CD-Preise


Zugegeben: Die Preise für die silbernen Scheiben sind deutlich gesunken. Trotzdem Hegen sie noch Immer rund zehn Mark über der Vinyl-LP. Werden die Musikfans ungerechtfertigt zur Kasse gebeten? ME/ Sounds-Mitarbeiter Volker Schnurrbusch setzte sich an die Rechenmaschine.

Die Compact Disc verhilft der Plattenindustrie zu immer neuen Höhenflügen und gleicht damit die mageren Jahre zu Anfang der 80er Jahre aus. In der Statistik des deutschen Phono-Verbandes überflügelte die CD im vergangenen Jahr erstmals die LP in punkto Wertumsatz. 39 Millionen verkaufte Langspiel-Discs kletterten über die Milliarden-Mark-Grenze und ließen die schwarzen Scheiben mit ihren 863 Millionen Mark locker hinter sich, obwohl diese 58 Millionen mal über den Ladentisch gingen. Für 1990 sind 90 bis 100 Millionen Stück angepeilt.

Der Boom kommt nicht von ungefähr. Mit Verkaufspreisen von 30 Mark für Charts-Titel garantieren die CDs größere Gewinnspannen als in der Vinyl-Ära. Doch genau das ärgert den Käufer, der gehofft hatte, daß die Software-Preise ähnlich schnell fallen würden wie bei den Playern.

Die Haltung der Plattenindustrie ist nur zu verständlich: Einmal mit dem neuen profitablen Tonträger gesegnet, will sie solange wie möglich den Rahm abschöpfen – mit Hilfe von unrealistischen Preisen. Bei seiner Einführung 1983 durfte der Rundling mit dem Hi-Tech-Appeal noch den Neuheitsbonus und die Entwicklungskosten ins Feld führen, um Preise von 35 bis 40 Mark zu rechtfertigen. Doch in dem Maß, wie weltweit Kapazitäten in neuen Preßwerken geschaffen wurden, war der Preisverfall nicht aufzuhalten. Aufgrund der wieder knapp gewordenen Kapazitäten erwartet man nun allerdings wieder ein leichtes Anziehen der Herstellungspreise von 2,50 auf drei Mark. Diese Teuerung müßten die Plattenfirmen von ihrer Gewinnspanne abziehen. Und die ist wahrhaftig nicht von Pappe. Nach einer Modellkalkulation darf eine Profitmarge von is zu fünf Mark pro CD unterstellt werden. (Bei einem Verbraucherpreis von 29,75 DM entfallen auf MWSt.: 3,65, Herstellung: 2,50, Lizenzen: 3,50, Gema: 1,80, Vertrieb: 2-, Produktion/Promotion/Marketing: 5,50, Einzelhandel: 6,30, Gewinn: 4,50. Steigt die Auflage einer CD oder handelt es sich um eine Wiederveröffentlichung, so reduzieren sich die fixen Kosten; dadurch wird die Gewinnmarge größer.) Zum Vergleich: Der Schnitt bei einer Normalpreis-LP (18 Mark) liegt zwischen einer und zwei Mark. Die Industrie betont zurecht, die günstigeren Herstellungskosten an den Käufer weitergegeben zu haben. Es kostet heute nur noch eine Mark mehr, eine CD statt einer LP zu pressen. Warum also Ladenpreise mit Unterschieden von zehn Mark? Die Plattenfinnen verschanzen sich in dieser Frage gern hinter den Künstlern. Deren Ansprüche müssen abgegolten, Rechte erworben, Lizenzen gezahlt werden. Tatsache ist aber, daß bis jetzt nur wenige Künstler ihre Verträge ändern (können), um für die CD-Verkäufe neue Anteile auszuhandeln. Und die berüchtigten Gema-Abgaben sind auf CDs gerade mal 50 Pfennig teurer als bei der LP (1,80 statt 1,30). Bleiben also noch die Kosten für Promotion, Werbung und Vertrieb. Dieses Paket stellt – zusammen mit der Aufnahme – den Löwenanteil an den Kosten. Doch dasselbe gilt für die gute alte LP! Selbst, wenn man den höheren Aufwand für das CD-Mastering berücksichtigt, dürfte der CD-Endpreis nicht mehr als fünf Mark über der LP liegen.

Aber vielleicht bewegen wir uns ja schon auf diese glückliche Zeit zu. Tatsächlich sind die Ladenpreise seit der CD-Marktpremiere deutlich gesunken. Trotzdem ist es berechtigt, von

immer noch unrealistischen Endverkaufspreisen zu sprechen, die offensichtlich künstlich hoch gehalten werden. Dafür sprechen drei Indizien: Erstens ist der Abgabepreis an den Handel immer noch enorm hoch. Selbst Riesen wie „Saturn“ wird aktuelle Pop-Ware mit einem Listenpreis von 20 Mark pro CD angeboten. Nach Abzug von Rabatten geht Katalog-Material für 27 bis 30 Mark über den Tresen. Kleine Händler müssen anders kalkulieren: Eine moderate Spanne von 30 Prozent und die Mehrwertsteuer katapultieren jede Scheibe hart an die 30-Mark-Grenze. Das schwarze Loch der geheimnisvollen Preisunterschiede ist also nicht beim Handel zu suchen.

Zweites Indiz: Warum können Midprice-Serien für 15 bis 25 Mark verkauft werden, während aktuelles Material (von Lockvogel-Angeboten abgesehen) mit 30 Mark zu Buche schlägt? Die Antwort ist einfach: Bei altem Material entfallen die Kosten für Aufnahme, Promotion und Werbung. Aber sollten diese Posten wirklich für fünf bis 15 Mark pro Longplayer stehen, also für 20 bis 50 Prozent des Verkaufspreises?

Drittens: Läßt eine kleine Plattenfirma ihr Produkt über die Vertriebskanäle der Großen laufen, sieht der Deal so aus: Kleine Firma hat zehn Mark Kosten pro CD. Große Firma kauft CD für 13 DM. Verkauft für 22 DM an den Handel, der die Scheibe für 30 Mark anbietet. Anhand dieser Zahlen erkennt jeder, wo die Kostenstruktur Löcher Für Gewinne läßt.

Der Verdacht liegt also nahe, daß sich die Plattenindustrie auf Kosten des Musik-Fans ein warmes Fettpolster für kältere Zeiten anfuttert. Verständlich. Sie nutzt die Nachfrage nach ihrem Top-Tonträger aus, indem sie in geschlossener Front einen Preis stützt, der ihr drei bis fünf Mark mehr Profit bringt als die abgehalfterte LP. Legitim. Aber auch unfair. Ein Endverkaufspreis von 25, ja sogar 23 Mark ist realistisch.

Darf der Konsument eine Änderung in der Preispolitik erwarten? Ja, aber eine, die ihn nicht freuen wird: Die Preise für die unrentablen LPs werden erhöht. Dies ist der Vorbote einer wünschenswerten Entwicklung, bei der sich LP und CD preislich näherkommen, die allerdings einen bösen Nebeneffekt hätte: Je billiger die CD, desto schneller wird die LP vom Markt verschwinden.