Volksfreund Nummer Eins


Bitte recht unfeindlich: Die Widrigkeit einer Konzertabsage münzen die UK-Rock-Emporkömmlinge des Jahres 2007 The Enemy zu einer sympathischen Demonstration herzenswarmer Fan-Freundlickeit um.

Bei The Enemy ging aLles etwas schneller als bei anderen Bands. Im Frühjahr 2006 standen die drei Freunde aus Coventry – Gitarrist/Sänger/Violinist Tom Clarke, gelernter Fernsehfachverkäufer, sowie Liam Watts (Drums) und Andy Hopkins (Bass) – zum ersten Mal als Band im Proberaum. Ein Jahr später spielten sie bereits im Vorprogramm der Rolling Stones und auf den größten Bühnen Großbritanniens. Ihre dritte Single „Had Enough“ war 2007im UK. zum Schlachtruf der Jugend geworden, das Debütalbum WE’LL LIVE AND DIE IN THESE TOWNS kassierte Platin. Über das Klischee mit dem „schwierigen zweiten Album“ können die blutjungen drei nur lachen. MUSIC FOR PF.OPI.E heißt, betont volksnah, das zweite Album.

Es soll eine Blitzkarriere konsolidieren, wie sie im heutigen Musikgeschäft mit seinen auf Jahre geplanten Vermarktungsstrategien unmöglich geworden schien. Mit einer kleinen Tour – Tickets gab’s gratis via Fanclub —durch Kleinclubs in der Provinz wollen sich The Enemy dieses Frühjahr für die kommende Groß-Tournee einspielen. Das „Forum“ in Tunbridge Wells ca. 50 km südöstlich von London ist ein baufälliger Pavillon am Rand eines Parkes. Davor lungert die Dorfjugend und foppt Polizisten. Als wir um kurz nach sechs eintreffen, sind die Roadies gerade am Abräumen der Anlage. Was ist los? Der Gig ist abgesagt. Der Grundist rockstarmäßiggenug: Tom Clarke hat am Vormittag sein neues Motorrad ausprobiert und leidet nach einem zugigen 400-Meilen-Ritt an einer „Repetitive Strain Injury“ im Unterarm. An einen Auftritt sei nicht zu denken, heißt es. „Ich hasse es, Gigs abzusagen!“, windet sich Clarke. „Es ist für uns das erste Mal überhaupt!“ Jetzt könnte man sich als Band in die Hotelbar zurückziehen und die Spinal-Tap-Anekdoten auspacken – nicht so The Enemy mit ihrer Volksverbundenheit. Zwei Stunden lang hocken sie im Hotel und rufen persönlich jeden Einzelnen der knapp 50 Fans an, die Tickets ergattert haben: Man werde leider nicht spielen können, aber die Party steige trotzdem! Wenig später ist „The Forum“ voll. Gitarrentechniker Ollie King ist als iPod-DJ eingesprungen und sorgt mit Northern Soul, Two-Tone und Punk für grandiose Stimmung. Tom, Liam und Andy mischen sich unters Publikum, grinsen in jede hingehaltene Handy-Knipse und unterhalten sich und ihre Fans blendend. „Das ist das Mindeste, was wir tun konnten“, meint Clarke, als wir ihn kurz an die frische Luft locken können. Die Storys über die Anfänge von The Enemy, die man so hört, seien alle wahr, beteuert Clarke: „Ein Kumpel von mir, Dave, meinte damals, wirbrächten nie im Leben eine Band auf die Beine. Ich bin ein Typ, der so eine Ansage als Herausforderung begreift. Also mieteten wir einen Übungsraum — für abends, damit wir wenigstens einmal die Woche nicht im Pub hockten. Das war eine Investition. Der Raum kostete acht Pfund die Stunde, wir verdienten alle bloß sechs.“ Bei der ersten Probe hatte Andy zum ersten Mal einen Bass umhängen. Trotzdem entstanden zwei Songs: die erste Single „40 Days and 40 Nights“ und „Technodanceaphohie“. Nach zwei Wochen stand der erste Gig, nach drei Monaten der erste Plattenvertrag. „Druck? Ach wo! Wir haben fürs zweite Album bloß deshalb länger gebraucht, weil wir mit Tape aufnehmen wollten, nicht digital.“

Als die Beleuchtung im „Forum“ das Ende der rauschenden Fete anzeigt, steht das halbe Publikum auf der Bühne. Es war ein Abend, den keiner von ihnen so schnell vergessen wird. Und so werden Reputationen geschaffen, die mit dem gewaltigsten Werbe-Budget des mächtigsten Platten-Multis nicht zu kaufen wären.

Albumkritik S. 73

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