Podcast-Kritik

Wirre Anekdoten der Blond-Schwestern Nina und Lotta Kummer: So finden wir den Podcast „Da muss man dabei gewesen sein“


„Da muss man dabei gewesen sein“ versteht sich als Ratgeber-Podcast, der Geschichten bereit hält, die man in die Stille hinein einfach mal droppen kann. Aber geht das so einfach?

Blond, das sind zwei Schwestern und ihr Kumpel, alle drei aus Chemnitz und seit 2011 gemeinsam auf der Bühne. Wie sie sonst immer von sich selbst sagen, spielen sie eine Mischung aus Indie und „Las Vegas Glamour“. Doch ganz ehrlich: „Wir sind Pop-Schweine!“ Knallhart bringt Lotta Kummer in Folge 15 die Dinge auf den Punkt. An pointierter Selbstreflexion fehlt es den Schwestern im Podcast nicht, dafür vielleicht aber an Struktur. Aber von vorne.

Am 17. März 2020 luden Nina und Lotta Kummer – Schwestern der Kraftklub-Brüdern Felix und Till – die erste Folge ihres eigenen Podcasts „Da muss man dabei gewesen sein“ bei Spotify hoch und erklärten ihren Fans, dass sie ihre Erlebnisse einfach teilen müssten. So entstand die durchaus verquere Idee, in ihrem Podcast Geschichten zu erzählen, die sich jede*r einfach zu eigen machen und in beliebigen Situationen droppen könne.

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Wie das gemeint ist? Stell dir vor, du sitzt im Wartebereich einer Tierarztpraxis und um dich herum nur todkranke Tiere. Es herrscht bedrückende Stille. Jetzt etwas sagen, das könnte die Stimmung retten. Und schon kommt der Podcast mit dem sperrigen Namen „Da muss man dabei gewesen sein“ ins Spiel. So haben sich das die Macher*innen zumindest gedacht.

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„Da muss man dabei gewesen sein“: Alles ist eine wirre Anekdote

Tiergeschichten, darüber wollen sie in Folge 1 reden. Abwechselnd erzählen sie reißerische Storys, wie die vom toten Hund in der Sporttasche oder die vom Tod auferstandenen Kaninchen. Sich gegenseitig ausreden lassen, fällt ihnen dabei nicht gerade leicht. Ständig unterbricht die eine die andere und die Geschichten werden immer wieder halb von vorn erzählt. Am Ende der Folge heißt es: „Entschuldigt, dass es so chaotisch war, aber habt ein Herz“ – diese Worte werden zum Running Gag jeder einzelnen Folge.

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Beim Hören der zweiten Folge setzt sich bei den Geschichten über die Schulzeit der Schwestern das Gefühl im Magen fest, man müsste bei Behörden anrufen und fragen, ob es in der Grundschule immer noch so zuginge. Ratten, die sich wie wild vermehrten und letztlich an die Schulschlange verfüttert wurden, das klingt dann doch arg unglaubwürdig. Realistischer kommt es einem vor, wenn Lotta in Folge 26 über Nina herzieht, die drei Jahre in Folge als LaFee zu Halloween um die Häuser gezogen ist. Von Kostümen zwischen Stereotyp und Sexismus gehen sie in einem Schritt zum ungeplanten Besuch einer Nazikneipe über. Dass Nina und Lotta Themensprünge beherrschen, zieht sich durch den gesamten Podcast.

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Fünf Stunden lang hingen die drei Blond-Freund*innen im Kirschbaum der Eltern und hörten AGGRO BERLIN, das vierte Soloalbum des Rappers Sido, hoch und runter – so beschreibt Nina die Ursprünge der Band Blond in Folge 15. Während den Aufzeichnungen zu Folge 21 wird Lotta und Nina bewusst, dass sie eventuell ganz gut damit laufen, weiterhin Musikerinnen zu bleiben. Nebenbei arbeiten sie hinter der Bar im Chemnitzer Club „Atomino“ und stellen sich dabei nicht immer so geschickt an. Die Schwestern erzählen von verkippten Gläsern und angefrorenen Zungen, sind aber alles in allem eher „im Mood abzukotzen“. Statistisch gesehen, verfallen sie häufig in diese Stimmungslage, wobei spontane Gesangseinlagen die Dinge immer wieder auflockern.

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Fazit

Ab Folge 21 ließen sie sich endlich gegenseitig ausreden und füllten bei Denkpausen die Lücken der jeweils anderen. Die aufgeregten Zwischenrufe wurden leiser und der Podcast schien im Ganzen gereift zu sein. Doch das Intro wirft auch geübte Zuhörer*innen immer wieder aus dem Konzept. Hat man am Ende der vorherigen Folge endlich verstanden, wer wer ist, beginnt der Struggle wieder von vorn. Nina spricht beide Akteurinnen ein und so braucht es wieder seine Zeit, eh man die beiden Schwestern von ihren Stimmfarben her zu unterscheiden vermag.

Mit jeder weiteren Folge, die repetitiv die Idee hinter dem Podcast daher betet, entfernen sich Lotta und Nina davon. Ob Zuhörer*innen mit dem Erzählen der Geschichten soziale Punkte sammeln können und ob das überhaupt so einfach ginge, wird wohl nicht so leicht aufzudröseln sein. Glücklicherweise liegt die Motivation des Podcasts dann schon nicht mehr in den Händen der Schwestern. Für den Inhalt geben sie keine Garantie. Wer statt auf den Punkt gebrachten Geschichten also lieber Anekdoten aus dem Leben der Rockstars, wie sich die Schwestern scherzhalber nennen, hören will, sollte weiterhin jeden Mittwoch einschalten – wenn es von Nina und Lotta Kummer von Blond wieder heißt: „Da muss man dabei gewesen sein“.

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Die neue Folge widmen Nina und Lotta ihrer Heimatstadt Chemnitz, die zur europäischen Kulturhauptstadt gewählt wurde. Am 11. November erscheint die 30. Folge des Podcasts „Da muss man dabei gewesen sein“.