Kolumne

Aidas Popkolumne: Auch Erykah Badu hat Selbstzweifel

Aida lässt sich von Erykah Badu in meditative Welten entführen und fragt sich, warum das mit den Selbstzweifeln nie aufhört.

Man hört sie, bevor sie in den Saal kommt. Dutzende kleine Glöckchen klimpern an ihren Füßen, auch auf ihrer Kopfbedeckung klirren kleine goldene Blätter leise vor sich hin. „Ich bin eine kleine Frau, aber ich habe einen schweren Schritt“, sagt Erykah Badu und stapft durch den Raum, wo lauter irritierte, aber beglückte Fans, Journalist:innen und Influencer:innen auf japanischen Matten liegen und auf sie warten.

Erykah Badu ist in town und hat, wie sie erzählt, just heute aufgehört zu trinken und zu rauchen. Da passt es ja, dass sie anlässlich des 25-jährigen Geburtstags des Electronic Beats für eine Handvoll Glückseliger eine Soundmeditation ausrichtet – wobei Meditation bei den Sounds, die sie wenig später zusammenmischen wird, ein breit gefasster Begriff ist. Ja, das eine oder andere Glöckchen- und Klangschalen-Sample taucht auf, aber sonst mindestens drei Songs von ihr selbst, und von Freund:innen wie Thundercat und anderen Weggefährt:innen und es klingt, als ob man auf einem Raumschiff durch die unendlichen Weiten des Weltalls schwebt und auf einem alten Radio nach dem richtigen Sender sucht. Und tun wir das nicht irgendwie alle? Auf einem riesigen Raumschiff durchs Weltall jagen?

Erykah Badu ist mittlerweile 54 Jahre alt und unbestritten eine lebende Legende des Pop – und trotzdem steht sie da, vor rund 20 Fremden, und spricht vor ihrem Set über Imposter-Syndrome und über Unsicherheit. Und ich frage mich: Hört das denn nie auf?

Eine Welt der Selbstzweifel

Wir leben in einer Welt, die konstantes sich Vergleichen fördert: Auf sozialen Medien sowieso, im Beruf, im Privatleben, überall. Und mit dem Vergleichen kommt auch das Gefühl, nicht zu genügen. Nicht genug zu leisten, nur ein Hochstapler zu sein, Selbstzweifel, die einen Menschen auffressen können, wenn man es nicht schafft, sie zu überwinden.

Eine Erykah Badu hat die Liebe von Generationen an Musikfans sicher, aber auch sie ist nur menschlich und zweifelt – und wie auch nicht, in einer Musikwelt, die sich jeden Tag schneller und schneller dreht? Ihr letztes Mixtape veröffentlichte sie vor zehn Jahren, das letzte richtige Album vor fünfzehn. Dieses Jahr soll ein neues noch erscheinen, doch auch das wurde wieder auf unbestimmte Zeit verschoben. In der Zwischenzeit tauchte sie auf Features neben Teyana Taylor auf und BTS-Star RM, machte eine Ausbildung zur Geburtsbegleiterin und gründete eine Weed-Marke. Aber in der schnelllebigen Musikwelt ist auch die Existenz als lebende Legende nicht mehr der sichere Hafen, der es einst war – auch wenn es einer Erykah Badu sicherlich um ein Vielfaches besser geht als es Newcomer:innen heute jemals erhoffen könnten.

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Meditieren mit Erykah Badu, Alicia Keys und Pantha du Prince

Aber Musik allein reicht eben nicht, also müssen sich Künstler:innen mehr ausdenken: Badu, die in Berlin zum zweiten Mal überhaupt eine Soundmeditation leitete – die erste fand auf einem Dach in Tokio statt – hat auch schon für die Meditationsapp Headspace ein Instrumentalstück produziert, Alicia Keys hat mit dem US-amerikanischen Alternativmediziner Deepak Chopra gleich eine ganze dreiwöchige „Meditation Experience“ produziert. In Europa organisierte der hessische Produzent Pantha du Prince mit seinem schwedischen Kollegen Sebastian Mullaert eine Kreativretreat irgendwo auf einem englischen Schloss. Und irgendwie ergibt das ja alles auch Sinn: Musik hat Heilkraft, wir sind alle gestresst, wir wollen kreativer sein, wir suchen nach Freiräumen im hyperdigitalisierten Leben voller Druck, Vergleiche und Selbstzweifel. Warum also nicht das eine und das andere zusammenbringen? Aber gleichzeitig verrät das auch mehrere Dinge: Für Musiker:innen reicht Musik nicht mehr zu leben – und vielleicht hat sich auch etwas bei unserem Musikkonsum verändert, der plötzlich auch sinnhaft, verwertbar sein muss. Als Meditation, als Medizin, und nicht bloß als Wert an sich.

Erykah Badu lebt natürlich in ihrer ganz eigenen Welt, irgendwo in ähnlichen Sphären wie Björk, zwischen Weltraum und dem Leben hier unten auf der Erde. Und sie hat sich einen Status erarbeitet, bei dem sie sich vermutlich frei aussuchen kann, nur noch das zu tun worauf sie Lust hat. Aber auch all das reicht nicht, um frei von Selbstzweifeln leben zu können. Und wenn selbst eine Erykah Badu mit Imposter-Syndrom klarkommen muss, welche Hoffnung gibt es dann für den Rest von uns?

Aida Baghernejad schreibt freiberuflich unter anderem für MUSIKEXPRESS. Weitere Artikel und das Autorenprofil gibt es hier.