaßen würde zu behaupten, dass ich in meiner Arbeit ein ähnlich hohes Niveau erreichen könnte. Auf der anderen Seite hat gerade der hohe Standard dieses Albums dazu beigetragen, mir selbst hohe Ziele zu setzen. Ein normales Album zu machen, ist schon schwer genug. Mit dem Ziel, Hurry Up, We’re Dreaming als Doppel-Album aufzunehmen, habe ich mich dann gleich noch mehr Druck ausgesetzt. Im Nachhinein war diese Erfahrung aber eine große Bereicherung für mich.

Ein Song, den ich gerne remixen würde …

KATY PERRY

„THE ONE THAT GOT AWAY“ (2011)

Eine Zeit lang habe ich viele Remixe gemacht, doch inzwischen habe ich ein wenig die Lust daran verloren. Darum würde ich gerne etwas machen, was mich herausfordert, wie zum Beispiel einen Remix eines Katy-Perry-Songs, gerade weil ich ihre Musik nicht so mag. Ich finde es wenig reizvoll, Songs zu remixen, die ich großartig finde. Das erschwert mir die Arbeit eher, weil sich bei mir dann Druck aufbaut, es besonders gut zu machen.

Wäre Klaus Kinski ein Song, dann dieser …

POPOL VUH

„AGUIRRE I“ (1975)

Ich schätze ihn als Schauspieler sehr. Wenn ich an Kinski denke, verbinde ich ihn immer mit der Figur, die er in Werner Herzogs „Aguirre, der Zorn Gottes“ verkörpert. Deswegen würde ich dieses Stück aus dem Soundtrack wählen, um ihn zu beschreiben. Er war zwar als Persönlichkeit bei Weitem nicht so ruhig und friedlich, aber für mich verkörpert er den Charakter in diesem Film so überzeugend, dass mein Bild auch nicht so der dramatischen Vorstellung von ihm entspricht, die wohl viele Leute haben. Der Song ist vielleicht sogar genau das Gegenteil von Kinski, denn die Musik wirkt sehr atmosphärisch. Würde man das allerdings wiederum mit „stimmungsvoll“ übersetzen, trifft es in meinen Augen genau auf Kinski als Person zu.

Randnotizen

* Der Bandname M83 ist von einer Spiralgalaxie im Sternbild Wasserschlange namens Messier 83 abgeleitet, die 15 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt liegt und 1751 von dem französischen Astronomen Nicolas Louis de Lacaille entdeckt wurde.

* Gegründet wurde die Band im Jahr 2001 von Anthony Gonzalez und Nicolas Fromageau – zwei gelernten Rockmusikern, die Lust auf Synthesizermusik hatten – in Antibes im Südosten Frankreichs. Fromageau verließ das Gespann jedoch nach der langen Tour zum zweiten Album Dead Cities, Red Seas & Lost Ghosts.

* Anthony Gonzalez wurde und wird gerne als Remixer verpflichtet. Er arbeitete u.a. für Bloc Party, Placebo, Depeche Mode, White Lies, Deftones und Daft Punk.

* Das Budget für das aktuelle (Doppel-)Album Hurry Up, We’re Dreaming war so knapp, dass Blechbläser und Streicher nicht bezahlt werden konnten. Damit die Musiker-Gewerkschaft nicht einschreitet, wurden in den Album-Credits nur Pseudonyme der jeweiligen Instrumentalisten verwendet.

Der nächste Musikexpress erscheint am 15. März 2012