Idioten bis zuletzt


Stürmische Zeiten für Madness – inden letzten 18 Monaten hat sich einiges getan bei den unerschütterlich gutgelaunten Londonern: Erst stieg Mit-Gründer Mike Barson aus („wir hatten nie einen Leader, aber er war unser Leader“), dann beschlossen die verbleibenden sechs Mitglieder, den Vertrag mit Stift Records nicht mehr zu verlängern. Die Erfolgsbilanz dieser Zusammenarbeit ist bis heute unerreicht: Innerhalb von fünf Jahren produzierten sie mit dem Label 18 Hit-Singles in ununterbrochener Reihenfolge.

Inzwischen haben sie ihr eigenes, über Virgin vertriebenes Label Zarjazz. “ Wir haben sowieso schon immer Acts zu Stiff gebracht“, erklärt Carl Smyth, bekannt geworden als Chas Smash und Erfinder der schrägen Gangarten, dem früheren Markenzeichen von Madness. „Da dachten wir, daß wir auch mehr Kontrolle darüber haben sollten, wie die Leute, die wir mögen, vermarktet werden. „

“ Wir mußten auch irgendwas mit all dem Geld anfangen, das sich überall anhäufte“, meint Drummer Dan Woodgate mit ungerührter Miene, „und wir wollen keine Fischzucht oder eine Kette von Schuhgeschäften kaufen, wie andere Popstars das machen. Also sagten wir ‚Hey, laßt uns völlig selbständig werden und unser eigenes Plattenlabel gründen‘.“

Ihre erste Veröffentlichung, eine Single von Feargal Sharkey, schlug leichte Wellen in den britischen Charts; der zweiten, ihrer Single für Äthiopien (mit Madness, den Specials, ÜB 40, General Public, den Pioneers, Annie Whitehead und anderen), erging es dagegen weniger gut. „Die BBC hat uns abgewürgt“, meint Sänger Suggs. „Yeah“, bestätigt Saxofonist Lee (eins ist ein Madness-Interview bestimmt: demokratisch), „sie fanden die Nummer ,zu ethnisch‘ und wollten sie nicht spielen. Kannst du dir das vorstellen?“

„Trotzdem“ (wieder Chas/Carl) „haben wir es geschafft, 51.000 Pfund zusammenzubringen, aber wir sind immer noch sauer, daß uns eine Institution wie die BBC einfach daran hindert, noch mehr aufzubringen.“

Lee: „Und meine Frau ist immer noch sauer, daß man uns nicht gebeten hat, beim Live Aid zu spielen.“

Zarjazz macht unbeirrt weiter – mit einer neuen Madness-LP, der glattesten und eingängigsten, die sie je gemacht haben. Wie jede Menge anderer Popmusiker haben sie offenbar die Jazzplatten aus den Fünfzigern durchforstet, Blue Note- und Vogue-Sachen, bringen aber auch eine schnuckelige Version von Scritti Polittis „The Sweatest Girl“.

Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, als Madness nichts lieber wollten, als ein Music Hall-Act im Stil britischer Seebäder-Entertainer zu werden. So in der Richtung: Sonntags-Matinees mit Madness auf der Pier.

„Ach, das ist lange her“, grinst Chas/Carl. „Wir haben versucht, Idioten zu bleiben, solange wir konnten, aber irgendwie hat uns die ‚Sophistication‘ doch noch erwischt. „