Chris Isaak


Wer will nicht dabei gewesen sein, wenn im „Pö“ mal wieder ein Star geboren wurde? Für verwegene Hoffnungen und entsprechenden Andrang hatte die Plattenfirma gesorgt: Kommet zuhauf – es darf entdeckt werden!

Wenn wir uns den guten alten Rock ’n‘ Roll mal als traditionelles Volksgut denken, dann ist die Silvertone-LP von Chris Isaak eine nachträgliche Zusammenfassung zum nostalgischen Roman – und der Live-Auftritt des Kaliforniers der Film zum Buch. Das Drehbuch wohlkalkuliert; die Hauptrolle mit einem Typen wie aus dem Bilderbuch ideal besetzt – fragt sich bloß noch, ob man solche Filme mag.

Chris will ernster genommen werden als überdrehte Rockabilly-Clowns und pathetische Elvis-Imitationen. Der kunstbeflissene Ex-Boxamateur (zum Glück blieben Nase und markantes Kinn heil) „glaubte Elvis jedes Wort“. Er hat präzise Vorstellungen, wie R’n’R klingen muß und nähert sich auch live verblüffend dem Sound der Sun-Label-Sessions. Wichtige Beiträge zur Authentizität liefern die knochentrokkene Rhythmusgruppe und das Gitarrenriff-Substrat im Geiste und Klanggewand eines Duane Eddy.

Wenn auch nicht jeder souverän zusammengeklaute Song die Sogwirkung der düster verhallten Erkennungsmelodie „Dancin“ hat, so ist dies Konzert doch mehr als Revival oder bloß sauberes Handwerk. Der Entertainer Chris scheint von seiner Rolle restlos überzeugt. Treuherzige Anekdoten (nicht ohne ein Augenzwinkern) würzen seine redseligen Ansagen. Wir sollen ihn lieben lernen, ihm auf den Leim kriechen, wenn er schmachtet, außer Rand und Band geraten, wenn Chris zwischendurch das Tempo steigert oder gar zusammen mit seinem wunderbar verhauenen Besen-Watschbatsch-Spezialisten aus Texas die Trommeln schlägt.

Obwohl mir auf Silvertone außer „Dancin“‚ nur das psychedelisch angehauchte „Unhappiness“ wirklich imponiert, wäre ich nach dem ersten Set zufrieden heimwärts gezogen. Aber was macht Christopher Joseph Isaak? Langweilt uns in der Verlängerung mit C&W-Kamellen, covert „Besame Mucho“, daß man geradezu folgern muß, ihm fiele nichts besseres mehr ein.

Der biblische Abraham hätte seinen Sohn Isaak beinahe auf dem Scheiterhaufen verheizt. Vielleicht hat der Herrgott ja ein Einsehen und bewahrt auch den Isaak von der Westcoast vor solch traurigem Ende.