Blind Date


Sie sind beide die sprichwortlich "alten Hasen". Die 45jährige Grace Slick und der nicht viel jüngere Mickey Thomas — als Kommandanten des reparierten Starships (vormals Jefferson Starship, vormals Jefferson Airplane) zu unerwartet hohem Hitparaden-Lorbeer gekommen —- ließ Thomas Gottschalk für sein "Na sowas" einfliegen. Was wir zum Anlaß nahmen, die Musiker-Legenden mit einem unserer berüchtigten Blind Date-Tapes zu konfrontieren ...

Charlie Sexton: „Beats So Lonely“

Mickey: „Oh ja. Charlie Sexton. Steh‘ ich sehr drauf. Für seine 17 Lenze spielt der wirklich eine schweinische Gitarre…“

Grace: „Meine Tochter flippt jedesmal aus, wenn sie seinen Namen hört!“

Mickey: „Es ist schwer, ein Urteil über ihn abzugeben, wenn du gerade einen Song gehört hast, aber ich hoffe, er läßt sich nicht in die Teenager-Star-Ecke abdrängen. Er hat definitiv mehr drauf!“

Joni Mitchell & Michael McDonald: „Good Friends“

Grace: „Michael McDonald, mach‘ endlich deinen verdammten Mund auf, wenn du singst!“

Mickey: „Der singt, als hätte er mit einer Zahnspange zu kämpfen …“

Grace: „Ich mag Joni Mitchell. Sie hat so eine eigene Art zu singen, es ist mehr ein Erzählen. Wir sind gleich alt und haben beide den Skorpion im Horoskop.“

Mickey: „Lustig ist ja, daß Prince so sehr auf sie steht. Ich war bei mehreren Shows —- und jedesmal ließ er vor dem Gig ein Mitchell-Tape einspielen.“

Grace: „Ich fand’s auch bewundernswert, als sie damals mit ihrem total unkommerziellen Mingus-Album rauskam. Du hättest die langen Gesichter bei ihrer Plattenfirma sehen sollen…“

Cure: „In Between Days“

Grace (lacht): „Ich dachte zuerst, das sei Great Society —- eine Band, bei der ich vor ein paar tausend Jahren mal gesungen habe. Aber dann wurde dieser Song doch deutlich besser. Die Cure haben halt einen fähigeren Gitarristen.“

Mickey: „Na. der Song haut mich nicht gerade um. Es ist eigentlich erstaunlich, daß diese Nummer in den Staaten ein Dance-Hit sein kann. Es klingt so nach Spät-60er-Jahren.“

Kate Bush: „Cloudbustinq“

Mickey: „Nein, Kate Bush mag ich gar nicht. Das ist mir alles zu sauber, zu ‚übergut‘. Ich mag dieses Theatralische nicht. Außerdem klingt die gesamte Platte wie ein besseres Demo!“

Grace: „Also sie hat einen der besten Songs überhaupt geschrieben: ‚Breathing‘! Samt Video. Was ich grundsätzlich nicht ausstehen kann, sind blöde Texte -— und die hat sie noch nie abgeliefert. Es gibt momentan genug ,Baby-Baby-ich-liebe-dich-laß-uns-ficken‘-Texte — und da kann ich nur schnarchen. Aber Kate hat sowieso nichts mit Rock ’n‘ Roll zu tun. Sie ist mehr Operette als sonst was! Ich denke, sie sollte etwas nastier werden, mehr aus sich herausgehen…“

Mickey: „Ich mag auch keine blöden Texte.“ Grace: „Komm, komm, hör dir mal unser letztes Album an! (Singt) „Every night, I rock myself to sleep …‘ Na wenn das kein blöder Text ist…“

Sade: „ls It A Crime“

Mickey: „Also da brauch‘ ich schon die richtige Stimmung für…“

Grace: „Das klingt für mich immer wie ’ne öde Long Island-Party, trotzdem steh‘ ich irgendwie drauf. Sie hat so eine samtige Stimme.“

Mickey: „Ich habe sie bei Johnny Carson oder einer anderen Live-TV-Show gesehen. Und da hat sie schon einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Sie bewegt sich so cool, laid back. Sie ist sehr sexy! Ich denke, sie ist perfekt für die AC-Charts (Adult Contemporary). Da ist in letzter Zeit ein wirklich interessanter, neuer Markt entstanden. Diese ganze Yuppie-Wirtschaft und so.“

John Cougar-Mellencamp: „Small Town“

Mickey: „Wie oft kannst du das Wort ‚Small Town‘ in dreieinhalb Minuten Popsong unterbringen? Zählt mal mit!“

Grace: „Is‘ halt Basis-Rock n‘ Roll …“

Mickey: „Ich finde es ganz okay, wenn Leute wie Cougar dem kleinen Mann ein bißchen mehr Selbstachtung einimpfen!“

Grace: „Ach, Scheiße! Es ist doch wie bei den Russen: Da heften sie dir eine Medaille an die Brust, klopfen dir auf die Schulter und loben dich, welch großartiger Vertreter der working class du bist. Bekommst du deswegen mehr Geld, mehr zu essen, geht’s dir deswegen besser? Fuck it! Ich war noch nie in Rußland, aber ich weiß, daß amerikanische Kleinstädte das ödeste auf der Welt sind. Vergleich sie doch mit den europäischen. In euren Kleinstädten hier habt ihr zehnmal mehr Leben. Interessante Architektur, interessante Leute … in amerikanischen Small Towns hast du immer das Gefühl, du wärst im Sanatorium. Es ist derart monoton…“

Arcadia: The Promise“

Mickey: „Die erste Single ‚Election Day‘ halte ich für das interessanteste Stück Pop seit langem!“

Grace: „Man hat mich ja schon öfter ausgelacht, aber ich halte sehr viel von Duran Duran. Natürlich sehen sie auch gut aus, aber das interessiert mich einen Scheißdreck. Le Bon schreibt einfache Melodien, die es wirklich in sich haben — und seine Texte sind absolut abgehoben. Out ofthis planet!“

Mickey: „Manchmal stört mich sein Gesang. Er sollte besser innerhalb seines Stimmumfangs bleiben und nicht versuchen, höher raufzukommen, als es sein Hals zuläßt.“

Grace: „Er ist fast immer out of tune. Aber letztlich stört das gar nicht. Meine Tochter hat das mal analysiert: Wenn Simon sechsmal eine Refrainzeile wiederholt, liegt die Trefferquote bei maximal zwei!“

Pat Benatar: „Sex As A Weapon“

Grace: ….. sophisticated-thirty-year-old-urban-female-angst!!!“

Mickey: „Ihr Mann, dieser Neil Geraldo, ist ein fabelhafter Produzent. Sie selber mag ich weniger…“

Grace: „Der Text, mein Gott, all das analytische Gelaber, Warum und wieso werde ich gebumst…'“

Mickey: „… man hat jetzt genug Kohle gemacht, man denkt jetzt also über Sex nach …“

Grace: „Sie hat eine Vier-Oktaven-Stimme, opernmäßig trainiert. Mick Jagger macht mich mit seiner Zwei-Oktaven-Stimme mehr an…“