James Blake


Der 22-jährige Londoner zelebriert im Berghain in Berlin eine heilige Messe der Stille. Bis der Bass kommt.

Es gibt ein paar Momente an diesem Samstagabend im von andächtiger, sakraler Stimmung ergriffenen Berghain in Berlin, in der die heile Techno-Bumms-Welt dann doch wieder in Ordnung scheint. Immer dann, wenn eine mächtige Bassline aus dem Sampler in die Magengrube fährt und die Nackenhaare aufstellen lässt, wenn die lächerlich kleine Bassdrum des lächerlich kleinen elektronischen Schlagzeugs so richtig geradeaus kickt, dann entlädt sich die quälende Anspannung des Publikums in einem unbeschreiblichen Gejohle und Gekreische.

Vorne auf der Bühne sitzen James Blake, ein verschüchtert wirkender schlaksiger Junge, der wie zum Schutz vor zu viel Öffentlichkeit zwei Keyboards im rechten Winkel vor sich aufgebaut hat, Rob McAndrews, der flächige Sounds aus der Gitarre und subsonische Basslines aus dem Sampler holt und Ben Assiter, der Mann mit dem lächerlich kleinen Schlagzeug. Nicht, dass das Publikum seine Lektion James Blake nicht gelernt hätte. „I Never Learnt To Share“, „The Wilhelm Scream“, selbst das Prä-Fame-Stück „Klavierwerke“ und – freilich – das Feist-Cover „Limit To Your Love“, der „Radio-Hit“ von James Blake, werden mit anständigem bis frenetischem Erkennungsapplaus bedacht. Aber die Stille, die Pausen, die fragmentierten Soundpatterns aus dem Dubstep, der mit Autotune zerhackte Gesang Blakes, die existenzialistischen Texte, die Ungeradheiten dieser „Songs“ stellen ans Publikum hohe Anforderungen, die weit über das übliche „let me entertain you“ hinausgehen. Da darf eine Kickdrum schon mal bejubelt werden.

Mit unglaublicher Präzision holt der linkische James Blake die Stücke seines Debütalbums auf die Bühne und lässt ihnen Raum für Improvisationen, wenn etwa „Limit To Your Love“ für kurze Zeit zu einer wummernden, repetitiven Techno-Pastiche wird. Nach einer Stunde ist der Zauber schon vorbei, die grellen Putzlichter holen die Zuschauer zurück in die Realität. Kehraus im Berghain, denn zwei Stunden später geht hier die Party richtig los.