Im Kampf mit der Vergangenheit


ROGER WATERS, einst derVordenkervon Pink Floyd, fiel nach seinem Ausstieg in ein tiefes, dunkles Loch. Neun Jahre nach seinem letzten Studio-Album wagt er jetzt erstmals eine Solo-Tour auf deutschem Boden.

interview Die USA-Tour vom Sommer 2000 war Ihre erste nach 12 Jahren. Was hat Sie wieder auf die Bühne gebracht?

Mein letzter Auftritt davor war 1992 mit Don Henley – eine Benefiz-Veranstaltung in Los Angeles. Wir hatten einen phantastischen Abend – John Fogerty, Neil Young, Don Henley und ich. Das hat in mir den Wunsch geweckt, es schnellstmöglich zu wiederholen. Vor zwei Jahren schien der Zeitpunkt gekommen. Weil die Reaktion der Booker aber eher zurückhaltend war, haben wir es zunächst mit kleineren Hallen versucht, und das war sehr erfolgreich.

Das klingt so, als hatten Sie die Liebe zur Musik auf diese Weise neu entdeckt…

Es hat einfach damit zu tun, dass man seine Situation irgendwann akzeptieren muss. Nachdem ich Pink Floyd verlassen hatte, erlebte ich eine sehr schwere Zeit. Das Schlimmste daran war, dass ich verstehen musste, dass mich die meisten Leute gar nicht kennen – selbst solche, die mit Floyd vertraut sind. Und das war eine große Überraschung.

Hat Sie das verletzt?

Und wie! Als ich 1987 mit „Radio Kaos‘ unterwegs war, hatte ich eine tolle Band, aber unsere Konzerte waren schwach besucht. Jedenfalls kamen viel zu wenig Leute, um das Unternehmen finanziell zu tragen. Pink Floyd hingegen, die gleichzeitig auf Tour waren, spielten überall vor riesigen Menschenmengen. Und das hat schrecklich weh getan. Darum sagte ich zu meiner Plattenfirma, dass ich so etwas nie wieder erleben wolle – auf Tour zu gehen und Angst zu haben, ob überhaupt jemand kommt. Nach „Amused To Death“, einer Platte, auf die ich wirklich sehr stolz bin, wollte ich nur noch nur live auftreten, wenn es auch ein entsprechendes Publikum dafür gegeben hätte. Denn warum all die Arbeit in eine Show investieren , wenn es sich nicht lohnt?

Sie arbeiten seit Jahren an einer Oper über die franzosische Revolution. Ist Ihnen die Popmusik zu eng geworden?

Nicht wirklich. Meine Arbeitsweise ist immer noch die selbe. Immer, wenn ich die Zeit oder den Raum zum Schreiben habe, komponiere ich einen Song oder male ein Bild. Es muss sich nur zuvor ein entsprechendes Verlangen in mir aufgebaut haben. Etwas, das unbedingt raus will. Das ist wie bei einer Schwangerschaft – man brütet so lange über einer Idee, bis sie schlagartig raus will. Und dann setze ich mich ans Klavier, nehme ein Blatt Papier und einen Stift und schreibe auf, was mir gerade in den Sinn kommt. Bei „Amused To Death“ hatte ich von Anfang an ein ganz klares Bild im Kopf. Ich wusste, worüber ich schreiben wollte, nämlich über die Art, wie wir das Leben durch die Medien erleben und auf welche Weise das unser Denken und Handeln beeinflusst. Da dienen das Fernsehen und die Zeitungen als Filter, die alles radikal verändern – und manipulieren. Lustiger weise ist der einzige neue Song auf dem 2ooier-Live-Album „In The Flesh“ auch Teil des nächsten Studio-Projekts. „Each Small Candle“ besagt ja nichts anderes, als dass es selbst in der tiefsten Dunkelheit Hoffnung und Licht gibt. Und vielleicht wird das ja zum zentralen Dreh- und Angelpunkt. Es ist schließlich nicht der schlechteste Ansatz für ein Album. Nämlich, dass alle Menschen gleich sind und wir alle eine gewisse Verantwortung haben. Nicht nur für uns selbst, sondern auch für andere.

Ist der Moment der Entfremdung, der sich wie ein roter Faden durch Ihr Werk zieht, gänzlich verschwunden ?

Ich denke, ich bin einfach lockerer geworden. Und das liegt einerseits an der Arbeit, die mich momentan sehr erfüllt, andererseits an einer jahrelangen Psychotherapie. Ich habe in den letzten fünf bis zehn Jahren eine Art von Autonomie entdeckt, die mir vorher vollkommen fremd war. Wahrscheinlich habe ich einen hohen Preis dafür bezahlt, dass ich nie einen Vater hatte, dass es in meinem Leben nie diese autoritäre, starke Figur gab. Ich hatte in meinem Leben so viele Schwierigkeiten, weil ich als Kind nie richtige Eltern hatte, weil ich nie erlebt habe, wie Männer und Frauen zusammen glücklich sind oder wie eine Ehe funktioniert.

Also hatten Sie genau das um sich errichtet, was Sie m „The Wall“ thematisierten – eine undurchdringliche Mauer?

Richtig. Mittlerweile hat sich das zum Glück geändert, auch weil ich viel glücklicher mit meiner Musik bin, als ich es bei Pink Floyd je war. Dave (Gilmour) hat immer versucht, mich niederzumachen. Das Schlimmste, was er je gesagt hat, war, dass ich gut in visuellen Dingen sei – aber ein miserabler Musiker. Und das hat er so oft betont, dass ich völlig unsicher wurde, es ihm irgendwann sogar geglaubt habe.

Dabei waren Gilmour und Sie früher ein tolles Team…

Ja, wir haben uns großartig ergänzt. Eben zwischen 1968, als er der Band beitrat, und „Dark Side Of The Moon“. Wir hatten exakt definierte Ziele und haben sehr hart daran gearbeitet. Dadurch sind wir eine phantastische Band geworden und haben großartige Songs geschrieben. Aber nach „Dark Side…“ wurde es immer schwieriger. Dave hat alles versucht, um eine Solo-Karriere zu starten, aber zu dem Zeitpunkt ist sie gescheitert, und er erkannte, dass seine Zukunft in Pink Floyd liegen würde. Deshalb hat er versucht, seinen Einfluss zu steigern, was endlose Machtkämpfe und Intrigen zur Folge hatte.

Wenn Ihnen Pink Floyd wie ein Gespenst der Vergangenheit erscheint, wie kommen Sie dann mit all den Wiederveröffentlichungen klar – Live-CDs, Jubiläumsausgaben, limitierte Editionen etc?

Ich finde sie geschmacklos und mache daraus auch keinen Hehl. Aber ich habe keinerlei Kontrolle über den Back-Katalog. Er gehört einer Firma namens Pink Floyd Music Limited, und jedes Bandmitglied hält 25 Prozent der Anteile. Von daher kann ich bei jeder Sitzung überstimmt werden – was auch stets passiert. www.rogerwaters.com