Beschränkter Dudelwalzenumfang


Jenny Lopez kommt vor in und Jenny aus Pankow muss ein Auge zudrücken bei dieser Kolumne von Josef Winkler.

Wissen Sie noch, wie der Mozart damals … also ich meine: Kennen Sie noch die Geschichte, wie der Mozart damals als Kleinkind angeblich aus seinem Kleinkinderbett gesprungen und die Treppe hinuntergelaufen ist zum Familienflügel, um darauf den abschließenden, die Harmonie auflösenden Ton anzuschlagen, den sein Vater von einem zur Abendruhe gespielten Stück absichtlich weggelassen hatte, um die musikalische Empfindsamkeit seines Wunderkleinkinds zu testen? Der Bub mit seinem sensiblen Ohr hat es einfach nicht ausgehalten und keine Nachtruhe gefunden, solange die Melodie unvollständig, sozusagen mit einer schwärenden Leerstelle im harmonischem Gerüst, in seinem Kopf herumeierte.

Nun kann ich einerseits sagen, dass das vermutlich weniger wunderliche Kleinkind in unserem Haushalt hier aus ganz anderen Gründen nicht schläft und dass ich mehrere Hundert Kreuze schlage, wenn es irgendwann ausreichen sollte, auf dem Heimörgelchen eine Subdominante abzurunden, um es in sanften Schlummer zu schicken.

Andererseits fürchte ich, es läuft eh schon alles aus dem Ruder. Ist schon mal untersucht worden, was solche aufziehbaren Gutenacht-Kuschel-Spieluhren mit ihrer aufgrund beschränkten Dudelwalzenumfangs meist nur fragmentarischen Wiedergabe von Liedern mit dem Musikgehör kleiner Kinder anstellen? Die sozusagen kollateral in Hörweite herumliegenden Eltern jedenfalls werden mitunter wahnsinnig damit. Ein Bär tüdelt „Weißt du, wie viel Sternlein stehen“, aber ohne Wiederholung des ersten Melodieteils und in stumpfer A-B-A-B-Abfolge, bis die verdammte Schnur aus ist. Eine Maus säuselt die ersten anderthalb Zeilen von „Schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein“ in einem steinerweichenden Loop, als sei das Lied nie fertig komponiert worden. Ein Sandmännchen-Puppendings spielt „Guter Mond, du gehst so stille“, aber immer nur den ersten Teil, vergeblich wartet man auf den erlösenden Mittelteil – das Hirn wird pelzig.

Der Effekt ist der gleiche wie bei diesem Hit von Jennifer Lopez, der nun hoffentlich mit dem scheidenden Sommer immer weniger aus Cafés und vorbeifahrenden Autos hupen wird. Wie oft kann man die als Sample isolierte Hookline von „Lambada“ hören – „daaa-da-dadl-da, dadl-dadl-dadl-dadl-daaa-aa“ -, bevor die Sehnsucht nach dem auflösenden zweiten Melodie-Teil so groß wird, dass man entweder die uralte Original- Single (22 Jahre ist das her! Ein veritabler Oldie) herauskramt oder sich den Kas irgendwo runterlädt? Ich bin ja nun nicht der Mozart und schon gar kein Kleinkind (oder eher umgekehrt), aber ich muss das dann immer zumindest im Kopf zu Ende summen, sonst krieg ich einen Vogel – und schon hat man wieder einen halben Tag lang „Lambada“ als Ohrwurm, das muss doch nicht sein.

Abgesehen davon und bevor Jenny aus Pankow wieder einen bösen Brief schreibt: Babys hat man jetzt so. Ha! Ist schick. Findet zum Beispiel auch Beyoncé, die ja so dermaßen zu ihrer Schwangerness steht, dass sie bei ihrem Auftritt bei den MTV-Awards sogar eine Babybauchprothese getragen haben soll. Wobei da wohl auch wichtig war: Sie war ja erst so mittelschwanger, und bevor es am Ende noch heißt: „die Beyoncé hat aber eine Wampe gekriegt“, musste das schon 100% klargestellt sein: schwanger!; notfalls eben mit Prothese unterstrichen. Und auch Germany’s Own Bejonze Sarah Connor ist ja so total schwangerstolz, dass sie von den Plakaten für die Castingshow „X-Factor“ noch mit authentisch geschwelltem Bauch heruntergriente, als das Kind schon auf der Welt war. Bei dem Weg: Was macht eigentlich das Bo da? O tempora … Nun gut.

Ach übrigens: die neue „Band“ Boy. Gag: Das sind zwei Mädchen. Die alte Band Girls – zwei Männer. Of Montreal sind nicht aus Montreal, und bei den Eagles spielt nicht ein einziger Igel mit! Zum Niederlegen. Und da frage noch einer: Does humor belong in music? Ich weiß es nicht mehr.