Charmantes Biest


Diese LP war die anstrengendste Sache, die ich je angelaßt habe , berichtet DAVID LINDLEY über die Produktion seines aktuellen Albums MR. DAVE, das mit relativ qerinqem Budqet für den außeramerikanischen Markt produziert wurde. In seiner Heimat steht der kalifornische Gitarren-Freak momentan nämlich ohne Plattenvertrag da“too much monkey business“, muß Lindley seinem Kollegen Chuck Berry zustimmen: „Alles, was nur irgendwie schiefgehen konnte, ging auch schief.“

Musikalisch sind MR. DAVE jedoch keinerlei Probleme anzumerken, schließlich halfen ihm namhafte Freunde aus der Patsche. So stellte ihm Jackson Browne, für den Lindley lange Zeit in die Saiten gegriffen hatte, kostenlos sein Studio zur Verfügung („dabei wartet die Plattenfirma darauf, daß Jackson endlich seine eigene LP zu Ende bringt!“). In einem Punkt habe die Low-Budget-Produktion ihr Gutes gehabt: „Du weißt erst wirklich, wer deine Freunde sind, wenn du in eine Situation wie ich gerätst.“

Als Co-Produzenten sprangen in letzter Minute Danny Kortchmar und Greg Ladanyi ein, die mit ihren frischen Sound-Kreationen schon auf Don Henleys jüngster LP BUILDING THE PERFECT BEAST bewiesen, daß man auch im Zeitalter des Techno-Pop noch spannenden West-Coast-Rock produzieren kann.

Wenn er auch seinem urigen Reggae ’n‘ Roll größtenteils treugeblieben ist, präsentiert sich Lindley ’85 ganz zeitgemäß mit elektronischen Schlagzeug-Effekten und Synthesizern „aber nur mit ganz billigen, weil mir deren schräger Sound am besten gefällt“, erklärt der Tüftler, der sich auch seine Gitarren gern im Kaufhaus besorgt.

Um sich mit seinen Markenzeichen – grell-geschmacklosen Polyester-Hemden und Pluderhosen – einzudecken, unternimmt er sogar Exkursionen in die Billigläden der kalifornischen Heilsarmee: „Ich habe die Nase voll vom Fashion Rock, bei dem das Aussehen wichtiger als die Musik ist. Obwohl ich in gewisser Weise meine eigene Rock-Mode schaffe: nämlich ,no fashion‘, ,bad fashion‘!“

Die verspielt zusammengewürfelten Klänge auf seinem neuen Album sind vielleicht noch das „Normalste“ an Mr. Dave, der seine wirklich extremen Musik-Ideen nach eigenem Bekunden bisher noch nicht an den Mann gebracht hat. Dazu gehören eine Sammlung von Dub-Versionen seiner Stücke im jamaikanischen Stil („dem neuen Song ,Walk To The Sun‘ haben wir dabei zum Beispiel ein Solo mit in der Pfanne brutzelndem Schinken hinzugefügt“) und eine LP mit den besten Ansagen von seinem Telefon-Anrufbeantworter. Die wechselt Lindley etwa jeden dritten Tag mal ertönt er als Hollywood-Greis James Stewart auf dem Rastafari-Trip, mal als sein eigener Fernseher, der zusammen mit befreundeten Elektrogeräten die Macht über das komplette Lindley-Haus übernommen hat…