Die Ärzte


Nicht aus dieser, sondern der guten alten Zeit, als der Colt und nicht das Wort Gesetz war, stammen die Ärzte. Während die Wunderheiler von damals abenteuerliche Tinkturen gegen Schnupfen, Blindheit und Mückenstiche feilboten wirkt das Allheilmittel der Ärzte gegen pubertäre Magersucht, Akne oder Liebeskummer und heißt schlicht und einfach: Super-Pop!

Entwickelt und ausgereift wurde dieses ebenso banale wie umwerfende Rezept im Sommer 82 in Berlin, als sich Bela B. Felsenheimer (dr), Hans Runge (b) und Farin Urlaub (g) entschlossen, Popstars zu werden. Orientiert an einer Zeit, zu der sie gerade laufen lernten, entsteht in kurzer Zeit ein Extrakt aus alten deutschen Schlagern, Rock ’n‘ Roll, Beat und dem Power-Pop/Funpunk der Siebziger. Also: ein Hoch auf große, schöne Melodien, innigst-schmachtendem Satzgesang und viele schmerzvolle Gedanken über unglückliche Romanzen.

Arzt sein bedeutet Leidenschaft. Freundlich sein. Aber auch stark sein. Ständig mit dem Tod auf Du und Du. „Grace Kelly, paß auf! In der Kurve lauert der Tod!“, lautet ein erschütterter Aufschrei der Ärzte; und sie intonieren ihre Anteilnahme dermaßen überzeugend, daß im Handumdrehen der neue Szenen-Hit 1983 geboren ist.

Zuvor noch auf dem legendären STIMMUNGS-SAMPLER mit dem harten Kern der Fun-Punks (Tote Hosen, Fr. Suurbier etc.) vereinigt, mausern sie sich im Frühjahr 83 zum heißesten Insidertip seit den Neubauten. Mit ihrer Debüt-E.P. „Zu schön, um wahr zu sein“ blokkieren sie monatelang die Independent-Charts und definieren mit ihren aberwitzigen Live-Auftritten, die mit tränentreibenden Kalauern und Slapstick-Einlagen garniert werden, einen neuen Unterhaltungswert.

Farin: „Unsere Sache ist es, Popmusik so zu spielen, daß die Leute bei unseren Konzerten Kraft schöpfen können…“ „Und außerdem finde ich, es gibt weitaus dümmere Unterhaltung als unsere“ (Bela). Nichts gegen ein gesundes Selbstbewußtsein…

„Selbstbewußtsein? Brauchen wir nicht, wir sind doch gut!“ (Farin) Die Ärzte 1984: „weltweit an jedem Palmenstrand“, das wünschen „sich die drei Teenager so herzlichst für dieses Jahr. Ihre neue Mini-LP „Uns geht’s prima“ und die kommende Europatournee könnten ihnen den Weg ebnen; die neuen, Aufnahmen sind vielseitiger geworden und garantieren außer Pubertätspotenz auch Fernweh nach heißen Stränden, Buffalo Bill und dem unergründlichen All.