Element of Crime


Mit Poesie und Musik spielt sich die Berliner Band Element Of Crime in die Herzen der Nation

Hitlisten sind kein Ort für Herzlichkeit und Hinterhofgefühle. Wenn sich zwischen Kunststoff und Kommerz von schräg unten ein bißchen Leben in die harte Welt der Zahlen einschleicht, ist es an der Zeit, die dritte Flasche Rotwein zu entkorken. Und mit jedem Schluck zergeht dann das wundersame Gefühl auf der Zunge, daß diese Welt noch normal sein kann.

So geschehen anno 1992, als Element Of Crime mit „Weißes Papier“ ihren ersten großen Verkaufserfolg feierten. „Weißes Papier“ war der zweite Teil eines entscheidenden Schritts: seit 1985 operierte die Berliner Band im Halbdunkel verpönter Melancholie. Handgemachte Musik versetzt mit Akkordeon, Streichern und traurigen Trompeten schien zu schwer für die saubere Welt des schönen Scheins. Damals sang die Band in Englisch. Doch wer in den späten Achtzigern mit dem Markt liebäugelte, verkaufte lieber kühl kalkulierte Synthesizer-Klänge. „Lange Zeit mußten Platten ja nicht mehr gut sein, sondern gut produziert. Oder wenigstens experimentell — wer C-Dur spielte war der Anti-Christ.“

Element Of Crime wollten sich in keine Richtung fügen. Ihr Weg nach vorne im neuen Jahrzehnt schien für Vertreter des Normalen ein weiterer absurder Scherz. „Damals hinterm Mond“, die bereits fünfte Studio-LP der Band, wurde in deutsch besungen. Ein Jahr später tat sich mit „Weisses Papier“ eine Lücke auf im Herzen der Käufer.

Zwischen Herz-Schmerz-Platitüden und dem Minderheiten-Programm des Feuilletons, zwischen Westernhagen und den Einstürzenden Neubauten war Platz für Element Of Crime. „Die Deutschsprachigkeit war kein Experiment. Es war klar, daß es danach kein zurück mehr gibt.“ Die Geschichte der Band ist so wenig spekulativ wie Sven Regeners Poesie. Die trifft ohne Pathos ganz privat ins Nervenzentrum eines jeden, der in seinem Raster noch ein wenig Platz für Schnörkel und Schwächen läßt.

In einem Kreuzberger Hinterhof im zweiten Stock spielt ein Akkordeon Tango. Dort, im Tritonus-Studio nahmen Element Of Crime ihre neue Platte auf, und nur weil sie es sind, darf sie „An einem Sonntag im April“ heißen. Auch wenn draußen bei minus zehn Grad alle Gefühle klirren. Das Leben ist ein Wechselbad, Element Of Crime interpretieren Temperaturschwankungen wie sonst niemand. „Schwer verwirrt am Morgen / und abends auch nicht klug“ — das kommt einem bekannt vor, weil doch jeder dieselbe Frage hat: „Wie lebt man sein Leben? Das ist das alte Element-Thema.“ meint Regener trocken und will so pragmatisch gar nicht zu den schlicht-schönen Liebesliedern passen, die ein weiteres Wunderwerk aus dem Hause Element zieren. Der große Poet will er auch nicht sein. „Wenn ich meine Texte lesen würde, konnte ich nicht mal einen halben Büchereisaal füllen. Wirklich mächtig werden sie nur durch die Musik.“ Die Kombination stimmt. Erfolg war nie ihr Programm und paßt letztendlich doch in das Weltbild von Element Of Crime. Denn irgendwo hinter Berliner Mauern hält sich ein Traum versteckt: „Ich mag es, wenn das Gute siegt.“