Barclay James Harvest


Ob's daran liegt, daß sie aus Englands tristem Hinterhof stammen? Jedenfalls verkörpert das Trio aus Manchester wie kaum eine andere Band die Sehnsucht nach einer heilen (Klang-)Welt. Was zur Folge hatte, daß sie voll in die Schußlinie der Kritiker geriet: "Weichspüler" und "Schmuse-Rocker" waren noch die dezenteren Attribute, die BJH quittieren mußten. Doch während sie für die einen Inbegriff einer antiquierten Plüschmusik sind, sehen andere in ihnen die letzte Bastion im Meer der musikalischen Dilettanten. Anläßlich ihrer Europa-Tournee wirft die Special Story einen Blick zurück auf den Werdegang einer ebenso umstrittenen wie erfolgreichen Gruppe.

Man kann nur einige Zeit von Träumen leben. Eines Tages kommt der Punkt, an dem man ans Verkaufen denken muß – oder stirbt.“

Mit diesem Zitat von Drummer Mel Pritchard endete 1972 ein Artikel der Londoner Underground-Zeitschrift „ZigZag“. Acht Jahre sollte es noch dauern, bis Barclay James Harvest tatsächlich ans Verkaufen denken konnten. Viele Bands hätten in dieser Zeit vermutlich längst das Handtuch geworfen.

Heute können Mel Pritchard, Sänger/Gitarrist John Lees und Sänger/Bassist Les Holroyd sehr gut von Träumen leben. Perfekt wie kaum eine andere Band der Welt verkaufen sie Träume. Die Welt im Spiegel ihrer Musik wirkt wie eine Fotografie von David Hamilton, dem Weltmeister des Weichzeichners. Keine schrillen Mißtöne, keine scharfen Kanten, an denen man sich stoßen könnte, keine Skandale oder Affären. Mit Rockmusik scheinen Barclay James Harvest soviel zu tun zu haben wie eine Kuh mit Ziegenmilch.

Die Kritiker gingen folglich mit ihnen nie sonderlich zimperlich um: Von Beginn ihrer Karriere an galten sie als prädestinierte Prügelknaben. „Die Band mit dem Weichspüler-Effekt“. „Schmuse-Rocker“ oder „Saccharin-Produzenten“ waren noch die gnädigen Attribute.

Aber Barclay bewiesen erstaunliches Stehvermögen. Unbeirrt gingen sie ihren Weg. von einer unbekannten Provinz-Band bis zu einer der erfolgreichsten Gruppen der 80er Jahre. 17 LPs hat die Band inzwischen aufgenommen, die 18. erschien in diesen Tagen zum Beginn der am 27. April gestarteten Europa-Tournee.

VICTIMS OF CIRCUMSTANCE („Opfer der Umstände“) ist der vieldeutige Titel ihrer neuen LP. Welche Opfer, welche Umstände? Barclay machen es sich selbst und den Außenstehenden nicht leicht, sind keine Meister der Selbstdarstellung. In ihrer englischen Heimat finden sie so gut wie gar nicht statt; in Deutschland existieren sie nur auf Tournee oder anläßlich von Plattenveröffentlichungen. Hinter ihnen steht keine Publicity-Maschine, die den Kamin am Rauchen hält: von ihrem Innenleben offenbaren sie soviel wie die Mauern des Kreml von den Interna im Machtzentrum der UdSSR – rein gar nichts.

Kalt, unpersönlich, verschlossen bis zur Arroganz wirken Barclay auf den Beobachter, der zum ersten Mal mit der Band zusammentrifft. Das sind keine Leute, die das Herz auf der Zunge tragen: keine Leute, die jedem offenbaren, wie der Hase bei ihnen läuft.

Um so überraschender wirkt angesichts dieser Erfahrungen jetzt die neue LP: Schon das Cover – eine Art grobschlächtiger Collage – hat so gut nichts mit dem zu tun, was man bislang mit Barclay assoziiert hatte. Und auch musikalisch geht das Trio neue, für sie ungewohnte Wege: fast sparsam arrangiert, rockig, ohne die gerade bei den letzten Scheiben bis zum Exzeß getriebene Süße, bei der Kritiker schon das Schmalz aus den Rillen zu triefen hören glaubten. Sicher, musikalische Kanalarbeiter werden Barclay James Harvest nie, aber ein neuer Anfang ist zweifellos gemacht. Barcley haben wieder Biß. Weg vom Bombast-Rock, back to the roots.

Die Roots – das sind für Barclay Blues und Soul. 1966 lernten sie sich kennen, in ihrer Heimatstadt Oldham, einem kleinen Ort bei Manchester. Hier ist England fast am häßlichsten. Liverpool ist in Spucknapf-Nähe, Birmingham nicht weit. Die Gegend erinnert verteufelt ans Ruhrgebiet. Hier wurde Englands Luxus-Automobilwerk Rolls Royce gegründet, rauchen die Fabrikschlote noch schwarzen Raucrx ist die Arbeitslosigkeit heute am höchsten.

John Lees und sein Freund Woolly Wolstenholme spielten damals bei den „Blueskeepers“, einer Amateurband, die mehr im Übungsraum saß als mit Auftritten Geld verdiente. Les Holroyd und Mel Pritchard schlugen sich mit „Heart and Soul and The Wickeds“ durch die Clubs der Umgebung. Als 13jährige Schüler hatten sie, von den Beatles beeinflußt, begonnen; ihre Träume reichten bis auf die ersten Plätze der Hitparaden.

„Noch bevor es richtig losgehen konnte, hatten sich beide Gruppen getrennt“, erinnert sich John Lees. Die beiden Bands kannten sich nur flüchtig von einem gemeinsamen Gig; nun, als es bei beiden Formationen zu bröckeln begann, nahm man sich gegenseitig genauer unter die Lupe.

„Eigentlich wollten wir nur John Lees haben“, meint Les Holroyd. „Aber allein wollte er nicht bei uns einsteigen. Entweder darf Woolly als Organist mitkommen – oder ich mache auch nicht mit‘,“ stellte er seine neuen Freunde vor die Wahl. Sie überlegten nicht lange.

Im Frühjahr 1967 bekam die neue Band ihre erste Chance. Sie war für eine Party in Greenfield engagiert, spielte überwiegend Songs von Simon & Garfunkel, den Byrds und Love. „Eigenes Material hatten wir damals praktisch noch nicht.“

Das verhinderte nicht, daß der Geschäftsmann John Crowther auf die Jungs abfuhr. „Er besaß einen Bauernhof in der Nähe von Oldham, mitten im Moor, einer im Grunde trostlosen Landschaft.“

John Crowther bot sich dem Quartett als Manager an. Aber außer reichlich Geld besaß er keine weiteren Fähigkeiten zumindest keine, die Barclay James Harvest auf dem Weg nach oben genutzt hätten. Doch das merkten die Jungs erst später.

„Zunächst einmal waren wir glücklich. Crowther ließ uns in Ruhe auf dem Bauernhof leben und Songs schreiben. So konnten wir das musikalische Konzept erarbeiten. Regelmäßig steckte er uns Geld zu, damit wir nicht verhungerten. Er machte mit Boutiquen und einer Kleiderfabrik gutes Geld.

Am Anfang nutzte uns sein Verhandlungsgeschick durchaus. Er riß einige Gigs auf, reiste für uns rum, machte sogar einen Plattenvertrag klar. Wir brauchten uns um nichts zu kümmern, saßen rum, rauchten uns die Köpfe zu und schrieben Songs.“

1968 erschien die erste Single „Early Morning“. Es war der Beginn eines ersten, fünf Jahre laufenden, Plattenvertrages bei der EMI. „Die waren von uns so begeistert, daß sie gleich ein neues Label nach uns tauften – Harvest“, lacht John Lees. Die Jungs selbst wissen heute nicht mehr, wie sie auf den Gruppennamen kamen. „Unser Symbol wurde der Schmetterling; wir lieben die Natur und das Leben auf dem Lande – möglich, daß uns das letztendlich auf den Namen brachte.“

Die zweite Single „Brother Thrush“ folgte noch im selben Jahr – aber erst 1970 erschien die erste LP.“Zwei Jahre saßen wir eigentlich nur rum. Es war eine verlorene Zeit, in der wir nichts taten, nur von Träumen

lebten“, meint Mel Pritchard heute.

Produziert hatte die Scheibe Norman Smith, der als Tontechniker bei den Beatles im Studio erste Erfahrungen gesammelt hatte. Einflüsse der Beatles und von Procol Harum wurden auf der Scheibe verarbeitet. Es war ein solides Album, aber zu wenig aufregend, um wirklich aufzufallen. Und die Songs hatten einen entscheidenden Fehler sie waren viel zu lang, um häufiger im Rundfunk gespielt zu werden. Es war kein Hit auf der LP.

Die Mischung aus Rock und Klassik kam damals nicht an. Ähnlich wie King Crimson und die Moody Blues benutzten Barclay James Harvest ein Mellotron, eine Art Keyboard, mit dem Instrumente wie Geige oder Flöte imitiert werden konnten. Mit der Entwicklung des Synthis hatte dieses Instrument keine Zukunft mehr, damals aber war es das Größte.

Um das Album zu promoten, gingen Barclay James Harvest in England auf Tournee. Das Projekt war gigantisch – sie traten mit einem 40-Mann-Orchester auf. „Das Ganze kostete ein Vermögen. John Crowther und die Plattenfirma liehen uns das Geld – am Ende waren wir total pleite. Kein Veranstalter wollte das Risiko tragen; zu den Konzerten kamen viel zu wenig Fans, um auch nur halbwegs die Unkosten zu decken. Wir wollten zuviel zu schnell“, erklärt John Lees.

Das Album flopte. Nicht viel besser erging es der zweiten LP ONCE AGAIN. Zwar verkaufte man über 25000 Stück, eine Zahl, die schon so etwas wie ein Silberstreifen am Horizont war, aber Barclay James Harvest schienen mit ihrer Musik völlig danebenzuliegen. Hardrock-Gruppen wie Deep Purple oder Led Zeppelin bestimmten den Sound; auf der anderen Seite waren Glitzer-Stars wie David Bowie oder Marc Bolan erfolgreich. In die Marktlücke zwischen beiden Seiten stießen Queen – für Barclay schien kein Platz mehr. Ihre leisen Melodien gingen total unter. Auch einen Song wie „Mockingbird“ längst ein Klassiker des Barclay-Repertoires und bis vor kurzem bei jedem Live-Auftritt Höhepunkt der Show – wollte damals niemand hören.

Mit ONCE AGAIN aber gelang Barclay James Harvest dann ein nahezu zeitloses Album. Die acht Songs zählen heute noch zu den besten, die die Gruppe je schrieb. Dennoch: Die Kritiker beachteten die Platte kaum – dieses musikalische Terrain war von Pink Floyd voll in Beschlag genommen.

Mel Pritchard heute über die Sache: „Wir nahmen unsere LPs zu schnell auf, ließen uns im Studio nicht genügend Zeit, um an Songs und Sound zu feilen. Das Ergebnis entsprach bei weitem nicht unseren Erwartungen. Aber da der Erfolg sich nicht einstellte, gab man uns auch nicht die notwendige Zeit. Es fehlte von allen Seiten an Unterstützung. Ein Teufelskreis, aus dem man als neue Band nur schwer rauskommt.“

Zum anderen war John Crowther auch nicht der Typ des powernden Managers, der den Jungs den Rücken hätte stärken können. Finanziell ging ihm langsam die Luft aus, außerdem begann er am Erfolg zu zweifeln.

Barclay James Harvest verstanden es auch nicht, den nötigen Wirbel zu veranstalten. Sie lebten weiter in Oldham auf dem Land, standen nicht ständig bei ihrer Plattenfirma in London auf der Matte, beschäftigten keinen Publizisten, der sich um das Image der Gruppe in den Medien kümmerte. Barclay James Harvest fanden einfach nicht statt.

In dieser Situation wechselten sie das Management. Dave Crowe und lan Cassie wurden die neuen Männer, die das führungslose Boot auf richtigen Kurs zu steuern versuchten. Vergeblich. Der ehemalige Sozialreferent und der Chef einer Agentur waren nicht die Typen, die für den notwendigen Fahrtwind sorgten. Barclay traten in Clubs und Colleges auf, schufen sich hier zwar ein treues Publikum – aber es war zu klein, um die immensen Produktionskosten wieder einzuspielen. Immer noch traten sie mit einem Orchester auf, setzten bei jedem Konzert zu. Die vierte LP produzierten sie selbst – es sollte die letzte sein, die auf dem Harvest-Label erschien.

Der Plattenvertrag lief aus, immer neue Krisen mit dem Management und schließlich die finanzielle Pleite übertrugen sich auch auf die Gruppe. „Musikalisch, künstlerisch und wirtschaftlich standen wir vor der totalen Pleite. Wir überlegten, ob es sinnvoll sei, überhaupt noch weiterzumachen“, gesteht John Lees.

Aber die Jungs wollten so schnell nicht aufgeben. 1974 wagten sie einen neuen Anfang. Es war wohl die letzte Chance der Band. David Walker und Lindsay Brown übernahmen das Management – zwei alte Hasen, die auch Sweet nach oben gebracht hatten. „Musikalisch lagen zwar Welten zwischen uns und Sweet, aber wir wollten ja keine künstlerischen Gurus, sondern Leute, die geschäftlich durchblickten, uns auf gesunde Beine stellten“, meint Les Holroyd rückblickend. Und das verstanden Walker und Brown in der Tat.

Nach zwei Jahren Pause erschien 1974 mit EVERYONE IS EVERYBODY ELSE die erste LP bei Polydor; „Child Of The Universe“ ist der Klassiker dieser Platte. Am 30. August 1980 war dieser Song beim legendären Konzert vor dem Berliner Reichstag einer der Höhepunkte; 1982 kam der Titel in der Livefassung gar in die deutschen Charts – Barclay James Harvest lieferten wieder einmal den typischen Fall von Spätzündung.

Die Vier flogen nach Amerika, nahmen dort unter der Regie von Elliot Mazer TIME HONOURED GHOSTS auf. Von Produzent Rodger Bain hatten sie sich getrennt, weil die Zusammenarbeit einfach nicht klappte. „Dreimal hatten wir die Single Child Of The Universe‘ aufnehmen müssen, ewig wurde an der Platte gemischt – am Ende war sie einfach schrecklich. Damit konnten wir keinen Blumentopf gewinnen.“

Mit TIME HONOURED GHOSTS aber erschien 1975 die LP, mit der Barclay James Harvest endgültig ihren Stil fanden. Für viele ist sie heute noch die beste LP der Gruppe, zumindest aber die typischste. Songs wie „In My Life“, „Sweet Jesus“ oder „Jonathan“ verkörpern den Sound der Gruppe total. Genial auch „Titles“, eine Collage aus Beatles-Titeln, die bei Barclay zu einem neuen Song verschmolzen.

1976 veröffentlichten BJH OCTOBERON, gingen mit ihr zum erstenmal auf große Deutschlandtournee und schafften mit der ausgekoppelten Single „Rock’n’Roll Star“ ein knappes Jahr später den Eintritt in die deutschen Rundfunk-Charts.

1977 zeigten sich BJH auch so produktiv wie nie wieder. THE BEST OF BARCLAY JAMES HARVEST wurde von ihrer alten Vertragsfirma veröffentlicht. GONE TO EARTH mit dem Hit-Titel „Hymn“ erschien im September – und John Lees legte mit A MAJOR FANCY sein erstes Solo-Album vor, (u.a. noch einmal mit einer Version seiner Komposition „Child Of The Universe“ – ein Beweis, wie wichtig dieser Titel für John ist. Zudem nahmen BJH im Rahmen ihrer damaligen Europa-Tournee Konzerte auf, die 1978 als Live-Mitschnitt auf dem Doppel-Album LIVE TAPES veröffentlicht wurden.

Am Jahresende 1977 ziehen Barclay Bilanz – allein 150000 LPs wurden von GONE TO EARTH in Deutschland verkauft; im Mai 1979 kassieren sie für diese LP erstmals in Deutschland Gold. Langsam, aber jetzt unaufhaltsam, gleiten sie auf die Sonnenseite des Geschäftes. Sie müssen nicht länger von ihren Träumen leben.

Und 1978 feiern sie während ihrer Deutschland-Tournee vom 21. Oktober bis zum 5. November die ersten großen Triumphe: Die Hallen sind bereits Wochen vor den Konzerten ausverkauft. Aus den Mauerblümchen sind Stars geworden – doch verändert hat sich bei ihnen kaum etwas. Immer noch introvertiert und publikumsscheu, geben sie kaum Interviews. Sie ziehen sich nach den Konzerten in die Hotels zurück, zeigen sich kaum in Clubs, schaffen es immer noch nicht, die wichtige Brücke zu den Medien zu schlagen. Auch in Deutschland gibt es kaum über sie etwas zu lesen. Den Kritikern ist diese Gruppe nach wie vor suspekt und kaum der Beachtung wert.

Zum mittleren Medienspektakel werden Barclay James Harvest eigentlich erst, nachdem Woolly Wolstenholme 1979 erklärt, er wolle die Gruppe verlassen. Plötzlich gilt er als der musikalische Kopf der Band – das Ende der Gruppe scheint besiegelt. Und das alles genau in dem Augenblick, in dem auch die Kasse klingelt.

EYES OF THE UNIVERSE ist die erste Langrille, die Les, Mel und John ohne Woolly aufnehmen; im November 1979 erscheint die LP. Die Skeptiker scheinen recht zu behalten keiner der acht Songs scheint so stark zu sein wie die früheren Titel. Im Sound rockiger, straffer im Arrangement und sparsamer instrumentiert, scheinen BJH den musikalischen Weg in eine Sackgasse gegangen zu sein. Aber die Fans stimmen anders ab. Die Konzerte 1980 sind Wochen vor der Tour ausverkauft, Platin gibt’s für GONE TO EARTH und Gold für EYES OF THE UNIVERSE – ein knappes halbes Jahr nach der Veröffentlichung. Das Erfolgskarussell dreht sich immer schneller. Und am 30. August 1980 kommt es zum gewaltigen Spektakel vor dem Berliner Reichstagsgebäude.

Mit einem Open-air-Konzert wollen sich Barclay bei den deutschen Fans bedanken. Sie treten ohne jede Gage auf: 175000 Fans sind an diesem Tag dabei. Eine Live-LP wird mitgeschnitten, ein Film über das Konzert gedreht.

Als Woolly Wolstenholme im September 1980 seine Solo-LP MAESTOSO veröffentlicht, ist es das letzte Lebenszeichen von ihm – eine ziemlich flaue und erfolglose Scheibe, während seine alten Freunde einen Triumph nach dem anderen feiern. Im April 1981 wird GONE TO EARTH zum drittenmal vergoldet, über 160 Wochen ist die LP in den Charts: für LIVE TAPES gibt’s Gold, ebenso für die gerade veröffentlichte TURN OF THE TIDE, die bereits Gold nur durch die Vorbestellungen erreicht.

1982 gehen Barclay auf ihre bisher größte Deutschland-Tournee: In 40 Konzerte kommen 400000 Fans, allein drei Konzerte geben die Briten in der Münchner Olympiahalle – keine andere Gruppe der Welt hatte das bis dahin geschafft.

Rational begründen läßt sich dieser Erfolg kaum. Die Show ist nicht so spektakulär wie bei Pink Floyd; es gibt keinen Frontmann wie Mick Jagger oder Rod Stewart; weder Les noch Mel noch John wirken – wie ein Bryan Ferry – auf die Weiblichkeit oder – wie ein Limahl – auf die Teenager; musikalisch ziehen die Kritiker die Mundwinkel nach unten. Kaum hört man jemanden sagen: „Die muß man gesehen haben“ – und dennoch gehören BJH zu den Superstars.

Sie sind die Ausnahme im Showgeschäft, das Wunder, für das es immer wieder Platz zu geben scheint. Eher brav und bieder, die netten Jungs von nebenan, wenig aufregend, haben sie es geschafft, ohne jeden Hype nach oben zu kommen.

1983 veröffentlichten sie, in Deutschland aufgenommen, RING OF CHANGES; aber eine Meisterleistung war das gerade nicht. BJH müssen es selbst gefühlt haben – sie verschwanden seitdem nahezu in der Versenkung. Mit VICTIMS OF CIRCUMSTANCE ist ihnen nun ein um so größerer Wurf gelungen, eine LP, die das Zeug hat, die erfolgreichste Scheibe von BJH zu werden.