Der Mix macht’s: Hits aus dem Hinterzimmer


Was als Spleen amerikanischer DJs begann, hat sich zum derzeit kreativsten Sproß der Popmusik gemausert: Remixer sind nicht mehr die belächelten Fassaden-Feger von einst, sondern machen mit ihren radikalen Bearbeitungen oft mehr Umsatz als die Originale. ME/Sounds suchte nach der Erklärung für das kleine Wunder aus dem Wohnzimmer.

Im April „88 erhält Norman Cook – früher Bassist der Housemartins, mittlerweile Englands emsigster Remixer und Kopf der Hitlieferanten Beats International („Dub Be Good To Me“) – das verlockende Angebot, einen beliebigen Titel aus dem Oldie-Katalog von Polydor mixmäßig aufzumöbeln. Er entscheidet sich für „One Bad Apple“ von den Osmonds, ein vor Kitsch triefendes Machwerk aus den 70er Jahren, und macht sich daran, diesem „Klassiker“ ein zeitgemäßes, tanzbares Gewand zu verpassen. Eine der 500 Testpressungen geht an den amerikanischen Manager der Osmonds, doch der ist alles andere als entzückt, brandmarkt die Platte als Schandfleck auf dem blütenweißen Image seiner Schützlinge und warnt Norman, im Falle einer Veröffentlichung werde er vor Gericht sein letztes Hemd riskieren. Das Album wird zum Kulterfolg in den englischen Clubs und geht unter der Hand für 30 Pfund pro Stück weg. Einige Zeit später spielt ein DJ die Platte live im Radio – Studiogast ist Donny Osmond. Das frühere Pop-Idol mit dem Zahnpasta-Grinsen erklärt, er „liebe“ diese kühne Neuinterpretation seines vergessenen Meisterwerks, habe aber leider von dessen Existenz bisher nichts gewußt.

Mit dem Aufkommen der Maxi-Single sind Remixer zu VIPs der Pop-Welt geworden. Denn heutzutage kann ein Single-Remix die Verweildauer einer Platte in den Charts verlängern. Mindestens ebenso beliebt indes sind Single-Remixes als Geheimwaffe beim Image-Design.

Norman Cook erinnert sich, daß ihm CBS zur ersten PR-Kampagne in Sachen Bros eine Testpressung mit einer Acapella-Version von „I Owe You Nothing“ zuschickte, unter die man schwere Hiphop-Beats gelegt hatte. Fotos der Band waren nicht dabei, da die Firma annahm, eine weiße Band hätte weniger Chancen auf einen Club-Hit.

„Manchmal verschicken sie Platten ohne Namen drauf und erzählen dir, das sei ein ganz großes Tier. Das ist dann meistens jemand mit einem nicht ganz so bekannten Namen, der aber gut ist. Wenn es dagegen unter Pseudonym veröffentlicht wird, kannst du sicher sein, es ist tatsächlich ein großes Tier – bloß ist der Typ nicht gut oder nicht cool genug.“ Manchmal sind solche auf Club-Standards getrimmte Fassungen sogar kommerziell erfolgreicher als das Original. „Die Happy Mondays sind ein erstklassiges Beispiel für Bands, die ohne Remixes keinen Pfifferling wert sind“, sagt Cook. „Kein Mensch mag ihre normalen Sachen, aber das Image der Band ist gut, und wenn man ihre Sachen für die Tanzfläche aufmotzt, stehen alle drauf.“

Eine ähnliche Erfahrung machten Mitte der 70er Jahre einige New Yorker Club-DJs. Sie entdeckten, daß viele der damals populären Disco-Platten für den Geschmack des tanzenden Volkes zu kurz waren. Deshalb sahen sie sich zu schweißtreibendem Hin- und Hermixen zwischen zwei Singles des gleichen Titels genötigt, damit die Spannungskurve auf der Tanzfläche nicht abfiel. Manche spleenigen Tüftler begannen sogar, in Tonband-Heimarbeit längere Versionen herzustellen und diese Eigenprodukte wieder in die Clubs einzuschleusen.

Damit war der 12-Inch-Disco-Remix geboren. Kluge Plattenfirmen heuerten daraufhin so schnell wie möglich einen versierten DJ an, um ihre Titel für die Diskotheken-Kundschaft aufzublasen. Diese Versionen standen zwar auch in den Plattengeschäften zum Verkauf, wurden aber nur selten für die Anlage zuhause angeschafft, da die zusätzlichen Musikminuten meist nicht mehr boten als stumpfsinnige Wiederholung.

Das änderte sich erst, als DJ Shep Pettibone. der sich seitdem unter anderem als Remixer von Madonnas „True Blue“ und den „West End Girls“ der Pet Shop Boys hervorgetan hat, von dieser Flickschuster-Arbeit angeödet war und sich darauf verlegte, mit Mastertapes zu experimentieren.

„Ich war der erste, der Anfang der Achtziger mit dem kreativen Mixen anfing“, erzählt er stolz. „Damals wareu die Mixer nicht gerade erfindungsreich. Es gab keine Dub-Versionen. Niemand mixte neue Sachen dazu, das gehörte sich nicht. Man hantierte einfach mit den Tracks, die schon da waren. Weil mir das zum Hals raushing, fing ich an, neue Basslines, neue Schlagzeug-Patterns, neue Synthie-Muster darüberzulegen – was auch immer. Es mußte bloß wie meine eigene Produktion klingen.

Anfang der 80er Jahre veröffentlichten die meisten erfolgreichen Pop-Bands wie Duran Duran oder Depeche Mode ihre Platten auch im Maxi-Format. Diese Club-Versionen hatten indes häufig nicht mehr viel Ähnlichkeit mit dem Original. Leidtragende waren die Plattenverkäufer, die sich mit verärgerten Kunden herumschlagen mußten – ganze Wagenladungen von Platten wurden mit der Begründung zurückgebracht, im Radio hätte das aber anders geklungen. Im großen und ganzen waren Remixes jedoch sehr populär, und heute machen sie, trotz saftiger Preissteigerungen, mehr als ein Drittel aller verkauften Singles aus. Die Remix-Version wurde fast ebenso zu einem Muß wie das Video.

Selbst fest etablierte Künstler ließen zu, daß andere ihre Aufnahmen in die Mangel nahmen. Arthur Baker, der in den frühen Achtzigern mit Tanzplatten wie Afrika Bambaataas „Planet Rock“ und „IOU“ von Freez Maßstäbe gesetzt hatte, durfte schon bald auch mit den Platten der Mainstream-Schwergewichtler herumspielen.

„Als Bruce Springsteen hörte, was ich mit Cvndi Laupers ,Girls Just Wanna Have Fun‘, einem eher durchschnittlichen Pop-Song, angestellt hatte, wollte er einen Remix von ,Dancing In The Dark‘ haben“, erinnert sich Baker, der damals noch ein bißchen Angst hatte, daß die Sache schiefgehen könnte. „Deshalb nahm ich vor allem melodische Sachen dazu, Glocken, Streicher, Background-Stimmen. Denn auf mich hatte .Dancing In The Dark’immer einen halbfertigen Eindruck gemacht – so als ob es eine Produktion von Phil Spector brauche. Und genau so klingt meine Version auch. “ Arthur Baker erwies sich als besonders einfühlsamer Remixer. „Normalerweise versuche ich, mit Rockstars möglichst sensibel zu arbeiten. Das Ergebnis soll so klingen, daß es auch von ihnen selbst stammen könnte. Springsteens ‚Cover Me‘ fand ich zum Beispiel nicht so gut. Deshalb nahm ich den Baß raus und ließ einen Freund von mir eine Reggae-Bassline darüber spielen. Bruce war begeistert. Er sagte mir, er hätte etwas Ähnliches im Kopf gehabt, als er den Song schrieb. Seitdem spielt er live meine Interpretation.“

Und Springsteens Remixes wurden zu Rennern in den Discotheken von Ibiza. Diese Insel entwickelte sich Ende der 80er Jahre zum Mekka der britischen Club-DJs, die dem Hardcore-Tanzpublikum neben Springsteen-Remixes und Chris-Rea-Hits auch Platten von Coldcut oder S’Express vorsetzten.

Die wirklich kreativen Vertreter der Mixer-Zunft haben heutzutage Narrenfreiheit – sie dürfen alte Tracks in der Abmischung rausschmeißen und neue reinnehmen, das Arrangement eines Songs ändern, Melodien umschreiben und von anderen Sängern singen lassen, und sie können Teile von anderen Platten sampeln: Dabei kommt nicht selten ein völlig anderes Stück heraus, das nur noch sehr entfernt an den ursprünglichen Song erinnert. In „The New York Singing Mix“, einer Neu-Version von „I’m Not Satisfied“ der Fine Young Cannibals, rekonstruierte der De-La-Soul-Produzent Prince Paul das Original dermaßen radikal, daß selbst Roland Gifts Gesang der Schere zum Opfer fiel und durch die Rap-Röhre von Nicole Bowie ersetzt wurde. Und David Bowie ließ von seiner ’90er Version von „Farne“ gleich sieben verschiedene Mixe anfertigen, die nur noch zum Teil Ähnlichkeit mit dem Original aufweisen.

Den Plattenfirmen ist es augenscheinlich egal, was die Mixer tun, solange nur ein Hit dabei herauskommt. „Die sagen meistens nur, Wir wollen einen Dance Mix‘ oder , Wir wollen einen kommerziellen Mix‘ oder etwas ähnlich Simples – und manchmal äußern sie sich sogar noch vager,“ erklärt Norman Cook. „Eine große Firma rief mich neulich an, weil ich etwas mit einem ihrer Titel machen sollte, und die einzige Anweisung lautete: ‚Pfusch einfach ein bißchen damit herum‘.“

Solche Nonchalance können sich die Firmen leisten. Denn ein Remix kostet üblicherweise um die 10.000 DM, und da das durchschnittliche Promo-Budget für eine Single – einschließlich Marketing und Werbung – bei etwa 120.000 DM liegt, lohnt es sich, einen Track verschiedenen Mixern anzubieten, nur um zu sehen, was dabei herauskommt. Der Mixer bekommt die Tapes am Montag, und am Freitag danach versammeln sich die Verantwortlichen, um das Ergebnis zu begutachten.

Wenn es um die Bereitstellung der Mastertapes geht, sind manche Firmen allerdings nicht ganz so fix: Große Labels haben oft Schwierigkeiten, die Originalversionen alter Aufnahmen in ihren Archiven ausfindig zu machen; kleine Firmen vergessen so etwas auch gerne mal ganz. Norman Cook bekam einmal das Master eines italienischen House-Heroen namens Esther B zugeschickt und mußte beim Anhören feststellen, daß sich darauf lediglich die Gesangs-Spur befand. Er besorgte sich eine Platte, nahm die Instrumental-Tracks neu auf und legte die Vocals zum Schluß darüber.

Cooks Kollegen von Coldcut sampelten das Material für „The Payback Mix“, einen Zusammenschnitt alter Hits von James Brown, von seinen alten Singles. Sie waren die ersten englisehen Remixer, die auf diese Weise Platten plünderten und in ihre Remixes einbauten. Als sie „Paid In Full“ von Eric B & Rakim neu mixten, hatten Coldcut keine Mastertapes – nur zwölf Exemplare der LP. Sie machten sich ans Werk, und zum Schluß blieb nur Erics Rap übrig – alles andere flog raus und wurde durch Schnipsel aus anderen Platten ersetzt, von Ofra Haza und so weiter. „Eric B war ziemlich angesäuert, aber er hat’s trotzdem promotet“, grinst Jonathan Moore von Coldcut. „Er muß eine Menge Kohle mit unserem Mix gemacht haben. Wir haben nämlich bloß 100 Pfundßr unseren Job bekommen. Aber dieser Auftrag hat uns den Durchbruch verschafft. „

Trotzdem freut sich jeder Mixer, wenn er die Mastertapes bearbeiten kann. Denn heutzutage findet sich auf den meisten Multitrack-Masters eine Spur mit einem Computer-Zeitcode. Das ermöglicht dem Remixer, diese Spur mit einem Sequenzer zu koppeln und damit neue Parts synchron zu den alten aufzunehmen. Außerdem kommen auf den Mastertapes interessante Überraschungen zum Vorschein, die man aus der Endversion herausgemischt hatte.

Auch Ben Liebrand, ein holländischer Remixer, der unlängst Ram Jams „Black Betty“ mit seiner modernisierten Version zurück in die Charts manövrierte, machte auf einem Mastertape eine überraschende Entdeckung: Bill Withers hatte seinen Klassiker „Ain’t No Sunshine“ live im Studio in einem einzigen Take aufgenommen und dafür nur acht oder neun Spuren des 24-Spur-Masters gebraucht. „Du kannst hören, wie Bill die Band instruiert, und dann spielen sie das Stück in einem Aufwasch durch.

Nach dem ersten Take fangen sie noch mal von vorne an, weil Bill meint, das könne man besser hinkriegen. Aber als sie halb durch sind, ruft er ,Stop! Ich hab‘ einen Frosch im Hals!‘. Die zweite Version wurde also nicht fertig, und deshalb beließ es Withers bei der ersten Aufnahme.“

Liebrands Karriere begann, als Plattenbosse und Produzenten an den Mini-Mixes, die er für eine Radiostation in Holland anfertigte, Gefallen fanden. Einer seiner Remixes, die er in Eigenregie produzierte, war „In The Air Tonight“ von Phil Collins. Das Stück wurde schließlich sogar offiziell veröffentlicht, „Ich schnappte mir eine CD von FACE VALUE und beschloß, einen Mix zu fabrizieren, zu dem die Leute tanzen konnten. Ich gab dem Stück ein neues Format und fügte Drums und andere Sachen hinzu, versuchte aber, das Feeling des Originals zu erhalten.“ Liebrand hatte seinen Mix schon ein Jahr im Kasten, bevor Collins‘ Plattenfirma Virgin schließlich darauf aufmerksam wurde. „Ein Tape landete bei Phil, und er war mit einer Veröffentlichung einverstanden.“

Nicht immer fällt die Reaktion der Stars auf die Neu-Interpretationen ihrer Arbeit so positiv aus. Das Spektrum reicht von heller Begeisterung bis zu blankem Entsetzen. Phil Collins zum Beispiel zeigte sich nicht gerade angetan von der Bearbeitung, die Pete Waterman seiner Produktion des Four-Tops-Hits „Loco In Acapulco“ auf dem BUSTER-Soundtrack hatte angedeihen lassen. Er bestand darauf, daß Arista Records seinen Namen nicht auf der Platte nannte.

Arthur Baker hatte mit einem Remix von Mick Jaggers Stück „Just Another Night“ ähnliche Probleme: „Er sagte: ,Mach damit, was du willst‘ und entschwand zu Video-Aufnahmen. Ich fing also an, legte neue Bläser drauf, neuen Background-Gesang und einiges mehr. Als Mick zurückkehrte, sagte er, er hoffe, ich habe dies und das und jenes nicht getan.“

Das war natürlich genau das, was Baker gemacht hatte. Der war ziemlich sauer, „denn wenn er mir das vorher gesagt hätte, hätte ick mich an seine Vorgabe gehalten. Ich wollte den Titel mehr auf Rhythm & Blues trimmen, weil die Plattenfirma meinte, Mick brauchte einen Dance-Hit. Er hingegen fand, Bläser und schwarze Background-Sänger hätten die Stones schon vor 15 Jahren gehabt.“ Baker versuchte zu retten, was zu retten war: „Ich versuchte ihm klarzumachen, daß solche Elemente halt wieder in Mode kommen, daß man das Ohr am Puls der Zeit haben muß.“ Aber Jagger blieb eisern. Die Platte wurde nie veröffentlicht.

Künstler davon zu überzeugen, die mühevoll erkämpfte kreative Kontrolle über ihre Arbeit aufzugeben, ist keine leichte Aufgabe. Meist wird vorher ein Treffen zwischen der Band und dem Remixer arrangiert – nicht unbedingt eine empfehlenswerte Taktik, meint Nonnan Cook: „Das Übelste ist, wenn man einen Remix mit der Band bespricht und die Musiker dann anfangen zu mäkeln: ‚Laß bloß den Drumbeat in Ruhe, auf den stehen wir.‘ – ,Den Gesang darfst du nur so und so verändern.‘ – ,Können wir mitkommen und zusehen?‘. Das läuft bei mir nicht. Die Musiker haben bei der Remix-Session nichts zu suchen, weil für sie ihre eigene Version sowieso immer die beste ist.“

Für die meisten Künstler ist Remixing sowieso nichts weiter als ein kostspieliger Luxus, den sie nur in Kauf nehmen, weil sich dadurch eventuell ihre Originalversion besser verkauft. Climie Fisher gaben ihre dürftige Ballade „Rise To The Occasion“ in die Obhut von Phil Harding und Ian Curnow, die bereits mehrere Produktionen aus dem Hause Stock, Aitken & Waterman veredelt hatten, und bekamen eine schwungvolle Tanzplatte zurück. Sie wurde zu ihrem ersten Hit, obwohl darauf außer den Vocals kein Ton mehr von der Band stammte. „Wir waren stolz darauf, weil die Essenz des Songs immer noch erhalten war“, verteidigt sich Simon Climie. „Sicher haben die beiden mehr als die Hälfte des ursprünglichen Materials verändert, und das ist, ehrlich gesagt, schon ein ganz schöner Eingriff in die eigene Arbeit. Aber heutzutage ist es doch üblich, Programmierer ins Studio zu holen, die ihre musikalischen Ideen einbringen, aber dennoch nur auf Tagesbasis bezahlt werden.“

Manche Leute halten es indes schon für Betrug, wenn eine Band Aufnahmen promotet, mit denen sie so gut wie gar nichts mehr zu tun hat. „Ich glaube, solche Fragen haben mittlerweile keine Bedeutung mehr“, meint Jonathan Moore von Coldcut.

„Probleme gibt es nur, wenn die Band auf einmal eine Identitätskrise verspürt und meint, sie müsse nun tatsächlich so wie die Mixe klingen.“

Trotz dieses Selbstbewußtseins verursacht den Remixern die mangelnde Anerkennung ihrer musikalischen Beiträge gewisse Bauchschmerzen. Denn das Tantiemen-Füllhorn bleibt ihnen so gut wie immer verschlossen, obwohl sie oft 90 Prozent der Musik neu schreiben und aufnehmen. „Die meisten Plattenfirmen betrachten unsere Arbeit als nachträgliches Produktions-Styling“, erklärt Shep Pettibone. „Oft wird dein Remix ein Hit, aber für die nächste Single engagieren sie trotzdem wieder den alten Produzenten. Als Resultat gibt’s einen neuen Flop, und zum Schluß landet das Tape dann doch wieder bei dir.“

Norman Cook sieht die Angelegenheit etwas gelassener: „Keine musikalischen Credits zu bekommen, gehört eben zu unserem Job. Viel schlimmer Samples von der Diskette: Norman Cook mit seinem Werkzeug finde ich es, wenn dein Name auf dem Cover größer erscheint als der des Künstlers. Denn das bedeutet, daß sie nur dein cooles Image versilbern wollen und am musikalischen Talent, das dahintersteht, nicht interessiert sind.“

Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist der Wechsel ins andere Lager. Wie man als Remixer Karriere macht, hat zum Beispiel Shep Pettibone vorgeführt, der für seine früheren Kunden Madonna und Pet Shop Boys mittlerweile auch als Produzent arbeitet. Und Ben Liebrand besteht darauf, daß seine Platten eigentlich als Cover-Versionen gelten müßten.

Arthur Baker hat kürzlich das Album MERGE veröffentlicht, auf dem unter anderem Al Green und ABC für ihn auftreten; Coldcut können auf eigene Hits mit Lisa Stansfield („People Hold On“) und Yazz („Doctorin The House“) verweisen. Und Cook stand mit Beats International, wie eingangs erwähnt, vor kurzem an der Spitze der internationalen Singles-Charts. Sind das alles bloß typische Fälle verkannter Künstler, die so ihre kreativen Fähigkeiten beweisen wollen?

„Ich wurde sie nicht erkannte Künstler, sondern verkannte Produzenten nennen“, mutmaßt Cook. „Denn eigene Plattenverträge sind für Remixer eher ein Nebenprodukt ihrer Arbeit.“ Aber läßt die Tatsache, daß ein Remix sich manchmal besser verkauft als das Original, nicht vermuten, daß die Band vielleicht gar nicht so wichtig ist?

„Ein Song besteht zunächst einmal immer aus einem Text und aus einer Melodie“, argumentiert Simon Climie, „und Remixer tun nichts anderes, als dieses Basismaterial zu interpretieren. Möglicherweise könnten Plattenfirmen also Studiokosten sparen, wenn sie die Band nur den Gesang, die Gitarre und die Hi-Hat aufnehmen lassen und dieses Tape dann zur Fertigstellung an den Remixer schicken. Norman Cook, Remixer und Musiker, hat das letzte Wort: „Hätte ich Geld, würde ich jede Single, die ich mache, an meine zehn Lieblings-Remixer schicken – nur um zu sehen, was sie damit anstellen. Aber wenn Remixer schon verpfuschte Stücke zu Hits ummodeln müssen – warum feuert die Plattenfirma dann nicht die Band und verpflichtet gleich den Mixer? Das wäre ein wesentlicher Beitrag zur Kostendämpfung im Musikwesen.“