Die Drei Von Der Punkstelle


Die Band ist so alt wie unser Jahrzehnt, und ihre Musik noch zwei, drei Jahre älter. Als Hüsker Du 1980 mit brutal lautem Hardcore Punk anfingen, hätte niemand gedacht, daß sie damit mal einen Plattenvertrag bei einer großen Firma kriegen. Haben sie aber, und entgegen anderslautenden Befürchtungen machen sie heute genausoviel Krach wie eh und je. Trommelfell-erschütternder Beweis: das neue Doppelalbum WARE-HOUSE. Hüsker Du lassen sich von niemandem reinreden — weder von der Industrie, noch von den eigenen Fans. Olaf Krämer liebt sie dafür.

Die Songs auf WAREHOUSE sind arrangiert wie Farben auf einem Farbenspeklrum, du kommst von Rot zu Gelb, dann zu Blau und endest schließlich wieder bei Rot; in dem Moment, wo es sich zu drehen beginnt, ergibt alles zusammen einen Sinn“, kommentiert Drummer, Sänger und Songwriter Grant Hart das unlängst erschienene Doppelalbum des Hardpop-Tnos aus Minneapolis.

Ganze sieben Jahre spielt die Band nun zusammen, seit sieben Jahren steht der Name Hüsker Du für eine brennende Lunte, die endlich zum Sone und Soundfeuerwerk von WAREHOUSE führte und der Band den hart erarbeiteten Durchbruch verschaffte.

Nun ist ein Doppelalbum heutzutage mehr ein Relikt aus den verhaßten Siebzigern denn ein zeitgemäßes Ausdrucksmittel — einmal abgesehen von der Tatsache, daß es den meisten Bands schlicht an Substanz mangelt, um diese Konfektionsgröße mit Leben zu füllen. Doch Hüsker Du sind zum einen bekannt für ihr immenses Arbeitstempo, wie für ihr umfangreiches Werk. Und es braucht eben Platz, um die Sicht der Welt aus den Augen Bob Moulds und Grant Harts zusammenzufassen.

So vielschichtig wie ihre Sicht der Dinge sind dann auch Sound und Vision von Hü Du. Die Band begann 1980 als rüdes Hardcore-Punk-Trio mit zwei mittlerweile sehr raren und teuren Singles, bevor sie ’81 mit ihrem ersten Album LAND SPEED RECORDS überregionales Aufsehen erregten. Neben den Maelstrom-Gitarren Bob Moulds und steinharten Songs wie „Data Control“ und „Let’s Go Die“ zeichneten sich bereits hier, inmitten der vermeintlichen Kakaphonie und dem Fabrikhallensound, offensichtliche Songwriterambitionen ab.

Hüsker Du verließen diese Attitüde spätestens mit der ’83 erschienenen „Metal Circus“-EP und ernteten lautstarke Anfeindungen aus dem amerikanischen Punklager, das ihnen Ausverkauf. Verrat und was der aufrechte Stachelkopf noch zu den sieben Todsünden zählt, vorwarf.

Hüsker Du hat dies nie sonderlich beeindruckt: „Dabei hat uns sicherlich geholfen, daß wir alles immer nur fiir uns getan haben. Wenn jemand kam und sagte: ,So werdet ihr’s schon gar nicht schaffen‘, dann haben wir nie gedacht: .Heilige Scheiße, keiner mag uns mehr, wir machen lieber, was das Publikum will:“

Statt dessen gössen sie Öl in das Feuer — Öl, das aus den erlesensten Quellen der abendländischen Popkultur stammt. Sie addierten zu ihren immer noch vorhandenen brachialen Klangmonumenten Harmonien und Melodien, die stark von frühen Beatles und Byrds beeinflußt waren und vergruben sich tief in die Songwriting-Künste beider Bands. Von letzteren coverten sie „84 sogar“.Eight Miles High“, das in ihrer strudelhaften Version allerdings passender „Acht Seemeilen tief“ betitelt wäre.

Hüsker Du haben über ihre musikalische Wandlung nie eine Theorie entwickelt: durch unzählige und begeistert gefeierte Liveauftritte entwickelten sich bei allen Dreien Fähigkeiten, die sie nicht länger zugunsten der fanatischen und limitierten Punk-Klientel unter den Scheffel stellen wollten. Nach einer kurzen Zeit des Boykotts ist diese übrigens wieder in die Arme der Band zurückgekehrt.

„Wenn man unser Publikum im Augenblick betrachtet, dann hat sich nicht viel geändert, es ist wesentlich größer geworden, aber immer noch eines, das nur wegen der Liebe zur Musik kommt, nicht um gesehn zu werden oder herauszufinden, wer den coolsten Haarschnitt hat. „

Hüsker Du machten noch drei meisterliche Alben für das amerikanische SST Punk-Label, bevor sie einen Vertrag bei der Industrie unterschrieben. Mit zwiespältiger Spannung erwartete die mittlerweile auch in Europa stark angewachsene Fangemeinde 1986 ihren WEA-Erstling CANDY APPLE GREY. Um festzustellen, daß sich nicht das Geringste geändert hat.

Trotzdem wird ihnen von einem Häufchen beinharter Gralshüter wieder Verrat vorgeworfen, diesmal an der Independent-Szene. Grant Hart ist es leid: „Es gibt einen Haufen Leute, die sich nie darüber Sorgen machen müssen, ob sie einen Fehler begehen oder nicht, denn sie unternehmen schlichtweg nichts. Sie linden irgendwo ihre Nische und entschließen sich, dort hocken zu bleiben, nie darüber hinaus zu sehen, keine Chance wahrzunehmen und es für cool halten, ewig Underground zu bleiben!“