Gossip Im Docks, Hamburg


Wer jetzt nicht endlich glaubt, dass die super sind, kriegt eine gescheuert. Ja?

Man muss das wirklich selbst erlebt haben, um nicht einzustimmen in den Chor Lästermäuler, die Medien würden schon bald eine neue Sau durchs Dorf treiben. Niemand weiß das besser als Beth Ditto selbst. Sie kostet den Ruhm aus – so unwahrscheinlich ist es, dass auf einmal alle eine „fette Lesbe aus Arkansas“ (Ditto über Ditto) lieben. Hier jedenfalls hängt heute Liebe in der Luft über den 1.000 Besuchern. Vor drei Jahren waren es gerade einmal 52. Aber das war vor den Nacktfotos auf Zeitschriften-Titeln, vor all den Promifreunden, bevor die klugen Menschen des verblichenen Indie-Labels Lado die Band nach Deutschland holten -und bevor „Standing In The Way Of Control“ endlich der Hit wurde, der es damals schon war. Vieles hat sich seither geändert. MU-S1C FOR MF.N ist beim Major erschienen, Rick Rubin hat produziert, und die Band lässt das Publikum nun lange warten. Um Punkt 22.15 Uhr aber kreischt die eben noch genervte Menge auf, als sei sie kollektiv in einen Kessel Glückshormone gefallen. Beth Ditto hat die Bühne betreten, in einem lila Pailletten-Nichts. „Pop Goes The World“ geht in Entzückensschreien unter. Der Song ist so etwas wie das textliche Surrogat des neuen Albums, das Zitate aus der jüngeren Popgeschichte (70er, 80er) in den neuerdings stärker elektrifizierten Gossip-Sound mischt: von Kiss über Salt-N-Pepa und Marvin Gaye bis zum „Knight RiderTheme“. Heute platziert Ditto Zitate aus „Psychokiller“ von den Talking Heads und Michael Jacksons „Human Nature“, wo es ihr gerade passt – der Saal liegt ihr zu Füßen. „Love Long Distance“, auf Platte ein cooler Dancefloor-Knaller, wird live zum ekstatischen Spektakel, das entfesselt Freudentänze evoziert. Nathan Howdeshell krümmt sich derweil über Gitarre und Synthies, Hannah Billic trommelt schnurgerade Beats, und der Tour-Bassist ist auch noch da. Ditto wechselt die Kleider und zeigt am Ende stolz die Speckrollen unter schwarzer Unterwäsche. Da ist ihr Make-up längst verlaufen, sie hat neue und alte Songs mit gleicher Hingabe gesungen und sich nach nur 45 Minuten mit einem fulminanten „Heavy Cross“ und einem „Tschüßi“ verabschieden wollen-vergeblich. Beider Zugabe „Standing In The Way Of Control“, angereichert mit ein wenig „Billiejean“ und etwas „We Are The Champions“ schwört man, jeden zu ohrfeigen, der es wagt, hier weiter von einem Hype zu sprechen.