CTM Festival: Das waren die 5 besten Momente
Was gab es auf die Ohren? Die Highlights der 26. Ausgabe des Berliner Festivals im Überblick.
Nach elf langen Tagen und Nächten ist am Sonntag, den 2. Februar, in Berlin das 26. CTM Festival zu Ende gegangen. Wie jedes Jahr gab es an verschiedenen Locations ein weit verzweigtes, eklektisches Programm aus internationalen Artists zu bestaunen.
Das Festival für experimentelle und elektronische Musik und Performancekunst gibt es seit 1999. Es hat weltweit einen guten Ruf unter Musikliebhaber:innen fernab der westlichen Mainstream-Popmusik. Oder wie die Festivalmacher es beschreiben: Das CTM sei ein „Kaleidoskop von Stimmen inmitten unserer chaotischen und sich verändernden Realitäten, die die verwirrende Polyphonie unseres gegenwärtigen Augenblicks widerspiegeln und verstärken.“
Das waren die aufregendsten CTM-Momente 2025
1. Mahnung zum Auftakt: Berlin ist Kultur!
Los ging es am Eröffnungsabend im Silent Green in Wedding mit den Acts Tarta Relena und 33. Nachgehallt hat an diesem Abend aber vor allem die Rede von dem Mitgründer und künstlerischen Leiter Jan Rohlf, in der er auch auf die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Berliner Kulturhaushaltschaos einging. Die Produktion der diesjährigen Ausgabe sei wegen der verzögerten Berliner Haushaltsplanung und die anschließende Haushaltssperre im Herbst ein hartes Stück Arbeit gewesen, weil lange nicht klar gewesen sei, ob das Festival überhaupt stattfinden kann. „Es ist paradox, dass der Kultursenator parallel zur unkoordinierten Haushaltsplanung zu mehr Unternehmertum in der Kultur aufruft – denn genau dafür braucht es Rahmenbedingungen, die Initiative fördern und nicht erschweren“, sagte Rohlf.
Ein bitterer Moment der Mahnung zu Beginn also, der noch einmal ausdrücklich klarmachte, wie bedrohlich die Kürzungen für die Berliner Kulturlandschaft sind. Und auch wenn das Festival aktuell noch nicht direkt betroffen ist, betonte Rohlf die Solidarität mit anderen Betroffenen wie etwa Silent Green, der Veranstaltungsstätte des Abends. Ohne Moos nix los. Und wer bei Kultur kürzt, kürzt bei allen. Ein Berliner Winter ohne CTM, das will man sich lieber nicht vorstellen.
2. Hexenbeschwörung im Technoclub mit Witch Club Satan
Am ersten von drei Nächten im Berghain am Dienstag zeigten die CTM-Macher wieder einmal eindrücklich, wie abenteuerlustig und zeitgeistig Orte und Künstler:innen zusammengedacht werden. Nach einer Performance der mexikanischen Violinistin und Komponistin Gibrana Cervantes, die klassische Musiktradition mit gespenstischen Noise- und Drone-Sound verband, gehörte diese Nacht vor allem einer norwegischen Band mit dem klingenden Namen: Witch Club Satan. Feministischer, satanistischer Black Metal im bekanntesten Technoclub der Welt? Das gibt es wirklich nur beim CTM-Festival. „I want you to scream with me! I want to dance with me! I want to undress with me!“ – mit dieser Ansage startete der Auftritt von Witch Club Satan, die nicht nur höllischen Abgründe heraufbeschwören, sondern auf wunderbar ansteckende Weise die weibliche Wut. Seit der Gründung 2020 erzählen die drei Norwegerinnen die Geschichte des männlich dominierten Black Metal ihrer Heimat neu. Mit Nacktheit und viel Lärm gegen die Verhältnisse, die von mittelalterlichen Hexenverbrennungen bis zum Sexismus der Gegenwart führen.

3. Die rhythmische Symbiose von Nídia & Valentina
Im Radial System gab es am gleichen Abend den Beweis, zu was für aufregende Musik ein überraschendes Zusammentreffen von zwei Künstlerinnen mit ganz eigenem Zugang zu Rhythmus und Perkussion herauskommen kann. Nídia ist DJ und Produzentin, die in ihrer Arbeit die Grenzen ständig verschiebt. Valentina Magaletti ist Schlagzeugerin, Perkussionistin und Komponistin und eine zentrale Figur der zeitgemäßen Explorative Music. Zusammen performten Nídia & Valentina eine symbiotische Klangwelt, in der zwischen synkopierten Drum Pattern, Marimba-Rythmen und ansteckenden Melodien neue Ausdrucksweisen gesucht und gefunden werden. Das hatte eine einzigartige emotionale – und auch ganz körperliche – Wirkung!
4. Geisterstunde mit dem Experimental-Saxofonist Bendik Giske
Der Mittwochabend im Berghain gehörte dem in Berlin lebenden Norweger Bendik Giske. Der Saxophonist, Jazzkomponist und Improvisationsmusiker verschiebt seit Jahren kontinuierlich die Grenzen – seines Instruments, seines Genres und auch die des eigenen Körpers. Bei ihm wird das Saxofon zu einer Art weiteren Körperteil und der Akt des Spielens zu einer faszinierenden Ganzkörper-Performance, die wie ein intimer, nächtlicher Verführungstanz und zugleich geisterhaft entrückt wirkt. Bei Giske wird jeder Atemzug, jedes scharfe Keuchen, jeder Tastenschlag und jedes harmonische Quietschen des Instruments von Mikros abgenommen und Teil der Performance. Beeindruckend ist nicht nur der Sound, der dabei herauskommt, sondern auch die Körperlichkeit, die ganz direkt fühlbar wird. Durch die Technik der Zirkularatmung, die er meisterhaft beherrscht (er spielt das Saxofon sowohl beim Aus- also auch beim Einatmen), bricht die Geisterstunde nie ab. Eine Jazz-Hypnose-Session der besonderen Art.

5. Latinx Invasion mit Rattlesnakke und Deize Tigrona
Durch verwirrend viele Soundschichten wanderte man Donnerstagnacht im Berghain: Über drei Stockwerke, vom unteren Dancefloor in der Säule, über die Haupthalle darüber, bis hoch in die Panorama Bar, und wieder runter. Eine wunderbare Kakophonie, so vielfältig und komplex wie die Welt, in der wir leben. Da gab es experimentelle Hochgeschwindigkeits-Rave-Musik von Murderpact aus Brooklyn, Gabber und Grindcore von Kasimyn aus Jakarta und surreal fragmentierte Rhythmen von Aya aus Manchester.
Vor allem aber gehörte diese Nacht zwei Frauen aus Südamerika: Die argentinische DJ und Performerin Rattlesnakke verband südamerikanischer Clubmusik mit Live-Vocals. Und gleich danach war Deize Tigrona aus Rio de Janeiro der heimliche Headliner der Nacht: Als eine der einflussreichsten Stimmen des Baile Funk (in Brasilien Funk Carioca genannt) hat sie dem Genre zu globaler Aufmerksamkeit verholfen (ihr Song „Injeção“ bildete etwa die Grundlage für M.I.A.s „Bucky Done Gun“). Dass sie, die wie so viele Musiker:innen des globalen Südens hinten den Stars, die sich kreativ bedienen, verschwindet, hier in Berlin eine Bühne bekommt – das ist einer dieser tollen, wichtigen CTM-Momente, für die wir dieses Festival lieben.