Ein Geschichtenerzähler öffnet die Augen


Es ist schon ein Weilchen her, dass Philip Boa auf einer Musikexpress-Doppelseite abgebildet wurde. Und dann… sieht man noch nicht mal sein Gesicht, mag man denken, aber das ist bei dem Mann, um den es hier eigentlich geht, durchaus Methode: „Landschaftliche und emotionale Kargheit“ habe er vereinen wollen, sagt Fotograf Olaf Heine (links) über das Bild von Phillip Boa, das er 2007 auf Teneriffa für das jüngste Album faking to blend in des „sehr getriebenen und manischen Künstlers“ schoss. Es ist typisch für Heine, der seit 1993 immer wieder auch für den me arbeitet und mittlerweile zu einem international gefragten Fotokünstler avanciert ist, dass sich das, was man sehen soll, nicht immer über ein Antlitz vermittelt, sondern auch über Komposition, Farben, Hintergründe und scheinbare Nebensächlichkeiten – nicht umsonst versteht sich der 40-Jährige, der auch Musikvideos u. a. für Die Toten Hosen und Die Ärzte drehte, als „Geschichtenerzähler“. Nach 17 Jahren hinter der Linse hat Olaf Heine nun endlich Gelegenheit gefunden, einen Überblick über sein fotografisches Schaffen zwischen Buchdeckeln zu präsentieren: In „Leaving The Comfort Zone“ sind nicht nur Musiker wie Nick Cave, Iggy Pop, Chris Martin und Snoop Dogg zu sehen, sondern auch andere Zelebritäten wie etwa Brett Easton Ellis, James Woods und Franka Potente – und stets sind sie nicht nur zu sehen, sondern zu erleben, in den Geschichten, die Olaf Heine erzählt. »>buchkritik me 11/08

Klingt paradox: Laut einer Studie der britischen Verwertungsgesellschaft MCPS-PRS luden sich 2,3 Millionen Menschen in den ersten drei Wochen nach Erscheinen das aktuelle Radiohead-Album in rainbows kostenlos aus dem Internet – aber nicht etwa von der bandeigenen Seite, sondern von illegalen Tauschbörsen. Manche Kommentatoren sehen darin ein weiteres Anzeichen für das unaufhaltsame Ende der Musikindustrie, andere nur einen Beleg für Vertrauensverlust: Offenbar ist die Angst vor Kopierschutz, Spyware und anderem Firlefanz ein Grund für das Meiden offizieller Download-Seiten.

Eine weitere Studie ergab, dass die britische Musikindustrie theoretisch auf ein fast unbegrenztes Talentreservoir zurückgreifen könnte: 20 Prozent der Befragten bezeichneten sich als frustrierte Musiker, die bei einem Angebot sofort ihren Job kündigen und auf die Bühne klettern würden.

Apropos gratis:Dem Vorbild von Prince u.a. folgend, legen Lambchop ihr neues Album einer Druckschrift bei – der nächsten Ausgabe des deutschen „Rolling Stone“. In den Handel kommt die Platte aber trotzdem.

Das werden in naher bzw. weniger naher Zukunft auch neue Alben von: Asian Dub Foundation (punkara, mit einer Coverversion von „No Fun“, die Iggy Pop selbst singt, und einem Song mit Eugene Hutz von Gogol Bordello), Jet (noch ohne Titel und VÖ), Snow Patrol (a hundred Million suns, 27.10., Produzent Jacknife Lee), The Dears (missiles, 20.10.; Keyboarderin Natalia Yanchak: „Journalisten werden es nicht mögen, echte Menschen schon, wie Morrisseys nächste Platte!“‚), Secret Machines (14. Oktober, ohne Titel) und Manie Street Preachers (seit Ende September im Studio).

Schon 2009 wollen Coldplay angeblich ein neues Album veröffentlichen, weil die Sessions mit Brian Eno so ergiebig gewesen seien. Unter anderem soll dabei ein Duett mit Kylie Minogue entstanden sein. Wie verlässlich die Ankündigung ist, lässt ein Blick in alte ME-Hefte ahnen: Nach x&y (2005) hatte die Band die gleiche Meldung lanciert. Es dauerte dann doch zwei Jahre länger.

Schon sieben Jahre dauert das Warten auf ein zweites Album der Avalanches. Jetzt gibt es Andeutungen, die australischen Meistersampler, die schon beim Debüt monatelang auf die Freigabe diverser Schnipsel von anderen Künstlern warteten, könnten bald fertig sein. Auf andere Weise fertig sind Be Your Own Pet, die sich nach dem Ende ihrer UK-Tournee Anfang August überraschend auflösten. Ähnliches droht Wolfmother, bei denen sich Frontmann Andrew Stockdale nach dem Ausstieg von Chris Ross und Myles Heskett nach einer neuen Rhythmugruppe umschauen muss.

Ebenfalls Ärger bei den Arctic Monkeys: Gitarrist Jamie Cook weigert sich beharrlich, dem Wunsch seiner Bandkollegen entsprechend nach London zu ziehen, weil seine Freundin, Topmodel Katie Downes, in Liverpool eine Wohnung hat und nicht weg mag.

Weg, und zwar spurlos, war am Morgen nach einem Auftritt in Montreal Anfang August der Equipment-Laster der Stooges mit Gitarren, Bässen, Schlagzeugteilen, Verstärkern und Boxen, einiges davon „unbezahlbar und unersetzlich“. Der Wagen wurde inzwischen gefunden – leider leer. Die Band tourt derweil mit geliehenem Equipment.

Einen Verlust beklagt auch The-Enemy-Frontmann Tom Clarke: den seiner Daumenspitze, die er sich beim ersten US-Auftritt seiner Band (beim Lollapalooza in Chicago) an den Saiten seiner Gitarre absäbelte. Der gemeinsame Gig mit den Stooges in Montreal wurde daher abgesagt, weitere jedoch nicht: „Mir egal, ob mein Finger Blut pisst“, sagte Clarke, „das ist Berufsrisiko.“

„Wie der Traum eines sterbenden Adlers“

soll das zweite Album der Foals klingen, für das derzeit die ersten Songs entstehen. Nicht mehr dabei sein wird antidotes-Koproduzent Dave Sitek (TV On The Radio), dem die Band schon die Aufsicht über das Debüt am Ende entzogen hatte: „In unseren Ohren klingt die Platte fehlerhaft und falsch. Wir wollen was Anderes, viel Satteres machen.“

Was Anderes hat derweil Siteks Sänger Tunde Adebimpe zu tun: Er spielt eine Hauptrolle in „Rachel Getting Married“, dem neuen Film von Jonathan Demme. Seine Partnerin (die er im Film heiratet) ist Anne Hathaway. Einen nicht ganz neuen Film plant Quentin Tarantino: ein Remake des Russ-Meyer-Klassikers „Faster, Pussycat! Kill! Kill!“. Für die Hauptrolle hat er Britney Spears angeheuert. Deren neues Album sollte Gerüchten zufolge Kanye West produzieren. Tut er aber nicht, weil er zu viel Anderes zu tun hat, zum Beispiel Jay-Z produzieren und in Chicago eine Fastfood-Kette mit dem vielsagenden Namen „Fatburger“ eröffnen.

Missverständnis im August-ME: J. Mascis (Seite 60) meinte mit „Action“ nichts zum „Aufdrehen“, sondern seine Saitenlage, die extrem hoch eingestellt ist.

Und da der Festivalsommer unweigerlich vorbei ist, sei auf eine Verlängerung hingewiesen: die Popkomm von 8. bis 10.10. in Berlin – zwar kein Openair, aber das war 2008 ja auch oft genug ein Schlag ins Wasser.

Das Letzte aus der Redaktion Thom oder Tom?

Kollege Lindemann hat was aufYou-Tube gesehen:einen Clip mit Thom Yorke in einer BBC-Quizshow (sehr empfehlenswert; einfach eingeben: Thom Yorke Big FatQuiz), und man KÖNNTE meinen, dass der Moderator nicht „TOM“ sagt, wie man es gelernt hat, sondern „THom“, mit „th“ wie „the“. Ob wir sicher seien, dass der nicht tatsächlich „THom“ heiße? Nun, Winkler ist seit 15 Jahren großer Radioheadfreund, war mal bei einem Interview mit Yorke, und da habe niemand „THom“, sondern alle nur „Tom“ gesagt, das „THom“ wäre ihm aufgefallen. Jetzt ist Lindemann auf der Suche nach anderen Clips, in denen Yorke namentlich angekündigt wird. Könnte man nicht einfach davon ausgehen, dass das halt ein fehlgeleiteter Mensch ist, der das „TH“ in seinen Bart gemurmelt hat? Nein, Lindemann ist da insofern vorsichtig, weil der Sender, bei dem er manchmal mit nightflyesker Stimme moderiert, mal extra die Band Bachman Turner Overdrive kontaktiert hat, um rauszufinden, ob man „Bachman“ wirklich „BACKman“ ausspricht, wie Lindemann es on air tat. Und die antworteten: Ja. Es ist übrigens mittlerweile raus: Jools Holland kündigt Yorke in „Later“ als „TOM Yorke“ an. Sie wussten das schon lange? Dann kaufen Sie sich doch einen Blumentopf davon, empfiehlt: der Flurfunker.