Erste Eindrücke einer Rückkehr


Vor fast einem halben Jahrzehnt haben sie den Rock gerettet, sich zuletzt aber arg rar gemacht. Mit ihrem neuen Album melden sich The Strokes nun zurück in einer völlig veränderten Szene

Als im Jahr 2001 zaghaft der Sommer begann und die Tage sich endlos streckten, schickte man uns zu viert nach Amsterdam. Einer der Musikschreiber schloß sich wenig später einer zweifelhaften politischen Splittergruppe an, verkaufte seine Plattensammlung und hörte fortan nur noch Brahms und Beethoven. Ein Zweiter pfiff freiwillig auf sämtliche O-Töne der Band und schrieb eine größtenteils fiktive Titelgeschichte für ein anderes Magazin. Die Dritte hatte Schwimmsachen mitgebracht und interessierte sich hauptsächlich für die Öffnungszeiten des Hotel-Swimming-Pools. Als sie einem völlig bedröhnten Julian Casablancas arglos die Frage „Ihr klingt ja schon ein bißchen so wie Oasis.

oder?“stellte, behielt dieser zu Recht ihr Diktiergerät ein und rückte es auch später nicht mehr heraus. Um den kleinen Tisch im Freien schlich Adam Green im Robin-Hood-Kostüm herum, es wurde mit Essen und Mobiltelefonen geworfen, man blies sich Zigarettenrauch in die angeschlagenen Gesichter und wollte nie mehr zurück nach Hause. Am nächsten Tag in Rotterdam lagen sich zwei von uns in den Armen, während die Strokes vor gut 30 teils ostentativ gelangweilten, teils immerhin mit den Köpfen wippenden Zuschauern glutäugig ihre unfaßbaren Songs spielten und tranken und grinsten und wieder verschwanden. Hinterher saßen wir auf dem Rasen und flüsterten uns ganz unpathetisch zu: Das ist es! Das kommt nicht mehr wieder. Nicht in den nächsten fünf oder sechs Jahren. Zwei Monate später erscheint IS TH IS IT und alles, alles ändert sich: Die Strokes sind die größte Band der Welt.

Im Oktober 2005 entsendet man zwei Deutsche nach New York City, wo es 48 Stunden schwül ist und 48 Stunden in Strömen regnet. Statt eines Regenschirms kaufen wir verschimmelten Camembert, abgestandenen Wein und essen immer nur Fast Food. Man bittet uns in den 6. Stock eines Gebäudes in der Fifth Avenue, wo die RC A Music Group auf einer einzigen Kopie des dritten Strokes-Albums FIRST IMpressions OF earth sitzt, genauer gesagt aufbloß 8 von 14 Stücken, die man uns anzuhören gewährt. Nun darf man sich schon leise fragen: Für gut die Hälfte der neuen Lieder schickt man uns hierher? Das ist aber nett. Das, was als nächstes passiert, ist noch netter: Weder filzt noch konfisziert man unsere Umhängetaschen – die alerte Plattenfirmenbeauftragte Sherry Tan (die erklärt, die restlichen Stücke würden von der Band erst dann freigegeben, wenn sie den Rohfassungen entwachsen seien) läßt uns mitsamt unseren Handys und Diktiergeräten allein in ihrem Büro zurück, legt die Platte in den CD-Player, flötet „Havefun!“ und ist weg. Zurück bleiben nur ihre Manhattan-Einkaufstüte mit Kosmetikartikeln und unsere Frage: Schneiden wir einfach alles mit? Niemals! Haben schließlich unsere Ehre. Außerdem sitzt draußen im Gang ein Dreizentner-Typ mit Käppi, der aussieht wie Fred Durst – wenn der uns vor dem rettenden Sprung in den Aufzug noch durchsucht, sind wir geliefert. Also nur hören: das mittlerweile bekannte „Juicebox“, das den Arbeitstitel „Dracula’s Lunch“ hatte und keineswegs so stumpf ist, wie es anfänglich wirkt. Immer wieder erstaunlich, wie expressiv der Refrain herausgeschrien wird: „Why won t youcomeoverhere/We’vegotacity to love.“ Nicht das stärkste Strokes-Stück, aber eines der wirkungsvollsten. Danach das maximal lässige „You Only Live Once“, ein genialischer Schuß aus der Hüfte, der beginnt wie „I Want To Break Free“ von Queen. Das kunstvoll verspielte „Razorblade“ mit entwaffnendem Spiel von Albert Hammond Jr. und Nick Valensi und Julians großem Barry-Manilow-Moment. Es folgt „Heart In A Cage“, beginnend mit einem blitzsauberen Spandex-Hosen-Metal-Motiv, getragen von Casablancas‘ berüchtigtem drawl („I don’t want what you want“) und den typischen Quengel-Gitarren. Und am Ende singt er, er SINGT ein Wort wie „mistrust“ so glamourös, so aufreizend, so lasziv wie noch nie zuvor. Dann „Ask Me Anything“: Jules als Crooner, begleitet von Nick Valensi am Mellotron:

„We could drag it out/But that’s for other bands to do :die erste echte Strokes-Ballade. „Electricityscape ist fast schon 8o’s-Pop und im Strokes-Kosmos eine ähnliche Novität wie seinerzeit die Sam-Cooke-Reminiszenz „Under Control“ auf „Room On Fire“. Und obwohl man zuerst an Synthie-Keyboard oder Orgel denkt: Auch auf „First Impressions Of Earth“ beschränkt sich gleichsam alles auf Gitarren, Schlagzeug, Baß, Gesang. Ein irres Stück ist „Vision Of Division“: Nikolai Fraiture spielt hier den Pixies-Baß, Albert Hammond Jr. brilliert mit einem Solo asiatischer Prägung und einigen hochgeschwindigen Hardrock-Riffs, circa „Thunderstruck“ von AC/DC. Julian Casablancas weckt erste Begehrlichkeiten („A// that I do/ Is wait for you „), brüllt immer wieder „How long must I wait?“ und behält dann doch die Ruhe: „We ‚re only friends / I’m not Coming back/That ’s all there is. „Zuletzt noch „The Ize Of The World“: Das

Stück beginnt quietschend und ächzend, Casablancas kämpft sich quer durch alle Tonlagen, die Band aber hält die Form – ein dringlicher, fiebriger, klassischer Strokes-Song. Wir hören dann alles noch ein paar Mal durch und denken: Das ist die wohl beste Gitarrenarbeit, die Nick Valensi und Albert Hammond Jr. je abgeliefert haben. Wir denken aber auch: Wieso hat man bei einer solch exzellenten Songauswahl ausgerechnet „Juicebox“ zur Single gemacht?

Am nächsten Tag fahren wir mit dem Taxi runter ins Bowery-Viertel, vorbei am früher legendär-grottigen und heute nur noch grottigen CBGB’s und rein in die Rivington Street zum Hotel on Rivington, das von den N.Y-Celebrities als Ort für Interviews und Foto-Shootings geschätzt wird, weil kein Normalbürger vermuten würde, daß sich hier überhaupt N.Y-Celebrities aufhalten: Die schmucklose Eingangshalle wird gerade renoviert, die Sitzgelegenheiten sind bemerkenswert abgenutzt, es sieht aus wie im Spielertunnel von Energie Cottbus.Geht man weiter in den Raum hinein, verliert sich das Bild des Beschädigten: piekfeine Essreihen, vornehmste Toiletten, freundlichste Bedienung. Da kommen auch schon die Strokes, angeführt von ihrem Manager Ryan Gentles und leider ohne den Band-Guru JP Bowersock, der als Gitarrist von Ryan Adams &. The Cardinais und Mafiaboß-Lookalike derzeit vollkommen ausgelastet ist. Die nicht gerade ärmlichen Verhältnisse, aus denen Julian Casablancas (hat abgenommen), Albert Hammond Jr. (hat sich extra rasiert), Nick Valensi (hat sich lange Haare wachsen lassen), Nikolai Fraiture (sieht so aus wie immer, war wider Erwarten doch nicht der Typ, der im Film „Der Eissturm“ von Ang Lee als Statist im Internat kurz mal durchs Bild läuft) und Fabrizio Moretti (wird in Adam Greens „Carolina“ in einem Atemzug mit Dostojewski genannt, weiß, wo Drew Barrymore wohnt) kommen, noch ein weiteres Mal thematisieren zu wollen, wäre doch reichlich öde. Auch die Abstammung der Bandmitglieder (Spanisch-dänisch, tunesisch-französisch, brasilianisch-italienisch usw.) ist hinreichend geklärt. Man spricht daher über andere Dinge, die auch nicht so aufregend, aber unvermeidlich sind: Die Aufnahmen zum gefährlichen dritten Album. Sechs Monate geschrieben und arrangiert, zwei Monate im gerade von der Band selbst gekauften neuen Studio aufgenommen. Der bisherige Stamm-Produzent Gordon Raphael arbeitete den neuen Mann David Kahne (Paul McCartney, Sugar Ray, The Presidents Of The United States Of America) noch ein bißchen ein, dann ging alles den gewohnten Weg. Der Mix von first impressions of EARTH lag diesmal in den Händen von Andy Wallace (Jeff Buckley, Nirvana, Bruce Springsteen). Die zwanglose Atmosphäre in der Hotel-Lobby überrascht ein wenig: Wie üblich wurde im Vorfeld die Schauermär verbreitet, Strokes-Sänger Julian Casablancas sei „schwierig“. Zudem sei keinesfalls sicher, ob er überhaupt auftauche und falls er auftauche – ob er sprechen werde oder nicht. Casablancas aber ist erfreut, setzt sich an einen Ecktisch und spricht für seine Verhältnisse über weite Strecken erstaunlich konzentriert. Sein Blick fällt auf den Tisch:

CASABLANCAS: Du benutzt immer noch dieses alte Ding? Kauf dir doch ein digitales Diktiergerät.

Nee, tan mal.

Aber die Alten taugen nicht viel. Das hieT (zieht ein sehrflaches, sehr teures digitales Etwas aus der Hosentasche) macht den Unterschied. Ich bin Musiker, und wenn ich Gitarre spiele und dazu singe, kann ich nur alles verstehen, wenn ich die neuen Dinger benutze. Hast du die neuen Lieder schon gehört?

Ja, acht davon. Bei „Vision Of Division und“.Heart In A Coge “ habe ich mich gefragt, ob ihr in letzter Zeit viel Hardrock und Metal gehört habt…

Nicht wirklich. Aber viele der Bands, mit denen wir im selben Gebäude geprobt haben, waren richtig harte Death-Metal-Combos. Die im Raum über -*

-> uns hießen John Cage Is A Fake. Die anderen Bands hatten noch düsterere Namen. Obituary Of Rotten Souls oder so was. Vielleicht kam der Metal-Einfluß für diese beiden Songs also durch die Wände (grinst).

„Ask Me Anything ‚ dagegen hat mich sehr an die Magnetic Fields erinnert. Die meisten behaupten ja, du könnest nicht singen, doch hier klingt deine Stimme genauso schön wie die von Stephin Merritt.

Ich liebe die Magnetic Fields. Albert hat mir vor einiger Zeit den Song „Absolutely Cuckoo“ vorgespielt, der lief dann auch oft vor unseren Konzerten vom Band, (singt) „Don tfall in love with me yet/We only recently met… Ich dachte: Was ist das? Das ist der coolste Song überhaupt! Mir tut es richtig leid, daß ich erst so spät auf Merritt gestoßen bin. Wir wollten auch mal mit den Magnetic Fields spielen, aber das hat nicht geklappt, weil der Typ Probleme mit seinen Ohren hat und die Band nur sehr leise, akustische Konzerte gibt.

An dieser Stelle unterbricht uns die Kellnerin des Hotels, eine hübsche Frau Mitte Zwanzig, die aussieht wie Molly Ringwald in „Pretty In Pink“. Sie ist offenbar in Casablancas verliebtund tänzelt alle 10 Minuten um den Tisch herum, um Jules zu fragen, ob er sein Glas Ginger Ale nicht vielleicht doch schon ausgetrunken habe und ein neues Glas wünsche. Zum Glück bleibt ihr Blick dabei stets oberhalb der Tischplatte: Casablancas trägt weiße Tennissocken, rosa Slipper und einen Ehering: Er hat geheiratet.

Diese Kellnerin mag bestimmt auch den Schnulzenklassiker „Handy“ von Barry Manilow. Wie findest du das Stück denn eigentlich? Wenn du in „Razorblade den Refrain ,.My feelings are more importont than yours“singst, klingt das lustigerweise wie „Mandy“.

Oh, ja, die Geschichte kenne ich. Aber ich habe gar nicht versucht, diesen Song zu kopieren. Ich mag ihn nichtmal. Ich bin mehrvon so einem Built-To-Spill-Vibe ausgegangen, und daraufist das Stück dann aufgebaut. Es ist vielleicht der Song auf der Platte, den ich am wenigsten mag. Hätte ich das Gefühl gehabt, er würde zu sehr nach „Mandy“ klingen, hätte ich ihn ganz runtergenommen.

Um die Sache mit den Ähnlichkeiten gleich mal wieder abzuhaken: Ist der signifikante Baß-Lauf in „Juicebox “ nun das Weezer-Riff aus „Hash Pipe“ oder doch „Peter Gunn “ von Art Of Noise ? Eine klare Nerd-Frage, aber wissen will man es ja schon…

Ich finde es ziemlich lustig, mit was die Leute das „Juicebox“-Riff vergleichen: Fast jeder hat gesagt „Hash Pipe“, ich selbst kenne das Lied überhaupt nicht. Hm, was noch? „Batman“, „James Bond“, „Mission Impossible“, „The Munsters“ und so weiter.

Kannst du zu ein paar der anderen Songs auch schon etwas sagen?

Laß mal überlegen: Da gibt es noch „Red Light“, da klingen die Gitarren ganz seltsam, und ich wollte eine durchgehende Melodie. Äh, „The Ize Of The World“ ist dann wohl auch noch drauf… (beginnt kurz das Stück anzusingen) und äh, also da erwischst du mich jetzt echt auf dem falschen Fuß. Mann, was waren da bloß nochmal für Stücke drauf? „15 Minutes Of Pain“ heißt eines, (singt) „lt was all just a dreeeaam, 0000h no… ‚.Das endet völlig anders, als es beginnt und hat mehrere verschiedene Teile. Dann gibt es noch „Hawaii Aloha“, das nehmen wir als B-Seite. Es ist komisch, über seine eigenen Songs zu reden. Dauert ja nicht mehr so lange, bis die Platte kommt (grinst).

Gibt es eine bestimmte Hintergrundgeschichte zumAlbum-Titel FIRST IMPRESSIONS OFEARTH?

Jedenfalls soll der Titel sicher nicht bedeuten: Marsmensch landet auf der Erde und berichtet darüber, was er als Erstes sieht, weißt du? Das Ganze ist eher so gemeint: Du schreibst ein Buch darüber, wie du die Welt um dich herum auffaßt. Über all das, was du in deinem Radarbildschirm siehst und wie du es siehst. Als wir alle Songs beisammen hatten, hatte ich diesen Album-Titel einfach im Kopf.

Wie habt ihr euren neuen Produzenten David Kahne kennengelernt und wie war die Arbeit mit ihm im Vergleich zu Gordon Raphael? Wolltet ihr einfach jemand Neuen ausprobieren, obwohl es schon bei den Aufnahmen zu room on fire mit Nigel Godrich nicht geklappt hatte und Gordon wieder eingesprungen ist?

Es war schon so, daß wir mal jemand Neuen ausprobieren wollten. Es gab deswegen keinerlei Ärger oder böses Blut zwischen Gordon Raphael und uns. Und es war Sean Lennon, über den wir David kennengelernt haben. Wenn man das erste Mal mit David zu tun hat, könnte man auf den Gedanken kommen, er sei einer dieser mit allen Wassern gewaschenen Hit-Produzenten, die hauptsächlich versuchen, dir die Ecken und Kanten aus einem Song herauszunehmen. Man muß wirklich längere Zeit mit ihm arbeiten und ihn auch als Menschen kennenlernen, um herauszufinden, daß es ihm nur um die Musik geht. Sein unglaublich großes technisches Wissen darüber läßt einen am Anfang genau das Gegenteil denken.

In nur wenigen Jahren seidihrso etwas wie die Veteranen der neuen Garagen-Rock-Szene geworden. Was hältst du eigentlich von den neuen Gruppen, die in den letzten Monaten und Jahren nachfolgten?

Ich liebe die Kings Of Leon. Großartige Musiker, tolle Menschen, ich mag die ganze Grundstimmung in dieser Band. Und ich hab‘ letztens zufällig ein Lied der Kaiser Chiefs gehört: „Everyday I Love You Less And Less“. Das ist irgendwie cool.

Die Kings Of Leon irgendwie ulkig, wie schnell sie diese großartigen Alben hinkriegen, wo man doch immer wieder hört und sieht, wie viel Zeit sie mit dem Aufreißen von Groupies verbringen…

Yeah man, the groupies … Weißt du, wenn man noch ganz jung ist und gerade anfängt mit dieser Musik-Sache, spricht dich das natürlich an. Aber irgendwann wird es dann auch langweilig, so ging es mir j edenfalls. Ich glaube, Leute, die sagen, wie unglaublich wichtig ihnen Sex ist, haben wahrscheinlich einfach keinen.

Franz Ferdinand?

(schaut etwas säuerlich) Ifyoulike them, that’scool. Ich wünsche ihnen das Beste. Sind schon eine gute Band und haben das erreicht, was viele Bands gern erreichenwürden (schläftfast ein). Pete Doherty? Der macht ja nebenbei auch noch Musik.

Ich kenne nur ein, zwei Songs von den Libertines. Ist nicht mein Stil. Es ist traurig, daß er mit Drogen die Tatsache zu kompensieren versucht, daß er mit seinem Ruhm nicht klarkommt. Aber das Schlechteste an dieser Geschichte ist: Er glorifiziert das Nichthart-genug-Arbeiten, und das kotzt mich wirklich an! In dem Sinne: Wenn du nicht erfolgreich bist, dann nimm ein paar Drogen, und schon bist du cool. Klar wurden in der Rock-Geschichte immer schon Drogen genommen, aber die, die das früher gemacht haben, waren auch einfach bessere Musiker.

Die Kellnerin rauscht heran und reicht einen Avocado-Teller, ein neues Glas Ginger Ale und ein delikates vegetarisches Pasta-Gericht. Wenig später kommt Albert Hammond Jr. an den Tisch und überläßt Julian selbstlos seine Mushroom Soup.

Inwieweit hat euch als Band denn das sogenannte „Music Business „in eurer Karriere so richtig enttäuscht?

Als wir damals bei RCA unterschrieben haben, war Jack Rovner dort Präsident, der uns in allem unterstützte und uns freie Hand ließ bei allem, was wir machen wollten. Ihr wollt Poster und Plakatwände mit nackten Ärschen drauf machen? Kein Problem, ist gebongt. Ein halbes Jahr später wurde er gefeuert- ab da war es ein Arbeiten mit einer typischen Asshole-Company. Inzwischen hat sich das gebessert – ein paar Leute dort sind schon ganz cool.

War der Druck bei den Aufnahmen zu firstimpressions of earth größer als der bei room on fire?

Nun, der Druck, den man sich selbst auferlegt, ist eigentlich immer gleich groß. Der große Unterschied war der Zeitdruck: Für ROOM ON FIRE gab es eine ganz klare Deadline, die wir einhalten mußten. Das war eine schlechte Strategie. Jetzt haben wir gesagt: Wir setzen uns genau so lange dran, bis wir fertig sind. Und da wir diesmal unser eigenes kleines Studio hatten, dachten wir auch nicht dauernd: Die Plattenfirma hat uns ein Studio gemietet und zahlt für jeden Tag-besser, wir werden schnell fertig (lacht).

Was hat deine Texte denn dieses Mal besonders beeinflußt ? Hast du die Zeit gefunden, ab und zu mal ein Buch zu lesen oder dir einen Film anzuschauen ?

Maulana Dschelalledin Rumi. Ein persischer Dichter, der in A fghanistan geboren wurde und im 12. Jahrhundert lebte. Dann war ich bei einem Bekannten zu Hause, und da lag ein Oscar-Wilde-Buch rum. Das hab‘ ich aufgeschlagen und stundenlang drin gelesen. Die „Phrases And Philosophies For The Use Of The Young“ haben mir am besten gefallen. Ich wünschte, ich könnte all das, was ich sagen will, auch so clever und in so kurzen Sätzen zusammenfassen. Im Kino war ich zuletzt mit meiner Frau in „Broken Flowers“ von Jim Jarmusch. Klasse Film, auch wenn ich das Ende nicht mochte. Und natürlich die Dylan-Doku „No Direction Home“ von Scorsese – phantastisch.

Bei unserem Gesprach damals in Amsterdam hast du beim Stichwort „Television“ gewitzelt, das sei doch diese technische Erfindung aus den dreißiger Jahren.

Ja, das sollte nur ein Gag sein. Außerdem hatte ich an diesem Tag Pilze genommen. Aber ehrlich gesagt höre ich mir Television nicht so oft an. Mich haben ganz andere Bands beeinflußt: die Doors, Velvet Underground, dann hatte ich diese Beach-Boys-Phase und eine Bob-Marley-Phase. Und ich liebe Queen! Ich werde auch oft nach den Talking Heads gefragt: Klar habe ich die auch gehört, aber im Vergleich zu anderen Bands eher oberflächlich.

Es bleibt keine Zeit mehr zum sprechen. Die Promoterin drängt Julian zum Aufbruch. Die Kellnerin verabschiedet sich, der Sänger steht auf und schenkt ihr ein verlegenes Lächeln, die Band geht ab. In der Nacht ernüchtert uns ein Besuch der „Knitting Factory“ in der Leonard Street und alles, was man nach dem Rückflug noch erfährt, sind die Songtitel der jetzt noch fehlenden neuen Stücke und die Botschaft, daß die Strokes zuerst in Südamerika konzertiert haben – mit einer Setlist, die wohl kaum Beschwerden herausfordern dürfte: In Rio de Janeiro, wo das Quintett gemeinsam mit den Kings Of Leon auftraten, startete man gleich mit „Someday“, „Soma“ und endete mit „Take It Or Leave It“, „Reptilia“, „Is Thislt“, „New York City Cops“ und „1 Can’t Win“. Danach ist man zerschlagen. Und muß womöglich daran denken, was Casablancasin „OnThe Other Side“ einem anderen der neuen Stücke, singt: „Ihatethem all / 1 hate my seif for hating them / So l’ll drink some more / 1 love them all / l’ll drink even more/ l’ll hate them even more than I did before.“ Klingt harsch, doch Casablancas und die Jungs werden das Kind schon schaukeln.

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