Higher Fidelity.


Bisher sind der große Literat des Britpop, Nick Hornby, und der Elton John des Indie-Rock, Ben Folds, in ihrem kreativen Schaffen getrennte Wege gegangen. Doch mit LONELY AVENUE, ihrem ersten gemeinsamen Album, biegen sie nun ein auf den großen Boulevard der Brüderlichkeit. Eine transatlantische Traumpaarung, wie wir finden. Von Arno Frank

Auf dem Album LONELY AVENUE handelt einer der schönsten Songs, „From Above“, von zwei Menschen, die ihr Leben in direkter Nachbarschaft zueinander verbringen, sich manchmal sogar über den Weg laufen, im Kino oder in einer Bar, und die füreinander bestimmt sind, ohne es jemals zu merken. Ein Happy End gibt es nicht. Mit Ben Folds und Nick Hornby verhält es sich genau umgekehrt. Der US-amerikanische Songwriter und der britische Schriftsteller waren zwar auch füreinander bestimmt, lebten aber in verschiedenen Welten, zwischen denen sogar ein ganzer Ozean liegt – und doch gibt es ihrem Verhältnis zueinander so etwas wie ein Happy End, eben LONELY AVENUE, das gemeinsame Album.

Hat man das Vergnügen, mit beiden gemeinsam zu sprechen, fühlt man sich in das Remake eines alten Films mit Jack Lemmon und Walter Matthau versetzt. Ein seltsames Paar, aufgekratzt, das sich am liebsten gegenseitig die Bälle zuspielt. Hornby blättert im Musikexpress, verzieht das Gesicht und sagt „Musikexpress, hm, klingt nicht gut.“ Wir kennen das Problem und distanzieren uns wortreich vom gefürchteten englischen Gossen-Musikmagazin ähnlichen Namens, dem „New Musical Express“, worauf Ben Folds lachend einwirft: „Ihr Deutschen hattet also zuerst einen!“ Wir Deutschen lassen das mal gerne so stehen und leiten sanft zum geschäftlichen Teil über:

Wie kam es zu Eurer Zusammenarbeit?

Folds: Willst du, Nick?

Hornby: Oh, gerne. Ich schrieb in meinem Buch „31 Songs“ über Ben Folds und darüber, wie sehr ich ihn als Songwriter und Lyriker schätze. Als Beispiel für sein lyrisches Genie nannte ich den Text zu „Smoke“ (vom Album WHATEVER AND EVER, AMEN). Dann bekam ich eine sehr freundliche E-Mail von Ben, in der er schrieb: „Danke, dass du diese netten Sachen über mich geschrieben hast. Leider ist der Text von x{201a}Smoke‘ nicht von mir …“

Folds: … es ist der einzige Text, den ich nicht selbst geschrieben habe!

Hornby: Ja, er war von dieser Frau, die er damals kannte (Anna Goodman, mit der Folds von 1987 bis 1992 verheiratet war – Anm. d. Red.). Nicht er selbst also, sondern sie war das Genie hinter Ben Folds! Wir blieben in Kontakt. Dann machte Ben HAS BEEN, das Album mit William Shatner (alias Captain Kirk – Anm. d. Red.), und fragte mich, ob ich dafür einen Song schreiben wollte.

Hornby tut, als müsse er überlegen, wirft die Stirn in Falten und sagt schließlich: „Das war x{201a}That’s Me Trying‘, genau. Ein toller Song, ich mag ihn noch immer sehr“, bevor er märchenonkelhaft hinzufügt: „Das war jedenfalls die rührende und auch ein wenig triviale Geschichte, wie es zu unserer Zusammenarbeit kam.“ Tatsächlich wurde HAS BEEN damals von der Kritik entweder ignoriert oder zerrissen. Ein Umstand, mit dem sich Ben Folds bis heute nicht anfreunden mag.

Folds: Ha! Von allen Kritiken haben mir diejenigen am besten gefallen, in denen gesagt wurde: Wir wollen keine Platte hören, auf der Captain Kirk singt. Das war lustig, weil „Captain Kirk“ einfach nicht auf diesem Album singt. Diesen Leuten sollten ihre Lizenz zum Kritisieren abgenommen werden! Ihnen passte genau das nicht, was dieser Platte ihren besonderen Reiz verlieh, nämlich dass da dieser damals 75-jährige Schauspieler war, mit seiner endlos langen dubiosen Karriere aus beschissenen TV-Shows und auch einigen Juwelen. Von William Shatner persönlich aber haben wir noch nie etwas gehört! Dabei lieben die Leute doch Klatsch und Tratsch und Geschichten darüber, was im Leben anderer Leute so abgeht. Wir hatten da also diese wundervolle Gelegenheit, dass dieser Schauspieler von sich selbst erzählt.

Und dann?

Folds: Und dann standen da diese Leute mit verschränkten Armen und sagten: „Okay, Arschloch, dann zeig mir mal William Shatner!“ Sie waren einfach darauf eingestellt, das Album zu hassen. Darüber hinaus war es ein Marketing-Desaster. Die Plattenfirma hätte eigentlich Wagenladungen davon verkaufen müssen! Ich war vollkommen fassungslos, als mir klar wurde, dass sie das Album nicht einmal anständig in die Läden bringen konnte.

Klingt, als wären Sie heute noch gekränkt.

Folds: Gekränkt? Ich bin nicht gekränkt. Ich bin sehr, sehr enttäuscht. Vor allem, weil ich sehr viel in dieses Album gesteckt habe. Aber: Leute, die das Album mochten, die mochten es wirklich. Ich denke also nicht, dass die Platte gescheitert ist.

Jetzt schaltet sich wieder Hornby ein, der die ganze Zeit über an seinemTee genippt und dabei bedächtig genickt hatte.

Hornby: Das einzige, was ich irgendwo über „That’s Me Trying“ gelesen habe, stand in „Mojo“ (bodenständiges britisches Musikmagazin – Anm. d. Red.) in dieser Rubrik, wo sie einzelne Songs hervorheben. Aber in der kurzen Zeile, die da immer dabei steht, schrieben sie, dass William Shatner nicht versucht hatte, den Song ironisch oder lustig rüberzubringen, dass er ganz unbeabsichtigt sein ganzes Herz da reingelegt hätte. Sie konnten also vor allem nicht glauben, dass hier etwas Intelligentes im Spiel gewesen sein könnte, bei allen Beteiligten …

Folds: … und vor allem den Trotteln, die diese Platte zusammenschraubten!

Hornby: Exakt! Mit sowas muss man sich rumschlagen!

Ich will jetzt nichts Falsches sagen, aber: Nach Lektüre der Lyrics zu LONELY AVENUE dachte ich, so als Kritiker: Hm, das sind eigentlich typische Ben-Folds-Lyrics.

Hornby: Jetzt hast du etwas Falsches gesagt. Wollen wir zwei mal eben rausgehen, und dann sagst du das noch mal?

Aber ich kann es begründen!

Hornby: Nein, dann nehme ich das lieber mal als Kompliment.

Mister Folds …

Folds: O-oh …

… wie fühlte sich das an, fremde Texte zu vertonen?

Folds: Uff. Ich hatte schon befürchtet, du würdest jetzt sagen, die Lieder klingen wie Ben-Folds-Songs! Aber im Ernst: Es fühlte sich ganz natürlich an, eben weil Nick mit meiner Arbeit vertraut ist und weiß, wie ich Songs und Texte schreibe. Und ich weiß, dass er diese Texte für meine Stimme geschrieben hat. Dabei hat er nur gemacht, was er immer macht, nur diesmal eben sozusagen im Twitter-Format mit maximal 120 Zeilen. Da haben wir dann einen Drei-Minuten-Song, der vom Leben eines Menschen handelt, und aus dem Leben dieses Menschen löse ich eine einzige Sekunde heraus, um darüber zu singen. Außerdem kennt er sich damit aus, alltägliche Charaktere zum Leben zu erwecken. Was nicht heißt, dass er sich nicht auch in einen Buschmann aus der Kalahari versetzen könnte.

Dass der ehemalige Lehrer Hornby süffig schreiben kann, hat er mit Büchern wie „Fever Pitch“ und „High Fidelity“ ziemlich eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Und Ben Folds kann mindestens ebenso süffige Songs schreiben, wie er mit den Ben Folds Five und auch danach während seiner Solokarriere demonstrierte. Reizte es einen so hellen und kreativen Kopf nicht, sich einmal in einem fremden Metier zu versuchen? Vielleicht in der Literatur?

Folds: Nein. Ich würde gerne, werde es aber nicht. Mir fehlt dazu der lange Atem. Ich schreibe Songs. So drücke ich mich aus. Wenn ich auf Tour ein Buch lese, dann geht das ja über Wochen, und irgendwann fange ich an, die Welt mit den Augen der Figuren aus diesem Buch zu sehen, manchmal dringt die Geschichte sogar in meine Träume ein, von wo aus sie wiederum auf die Realität einwirkt. Es ist ja auch nicht alles pure Fiktion, wie ich gelernt habe. Man muss als Autor, glaube ich, auch viel von sich selbst einbringen. Wahrscheinlich ist das ein großartiger Weg, die Leute zu berühren, aber … es heißt ja, jeder Mensch trage mindestens einen Roman mit sich herum. Ich nicht.

Und Sie, Mister Hornby? Jemals einen Song geschrieben?

Hornby: Nein.

Folds: Hey, jetzt tut er’s doch!

Hornby: Naja, stimmt, ich schreibe Songtexte. Das ist mal ein Anfang.

Sie haben auch schon als Musikkritiker gearbeitet, Rezensionen geschrieben?

Hornby: Ja, aber das ist lange her, zehn Jahre, und ich glaube nicht, dass ich das noch könnte. Ich schrieb Kritiken für den „New Yorker“ (ehrwürdiges US-Kulturmagazin – Anm. d. Red.) Und wenn du für den „New Yorker“ schreibst, dann musst du erstmal jemanden finden, über den du so viele Worte schreiben willst und kannst. Für mich gibt es da nicht so viele.

Folds: Ich finde ja, dass die allermeisten Kritiker – gerade bei positiven, euphorischen Besprechungen – in erster Linie über sich selbst schreiben, sich selbst loben. Nicht nur ihren exquisiten Musikgeschmack, sondern sich selbst als ganz besondere Persönlichkeit, gespiegelt in der Musik. Das ist ein sehr seltsames Phänomen. Nichts für mich.

Hornby: Eine amerikanische Kritikerin, die ich sehr schätze, schrieb einmal darüber, wie sie gebeten wurde, ein neues Album von Tom Waits zu besprechen. Sie dachte: „Ich mag die Balladen“ und quälte sich dann, das in 800 Worten zu sagen: „Ich mag die Balladen“. So geht es mir auch. Ich mag sechs Melodien auf diesem oder jenem Album, weil es einfach gute Melodien sind, und muss das dann in 3000 Worten ausdrücken. Das ist schwer, und ich glaube nicht, dass ich das jemals wieder machen werde.

Stattdessen haben Sie die Seiten gewechselt.

Hornby: Für mich fühlt sich alles, was damit zu tun hat, dass ich vor meinem Computer sitze und auf ein leeres Word-Dokument starre, nicht so an, als würde ich auf irgendeine „andere Seite“ reisen. Es fühlt sich, im Gegenteil, immer ziemlich nach meiner eigenen Seite, nach Schreiben an. Ich schreibe Essays und Romane, Drehbücher und Kurzgeschichten und jetzt Songtexte. Alle diese Formen sind für mich vor allem verschiedene technische Herausforderungen. Es ist hart. Es ist Schreiben.

Was ist der Unterschied zwischen einem Gedicht und einem Songtext?

Hornby: Musik. Musik kann das Gedicht retten.

Das kommt wie aus der Pistole geschossen und ist ein sehr, sehr schöner Satz. Irgendwas kommt ins Rollen, und so geht’s jetzt hin und er, die Herren befragen sich gegenseitig, als säßen sie sich hier zum ersten Mal gegenüber.

Hornby: Gibt es etwas, dass wir beide voneinander gelernt haben?

Folds: Wenn ich von dir etwas gelernt habe, dann Disziplin: Kreatitivät ist die Kunst, keine Zeit zu verplempern. Rumhängen, bis plötzlich die Inspiration kommt, alles fallenlassen und die Idee schnell auf eine Serviette kritzeln – so geht das nicht. Wenn du es wirklich ernst meinst, dann reißt du dich besser zusammen und setzt dich auf deinen Hintern. Denn es ist dein Beruf. Dann kommt etwas dabei heraus, oder es kommt auch nichts dabei heraus. Egal. Du bleibst sitzen. Als ich Nick um ein paar Texte bat, kamen die fast postwendend. Ich hätte sie nie so schnell erwartet. Und ich dachte: Okay, deshalb hat dieser Typ erreicht, was er erreicht hat – weil er diszipliniert ist. Das hat mich inspiriert, weil ich eben nicht so bin. Also fing ich an, mit einer ähnlichen Einstellung ans Komponieren zu gehen.

Früh aufstehen?

Folds: Ja, manchmal heißt das auch, früh aufzustehen. Mir gehört ein Studio. Ich hatte also den Luxus, es immer dann zu nutzen, wenn ich Lust darauf hatte. Diesmal setzte ich mir Zeiten. Nick schickte die Texte, ich rief die Jungs aus der Band an: „Hey, es gibt etwas zu tun!“ Jetzt kann ich mir nicht mehr vorstellen, anders zu arbeiten. Wie habe ich das früher nur hinbekommen? Und was hast du gelernt, Nick?

Hornby: Ich? Ich schaue einfach nur zu dir auf, Ben.

Gibt es Lyriker im Pop, die Sie schätzen?

Hornby: Lyriker?

Gestalten wie Keith Reid vielleicht, der kein Instrument spielte und für Procol Harum die Texte geschrieben hat …

Hornby: Wirklich? Wieder etwas Falsches gesagt!

Folds: Der hat die Texte geschrieben? Das erklärt natürlich alles! Warum habe ich noch nie über ein solches Geschäftsmodell nachgedacht? Das ist cool …

Hornby: Nö, ich schreibe keine abstrakten Texte. Dazu war ich nie in der Lage. Alles, was ich schreibe, wurzelt irgendwie in „eine Person sitzt am Küchentisch“ und „da liegt eine Fernbedienung“, das sind ganz alltägliche Begriffe. Und, ich meine, „A Whiter Shade Of Pale“, also wirklich …

Folds: So, jetzt übernehme ich hier mal: Nick, ich würde wirklich gerne wissen, welche Songtexte du magst!

Hornby: Da gibt es viele verschiedene. Zum Beispiel die Cole-Porter-Schule, bei der du eine einzige Idee nimmst und aus ihr rausprügelst, was in ihr steckt. Smokey Robinson macht’s ähnlich. Ich glaube nicht, dass ich solche Lyrics schreiben könnte, also ein einziges Bild hernehmen und damit spielen. Das sind ja im Grunde alles Liebeslieder. Und dann gibt es die Elvis-Costello-Schule, wo ich nie weiß, worum es in dem Song eigentlich geht.

Folds: Ich auch nicht!

Hornby: Stimmt’s? Es klingt gut, aber ich habe keine Ahnung, was abgeht. Das mag ich auch nicht besonders. Dagegen bewundere ich sehr, was Chris Difford und Glenn Tilbrook für Squeeze (britische New-Wave-Band, 1974 gegründet – Anm. d. Red.) geschrieben haben. Da erinnere ich mich an eine lustige Geschichte: Ich wohnte mal mit einem Typen zusammen, und wir hörten zusammen ein Squeeze-Album. Und ich sagte zu ihm: „Wenn ich jemals Bücher schreiben sollte, dann müssten sie ein wenig wie das hier sein.“ Und er sagte: „Ich verstehe genau, was du meinst, das kann ich mir gut vorstellen.“ Das war sozusagen eine wichtige Inspiration für mich als Schriftsteller. Und dann, ich hatte bereits drei Bücher geschrieben, veröffentlichen Squeeze ein neues Album, und da gab es diese Rezension, in der geschrieben stand: „Hört euch das an, und ihr müsst nie wieder ein Nick-Hornby-Buch lesen!“ … Und dann gibt es da noch die Drive-By Truckers, kennst du die?

Alternative Rock aus Amerika, oder?

Hornby: Ja. Ich meine, das sind hervorragende Schreiber. Wirklich präzise, spezifisch, bündig, und manchmal werden sie sogar ein wenig elegisch. Im Moment sind das, glaube ich, die in meinen Augen besten, auf jeden Fall cleversten Lyriker im Rock.

Folds: Bei mir wäre das Pulp. Ich liebte „Common People“, das war so … wahr.

Jetzt muss Ben Folds sich verabschieden, um sein Flugzeug nach London zu bekommen, wo er morgen mit Nick Hornby einen Termin bei der BBC hat. Theoretisch könnte er auch morgen fliegen, aber Hornby erklärt, nachdem Folds den Raum verlassen hat: „Das mag er nicht. Er hat das Gefühl, dass singen und fliegen an ein und demselben Tag seiner Stimme schadet. Ein Profi halt. Ich kann das nicht beurteilen, halte es aber für einen Aberglauben.“ Hornby hat eine ungesunde Gesichtsfarbe und eine noch ungesünder klingende, kehlige Stimme. Er trinkt nicht wenig und raucht noch mehr, macht aber einen sehr gelassenen, gewitzten Eindruck. Die Frage, ob es etwas gibt, was er wirklich hasst, bringt ihn aber richtig in Fahrt.

Hornby: Ich hasse schlechte Kritiken, und gute machen mich verlegen. Weißt du, es kostet so viel Kraft und Überwindung, überhaupt etwas Kreatives auf die Beine zu stellen. Da kann es nur stören, Kritiken zu lesen, weil es dich so emotional mitnimmt. Ich kenne viele Leute, die in der Öffentlichkeit stehen und sich ständig selbst googeln. Ich sage dann immer: „Du bist krank!“

Kann Literatur überhaupt Pop sein?

Hornby: Was ist Pop-Literatur? Was soll das sein? Okay, über mich wird auch gerne gesagt, ich sei ein Pop-Schriftsteller. Für mich zeigt das nur, wie weit Literatur sich inzwischen vom Alltag entfernt hat. Ich verstehe die Zuschreibung nicht, dieses oder jenes wäre jetzt „poppig“. Es ist einfach nur Literatur, es sind Geschichten über das Leben von Menschen und wie sie es führen.

Das ist Pop auch, eine Kultur mit Wurzeln im Alltag.

Hornby: Das mag sein. Worüber schreibe ich? Über Musik, Kino, Fußball. Alles Dinge, die im Leben der Menschen eine Rolle spielen. Seit etwa 15 Jahren erwartet man von Autoren, dass sie diese Dinge aus ihrem Schreiben ausschließen, weil es ansonsten nicht als echte Literatur gilt. Sobald man sie in eine Geschichte einbaut, braucht es sofort eine gönnerhafte und herablassende Beschreibung dieser Literatur als „nur“ Pop. Ich frage andere Schriftsteller: Wie kommt es, dass eure Figuren nie fernsehen oder Popmusik hören? Die meisten Leute, die ich kenne, tun das nämlich.

Fühlen sie sich denn trotzdem manchmal wie ein Popstar?

Hornby: Darüber habe ich mich erst neulich mit Ben unterhalten. Tatsächlich gibt es viele Parallelen. Vor allem das einsame Arbeiten im Gegensatz zum öffentlichen: Du machst etwas weitgehend allein und plötzlich stehst du auf der großen Bühne. Platten und Bücher werden heutzutage auf ähnliche Weise beworben. Das ist Kapitalismus!

Hören Sie beim Schreiben Musik?

Hornby: Nicht direkt beim Schreiben, aber es spielt eine wichtige Rolle in meinem Arbeitstag. Ich habe ein Büro, in dem ich arbeite, und ich höre auf dem Weg dorthin Musik, und ich höre Musik, wenn ich eine Pause mache. Das beeinflusst mich immer, weshalb ich beim Schreiben direkt eigentlich keine Musik hören kann. Wenn ich es dennoch tue, dann nur Musik ohne Worte.

Das Interview ist vorbei, und Hornby fährt mit im Aufzug nach unten, spaziert durch die Hotel-Lobby und zündet sich draußen in der Sonne eine Zigarette an, wobei er den Spieß umdreht und selbst ein paar Fragen stellt. Als ich ihm die rasende Gentrifizierung mancher Stadtteile in Berlin schildere, muss er so sehr lachen, dass nur noch ein Husten kommt. Er erzählt, wie er in London gerade nach neuen Räumen für die Schule seines Sohnes Danny gesucht hat. Danny ist Autist, und Hornby ist Mitgründer einer Organisation, die sich um eine bessere Betreuung solcher Kinder kümmert: „Wir suchten ewig und fanden nichts bezahlbares, bis uns eines Tages dieses kleine ehemalige Ladenlokal auffiel, das seit Jahren leer steht. Kaum waren wir drin, füllten sich rasch auch die anderen Leerstände ringsum mit Künstlern, Kneipen oder Künstlerkneipen. Inzwischen haben wir Schwierigkeiten, die Miete zu bezahlen. Gentrifizierung, my ass – wenn der junge Geldadel antanzt, ist ein Viertel verloren“. Fast klingt es, als wäre es ihm ganz recht, nicht über Kunst sprechen zu müssen. Sondern über das Leben reden zu dürfen. Über Pop also.

Albumkritik S. 110

CD im ME S. 20

www.nickhornby.co.uk

www.benfolds.com