Die zweite Wahl


Die schlechte Nachricht zuerst. Seit zehn Jahren feiert die Welt nun schon eine Notlösung als essentiellen Kultfilm der Achtziger. Sie heißt „Blade Runner“. Und ist trotzdem über jeden Zweifel erhaben. Paradox? You bet. Als Regisseur Ridley Scott 1982 die erste Fassung seines epochalen SF-Thrillers bei US-Finanziers ablieferte, waren die wenig begeistert. Als zu düster und unkommerziell erachteten sie den Stoff — Scott mußte nachsitzen und umschneiden. Seither hat „Blade Runner die falsche Musik, obsolete Off-Monologe von Harrison Ford und ein Happy End. Trotzdem sensationell, aber kaum in Sinne des Erfinders. Im Herbst nun kommt die ursprünglich von Scott geplante Version endlich in die Kinos. Und bildet zugleich den vorläufigen Höhepunkt einer Welle neuer, zweiter Versionen bekannter Filme. Denn was der Plattenindustrie recht ist, können Filmfritzen schon lange: Remixen, Rumschneiden, Spielchen machen. Der Trend boomt wie noch nie in allen Formaten. Fürs Kino stockte Kevin Costner seinen „Der mit dem Wolf tanzt“ um eine knappe Stunde auf; Luc Besson zog mit „Extended Versions“ von „The Bis Blue“ und „Bettv Blue“ gleich. Auf Video läßt „Aliens“ neuerdings 17 Minuten länger den Atem stocken (mit ,.T2″ hat Regisseur Cameron ähnliches vor). Und wer schon immer mal das unblutige Original-Ende von „Eine verhängnisvolle Affäre“ sehen wollte, wird demnächst ebenfalls im Video-Shop seines Vertrauens bedient. Bislang leider nur in Amerika erscheinen spannende „De Luxe Editionen“ vertrauter Filme auf Laserdiscs, von denen man zusätzlich etwa Alternativ-Sequenzen, Interviews, Kommentare oder Drehbücher ins TV-Bild einspeisen kann. Das Angebot reicht von „Taxi Driver“ bis „Boyz ‚N The Hood“ — ein Fest für Fans. Doch warum nicht gleich die ganze Portion? Nun. Filmemacher sind an Längenlimits oder Zensurgrenzen gebunden, wenn sie ihre Arbeiten frisch ins Kino bringen. Ist ein Film dann erst mal Schnee von gestern, kann munter drauflos korrigiert, ergänzt und rumgemischt werden. Etwas geschicktes Marketing und die Wiederverarbeitung läuft. Ein Haken nur: Wenn sich in naher Zukunft zwei Leute über einen Film unterhalten, werden sie nicht immer die gleiche Variante gesehen haben.