Elephant – The White Stripes


Wer von Christina Aguilera bei den MTV Europe Awards angesagt, wer von der Rawk-Supergroup Audioslave gecovert wird, wer Kate Moss durch sein Video go-go’n tässt, der muss es geschafft haben, elephant veredelt, verfeinert, elaboriert die Errungenschaften der ersten drei White-Stripes-Alben, ohne dass die Puristen gteich „Verrat!“ schreien müssen. Hier lodern die Flammen der Leidenschaft noch hoch genug, hier werden (Rhythm’n) Blues, Post-Post-Punk und Indie-Rock auf einem hübschen Paranoia-Level gehalten. Hier hat es all die hübschen Zutaten, aus denen eine hübsche, kleine Rock’n’Roll-Platte zusammengerührt ist. Ohne die üblichen Klischees, aber mit ein paar sympathischen altmodischen Spinnereien, elephant wurde in zwei Wochen in den Toerag Studios in Hackney, London, England, aufgenommen, mit Equipment, das keinen Tag jünger war als 1963. Die Vorabkopien des Albums, die Anfang des Jahres weltweit an Journalisten verschickt wurden, kamen als Doppel-Vinyle. Letzteres stellte vielleicht Kollegen vor Probleme, die ihren Plattenspieler bereits entsorgt hatten, ersteres dagegen war nicht ganz unentscheidend für die Soundästhetik des Albums, elephant verströmt die Wärme eines holzvertäfelten Salons, es klingt wie ein frühes Album von Led Zeppelin. Weil nämlich: analog ist besser.

Schon in den ersten paar Minuten hatten The White Stripes das Rennen für sich entschieden. „Seven Nation Army“ mit seinem Bassriff, das ein Gitarrenriff ist, musste nach drei Minuten und 50 Sekunden gleich in der Abteilung Rock-Klassiker abgelegt werden – was später im Jahr von Metallica noch amtlich bestätigt wurde, als die bei den „richtigen“ MTV Awards im August dieses Riff in ihr Medley mit den größten Gitarren-Riffs der Rockgeschichte einbauten.

elephant ist großer Zitat-Rock. Aber die Zitate schwimmen nicht an der Oberfläche , sie sind ganz tief verwoben im Selbstverständnis der Band. Wenn Queen-Choräle sich einschieben, wenn der Blues-Rock Ivon Captain Beefhe3rt, über Led Zeppelin bis zu Jon Spencerl aus jeder Pore tropft, wenn Meg White zur Brenda Lee wird „ln The Cold, Cold Night“], wenn die Whites zusammen mit Holly Golightly im Urban-Folk-Mantel Beziehungsprobleme erörtern „Well It’s True That We Love One Another“), ist das nicht die schicke, lustige Retro-Nummer, sondern Ausdruck eines tiefen Respekts vor der musikalischen Vergangenheit.

Die Geschichte mit den MTV Europe Awards, die Würdigung der White Stripes durch Monsters Of Rock wie Audioslave und Metallica, die Verbindung mit Supermodel Kate Moss, die halbnackt durch das Video von „I Just Don’t Know What To Do With Myself“ turnt, macht das alte Dilemma deutlich: Wie mainstream, wie glamourös darf eine Indie-Band sein? Jack und Meg White gehen spielerisch mit ihrem Erfolg um, sie instrumentalisieren die Ikonen des Mainstream-Pop für ihre Zwecke und machen sie dadurch indie. Aber genau genommen unterfüttert elephant die alte These, den alten Verdacht, der für alle Rocker legal ob Schweine-, Indie- oder Mainstream-) gilt: Jeder sehnt sich im Grunde seines Herzens nach dem Pop. elephant ist eine großartige Rock-Platte und deshalb eine großartige Pop-Platte. Und Meg White kann immer noch nicht Schlagzeug spielen.