Fleischmann aus Berlin: zwischen Brecht und Gangsta-Rap


Wenn Lucilectric von den ‚Mädchen‘ singen und darüber, daß moderne Frauen auf Prügel und die schnelle Nummer stehen“, ereifert sich Fleischmann-Sänger und -Gitarrist Norbert Jackschenties, „dann finden das alle cool und politisch korrekt. Wenn wir über unsere männlichen Sex-Fantasien Lieder schreiben, dann sind wir die großen Chauvis und Frauenfeinde. Dabei lieben wir die Damenwelt. Aber eben aus unserer eigenen Perspektive…“

Fleischmann sind kontrovers und provozieren. Ihre Arbeit ist intelligent und lohnt eine ernsthafte Auseinandersetzung. „Wir feuern“, fügt Schlagzeuger und Haupttexter Martin Leeder hinzu, „keine dumpfen Worthülsen ab, nur um für Aufregung zu sorgen. Uns kommt es darauf an, harte Reaktionen auf harte Zeiten wie diese zu entwickeln. Und bei einem solchen Konzept muß es drin sein, daß man die Dinge auch beim Namen nennt.“

Jackschenties (Foto mitte) und Leeder (rechts), beide 33, sind dicke Freunde seit vielen Jahren. 1982 gründeten die beiden Ost-Berliner ihre erste Band, eine Punk-Truppe namens Aufruhr des Herzens, die vom damaligen DDR-Regime wegen subversivem Gedankengut verboten wurde. Fünf Jahre später kamen die zwei Ossis in den Westteil der Stadt, pünktlich zum Mauerfall ’89 wurde das Projekt Fleischmann ins Leben gerufen zunächst als reine Instrumentalkapelle, ab dem zweiten Werk auch mit (deutschsprachiger) Gesangsbereicherung. Bassist Micha Hoffmann (Foto links) verstärkte das Duo 1994. Fleischmann dürfen musikalisch als deutsche Antwort auf Biohazard und Ministry verstanden werden, textlich erinnert das Trio an eine Mischung aus frühem Bert Brecht und obszönem Gangsta-Rap. Vulgär und lyrisch (manchmal auch schlicht daneben) sind die Reime auf dem aktuellen, vierten Album ‚Hunger‘, die von Sex, Gewalt, Verlassenwerden und Freisein handeln. „Wir sind W überzeugt“, schwärmt Jackschenties, „daß in solch irriterenden Zeiten eine Platte wie ‚Hunger‘ notwendig ist. Sie kann dir helfen, diese Existenz gestärkt zu überstehen. Tatsache ist: Fleischmann sind so wahr wie das wirkliche Leben.“