ME-Jahresrückblick

Die 50 besten Alben des Jahres 2022


Trommelwirbel, wir haben gewählt: Das hier sind, ganz offiziell – die 50 besten Alben des Jahres 2022.

Die 50 besten Alben des Jahres 2022

Die Plätze 50 bis 41

50. Kurt Vile – Watch My Moves (Verve/Virgin, VÖ: 15.4.)

Um sich gleich mal mit einem blöden Wortspiel zu verheben: Kurt Vile gehört g’hört, weil: er genau weiß, dass er sich auf seinem neunten Album nicht mehr neu erfinden muss. Er hat seinen relaxten Americana-Folksound gefunden, arbeitet diesen aber bis an die Grenzen aus, sodass ihm das Kunststück gelingt, nie langweilig zu werden. Angesichts von 73 Minuten Spielzeit eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Entstanden sind die Stücke mehrheitlich in Viles Heimstudio OKV Central, das er sich in den diversen Lockdowns der letzten Jahre eingerichtet hatte. (Stephan Rehm Rozanes)

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49. Denzel Curry – Melt My Eyez See Your Future (PH Recordings, VÖ: 25.3.)

Mit 26 Jahren legt der Rapper aus Florida ein Alterswerk vor: Die Storys seiner zahlreichen Alter Egos wie Young Raven Miyagi und Aquarius‘ Killa scheinen auserzählt zu sein. Auf seinem fünften Album widmet sich Curry ganz sich selbst: „Got in touch with my soul / Tradin’ softly on a path down the rockiest road“. Damit das Ganze keine Nabelschau wird, hat er sich zahlreiche Gäste eingeladen – mit Slowthai lässt er auf „Zatoichi“ tollwütige Amen-Breaks von der Leine, was sich anhört, als hätten sich Atari Teenage Riot auf ein Konzert von De La Soul verirrt. (Stephan Rehm Rozanes)

48. Yeah Yeah Yeahs – Cool It Down (Secretly Canadian/Cargo, VÖ: 30.9.)

Mitte der Nullerjahre, als die Yeah Yeah Yeahs superheiß gehandelt wurden, machte die Band einen gefährlichen Eindruck: spannungsgeladen, kantig und verdrahtet. Nachdem ein Album 2013 floppte, pausierten Karen O und Nick Zinner neun Jahre lang, bis COOL IT DOWN erschien. Moment, runterkühlen – was ist aus dem heißen Scheiß geworden? Ganz einfach, er ist älter geworden. Dadurch weniger gefährlich, weil runter, tiefer, überlegter. Was das Album großartig macht, ist sein Sound: Allein die Synthies auf „Wolf“ sind das Geld fürs Vinyl oder fürs Streaming-Monats-Abo wert. (André Boße)

Unsere Review zur gesamten Platte gibt es hier.

47. Charli XCX – Crash (Warner, VÖ: 18.3.)

Das Interessante am florierenden Genre des Hyper-Pop ist, dass der schrill-individuelle Pop-Entwurf der Künstler*innen wie gemacht ist für den gigantischen Erfolg, die Acts mit ihren Tracks aber lieber ein paar Warteschleifen in Clubs einlegen, weil es dort einfacher ist, der Individualität freien Lauf zu lassen. CRASH hat Charli XCX erneut nicht den Durchbruch in die Arena-Klasse beschert, worüber sie sich nicht beschwert, denn sonst hätte sie dieses knallige Dance-Pop-Manifest zwischen 80er-Referenzen und Aussichten auf den Pop der Zukunft anders konzipiert. (André Boße)

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46. The 1975 – Being Funny In A Foreign Language (Dirty Hit/Virgin/Universal, VÖ: 14.10.)

Wie es sich gehört, beginnt auch das fünfte Album der Briten mit einem Song namens „The 1975“, diesmal hat man sich dafür bei „All My Friends“ von LCD Soundsystem bedient, dem „‚Mr. Brightside‘ der Coolen“, wie Frontmann Matty lobt. Ebenfalls in bewährter Bandtradition tänzelt Healy wieder auf dem schmalen Grat zwischen Arroganz und Ambition, zwischen Gelehrtheit und Klugscheißerei – und adressiert das sogar in der hinreißenden Vorabsingle „Part Of The Band“. Ein Novum allerdings: The 1975 reißen sich zusammen und liefern auf 43 Minuten ihr mit Abstand kürzestes Album ab. No Filler. (Stephan Rehm Rozanes)

45. Arcade Fire – WE (Columbia/Sony, VÖ: 6.5.)

Erst kam das Album, dann der Skandal. Wäre es andersherum gewesen, hätte man Arcade Fires sechstes Album WE höchstwahrscheinlich anders eingeordnet, vielleicht sogar gar nicht erst gehört. Doch so wurde WE erst einmal als das betrachtet, was es ist: ziemlich gute Musik. Die kanadische Band fährt auf, was sie kann: Opulenz, allumfassende Synthesizer-Melodien, hymnische Refrains und Gitarrenriffs. Selbst die Titel der Songs sind popkulturelle Mini-Epen, Arcade Fire können eben nicht kleiner, als das „End Of The Empire“ zu besingen. (Emma Wiepking)

Unsere Review zum gesamten Werk gibt es hier.

44. Calexico – El Mirador (City Slang/Rough Trade, VÖ: 8.4.)

Ein Dutzend Alben stehen in der Calexico-Discografie, was sollte da 2022 noch Neues kommen? Nichts. Und doch war der Jubel der vielen Freunde dieser Band groß, als EL MIRADOR erschien: Die beiden zentralen Musiker Joey Burns und John Convertino haben eingesehen, dass es klug ist, ihr Alleinstellungsmerkmal nicht zu verstecken, sondern selbstbewusst zu schärfen. Calexico sind die Meister der Tex-Mex-Americana aus US-Perspektive. Und obwohl Joey Burns gar nicht mehr im Grenzgebiet lebt, schlägt sein Songwriter-Herz weiterhin halb nord-, halb lateinamerikanisch. (André Boße)

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43. Acht Eimer Hühnerherzen – Musik (SKidnap/Cargo, VÖ: 18.3.)

Das dritte Album des aufgekratzten Berlin-Trios stellte dieses Jahr klar, dass es sich bei Acht Eimer Hühnerherzen keinesfalls um eine One-Trick-Gimmickband handelt. Das Dogma der unverzerrten Gitarre mit Nylon-Saiten gilt zwar weiterhin, dennoch sieht sich das Songwriting auf Weitwinkel geschaltet: Die griffigen Miniaturen erhalten mehr Tiefe, die Storys gehen deutlich übers Schmunzeln hinaus. Zu Songs wie „Patientenverfügung“ oder „Requiem“ kann man gleichzeitig lachen, heulen und tanzen. Mit MUSIK hat man also ganz schön was zu tun. (Linus Volkmann)

42. Wanda – Wanda (Vertigo/Universal, VÖ: 30.9.)

Seit jeher lässt sich die Musik der Österreicher auf einen Dreisatz herunterbrechen. Ihre Stücke erzählen von Leben, Liebe und Tod. Dreierlei brachte das Schicksal im September in der erbarmungslosen Wirklichkeit zusammen: Vier Tage vor dem Erscheinen ihrer fünften Platte verstarb Keyboarder Christian Hummer. Das Lied „Va Bene“ verhandelt das Älterwerden mit all seinen Widrigkeiten. Im Refrain, der tiefmelancholisch und dennoch unerschütterlich ertönt, schreit Marco Wanda schließlich – als hätte er gewusst, dass es diesmal um alles geht: „Und es muss trotzdem alles weitergehen“. (Martin Schüler) 

Unsere Review zur gesamten Platte gibt es hier.

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41. Stella Sommer – Silence Wore A Silver Coat (Buback/Indigo, VÖ: 25.11.)

Stella Sommer erzählt, sie würde keine Musik hören. Vielleicht stimmt das sogar. Vielleicht will sie aber auch bloß nicht ständig über den Laurel Canyon oder Joni Mitchell reden, denen sie mit SILENCE WORE A SILVER COAT ein Denkmal gesetzt hat. Sicherlich nicht das erste, das für diese goldene Ära errichtet wurde, aber dafür eines der schönsten – voller berauschender Folk-Harmonien und berückend melancholischer Melodien. Und wenn dabei so wundervolle Lieder wie „In My Darkness“ entstehen, dann darf Stella Sommer gerne nie wieder fremde Musik hören. (Thomas Winkler)