Gene Simmons: Daddy Cool


Der Kiss-Boss und Vater aller Glam-Rocker nennt machohaft-eitel die längste Zunge des Rock'n'Roll sein eigen. Aber hinter der Maske steckt ein eiskalter Business-Profi. Andreas Kraatz sprach den frischgebackenen Platten-Label-Chef Simmons, der sich als Entdecker von Van Halen rühmt.

Daß hinter der Fantasy-Horror-Maskerade ein ausnehmend cleverer Kopf steckte, wußte man nicht erst seit gestern. Gene Simmons, geborener Eugene Klein, Jahrgang 1947 und Bassist der Glam-Rock-Veteranen Kiss, betätigte sich bereits als Schauspieler, Produzent, Manager – und neuerdings auch als Chef einer eigenen Plattenfirma. „Auf die Idee mit der eigenen Plattenfirma bin ich eigentlich schon vor zehn Jahren gekommen. Damals hatte ich eine völlig unbekannte Band namens Van Halen an der Hand, die meiner Meinung nach das Zeug dazu hatte, mal eine der größten Rock-Bands zu werden. Doch egal bei welcher Plattenfirma ich auch anklopfte, niemand wollte mir glauben“, schmunzelt er. Die Entdeckung von Van Halen, deren Demos er nicht nur produzierte, sondern die er in den 70er Jahren auch zeitweilig unter Vertrag nahm, ist nicht das einzige Beispiel für seinen guten Riecher in Sachen Nachwuchs. Cinderella, der neue Komet am US-Heavy Rock-Himmel, dürfen sich ebenfalls bei ihm bedanken.

„Das war wieder so ein Ei, das ich den Verantwortlichen der Plattenfirma, in diesem Fall PolyGram, ins Nest legte, ohne daß sie was damit anfangen konnten. Sie beharrten schlicht und einfach darauf, daß diese Band nie und nimmer erfolgreich sein würde.

Sechs Monate später wurde das Firmen-Management ausgewechselt – und plötzlich schneite Jon Bon Jovi herein und lobte die Band über den grünen Klee. Und zack – schon war sie gesigned. Da schwor ich mir: Von nun an geht mir keine Band dieses Kalibers mehr durch die Lappen. Das nächste Mal nehme ich sie selbst unter Vertrag.“

Simmons ist ein Musiker mit festen Prinzipien. Er trinkt und raucht nicht, Drogen sind völlig tabu, wenn überhaupt können ihn nur weibliche Kurven mal aus der Fassung bringen. Ansonsten ist er immer in Action, hängt stundenlang am Telefon, „während andere Musiker nach dem Konzert ihre Zeit an irgendeiner Hotel-Bar totschlagen.“

Simmons Records, so der Name seines Labels mit der Geldtasche als Firmen-Logo, sind beileibe nicht dazu da, sein „Ego zu befriedigen“, sondern vielmehr um „neue Talente zu heben.“ Die „House Of Lords“ und „Silent Rage“, zwei Hardrock-Acts, sowie Ex-Snif’n’The Tears-Gitarrist Loz Netto (Funk-Rock) und Maria Muldaurs Tochter Jenny (Pop-Folk) sind die ersten vier, die bei ihm Unterschlupf fanden.

„Das Konzept des Labels orientiert sich stark an Berry Gordys Motown Records. Das heißt, mich interessieren vornehmlich qualitativ gute Songs – und erst dann der dazu passende Musiker. Stilistisch gibt es keinerlei Grenzen, solange es meine Ohren für gut befinden.“

Qualität geht bei Simmons vor, und dieser Anspruch kommt nicht von ungefähr. Schließlich wurden Kiss zu Beginn ihrer Karriere von der Kritik eher belächelt und als spätpubertäre Poseure abgetan.

Erst nach etlichen Alben bewiesen die Glam-Rock-Komiker auch in punkto Songwriting gehöriges Geschick. Heute, Album Nummer 23 vor Augen, kann er deshalb mit Fug und Recht behaupten: „Ich weiß heute ganz genau, was dazu gehört, einen guten Song zu schreiben – einen, der gegen die vielbeinige Konkurrenz bestehen kann, den man sich auch noch in zehn Jahren anhören kann, ohne dabei rot zu werden. Und genau das ist das unbezahlbare Kapital meiner Firma Simmons Records.“

Doch nicht genug damit. Nach diversen Jobs als Platten-Produzent, kleinen und größeren Rollen in Filmen, als Manager von Liza Minelli (!) und Karla De Vito, trägt er sich nun mit dem Gedanken, auch als Filmproduzent sein Glück zu versuchen. Und last not least gilt es, „neue Sprachen und Malerei zu lernen, irgendwann auch ein Buch zu schreiben.“ Der Mann kriegt scheinbar nie genug.