Jeff Beck: Beck Door Man


Der ganz große Erfolg blieb ihm in seiner langen Karriere versagt. Und doch zählt Jeff Beck unbestritten zur Champions League der Gitarristen. Jetzt will's der 56-jährige Einzelgänger noch mal wissen.

Gerade mal 13 Alben in einer 33jährigen Karriere. Ein Blick auf die Diskografie von Jeff Beck macht klar, dass er sich das Image des schlampigen Genies redlich erfaulenzt hat. Statt Platten aufzunehmen oderaufTourzu gehen das normalerweise angestammte Betätigungsfeld eines Rockstars schraubte der eigenwillige Brite lieber an alten Roadsters und jungen Mädchen herum. Vor allem in den 90er Jahren hat sich der aus der Grafschaft Surrey stammende Einzelgänger musikalisch rar gemacht: Nach seinem Grammy-dekorierten Album „Jeff Beck’s Guitar Shop“ von 1989 ließ er sich nur noch zu diversen Gastauftritten hinreissen. Ansonsten: tote Hose. Erst 1999, kurz vor dem Jahrtausend-Schichtwechsel, lieferte er eine musikalische Wasserstandsmeldung ab: Mit dem Album „Who Else?“ definierte der Veteran mit einer gelungenen Symbiose von Techno, Ethno, Blues und Rock den Stellenwert der E-Gitarre für das neue Millennium. Eine ausgiebige Welttournee mit neu formierter Band (unter anderem teilte er dabei die Bühne mit Ex-Michael-Jackson-Gitarristin Jennifer Batten) zeigte den Meister auf der Höhe der Zeit.

Ein weiteres Indiz für seine neuentflammte Leidenschaft kommt jetzt in die Läden: „You Had It Coming“ heisst das neue Album, auf dem der Mitinitiator des britischen Blues-Booms in den 60er Jahren kompromisslos auf die Verschmelzung von Techno und Gitarre setzt. Keine leicht bekömmliche Kost, keine Melodien zum Mitpfeifen. Nicht einmal bemerkenswert großartige Songs sind darauf zu hören – dafür aber einmal mehr der Beck’sche Status Quo von Soundvielfalt, Rhythmus und Bending. Beck hat, keine Frage, wieder große Lust aufs Gitarrespielen.

Die ist ihm in seiner Karriere mehr als einmal vergangen. Ein kurzer Rückblick, und alte, längst verheilt geglaubte Wunden reissen wie auf Kommando wieder auf. Stichwort „Jimi Hendrix“: „Als Jimi damals nach London kam, war mir nicht klar, dass er mir genau zugehört hat. Ich machte dieses ganze Feedback, spielte mit der Gitarre über dem Kopf und so weiter. Ich denke, Jimi hat meine Show gesehen und sich gedacht: Das mache ich auch. Danach gab es für mich keinen Möglichkeit mehr, jemals wieder das selbe zu tun. Jetzt war es seine Show.“ Ein anderes Kapitel aus der Reihe „Kupfern & Kopieren“ heisst Peter Frampton: „Ich habe die Mouth-Box 1970 erfunden und sie auch eingesetzt. Dann kam Peter Frampton und hat sie populär gemacht. Eine tolle Vorstellung von Freundschaft, die er da hat – das hab‘ ich ihm auch gesagt.“ Einmal in Fahrt, hupt der Autonarr gleich auch Kumpel Eric Clapton kräftig an: „Jaja, der Typ mit der Lizenz zum Blues-Spielen“, nölt Beck, der scheinbar seit den 70er Jahren den Frisör nicht gewechselt hat, „er spielt als Weißer amerikanischen, schwarzen Blues. Damit habe ich immer noch ein Problem. Nicht, dass ich sein Spiel kritisieren möchte, ganz im Gegenteil. Er ist wahrscheinlich sogar der beste weiße Blueser. Aber er hat auch dazu beigetragen, dass der Blues eine Sache der Weißen wurde. Das war sicher keine gute Idee.“

Auch von der Idee, 1975 als Ersatz für Mick Taylor bei den Rolling Stones einzusteigen, war der ehemalige Kunststudent nicht begeistert. Er lehnte dankend ab, machte den Weg frei für Ron Wood und nahm stattdessen zusammen mit Beatles-Produzent George Martin das richtungsweisende Jazz-Rock-Album „Blow By Blow“ auf. Eine Platte, die ihm beste Kritiken und sogar veritable Verkaufserfolge bescherte – mit dem Weltstarruhm der Stones allerdings war der Erfolg nicht zu vergleichen. „Ich hatte einfach keine Lust, jeden Abend besoffen und ständig auf Achse zu sein“, rekapituliert er seine damaligen Beweggründe, das millionenschwere Stones-Angebot auszuschlagen. „Andererseits gab es einen Teil in mir, der diese Herausforderung gerne angenommen hätte. Aber es hätte sowieso nicht geklappt“, beruhigt er sich gleich selbst, „ich bin einfach zu temperamentvoll, habe eine zu starke Meinung davon, wie Musik klingen sollte. Ich und Keith – das wäre nie und nimmer gut gegangen.“ Explosiv war auch die schlagzeilenträchtige Hassliebe, die ihn mit Rod Stewart verbindet. Mehr als einmal gerieten die Das alles ist Käse von gestern. Schluss, aus, basta. Mancher Zug ist abgefahren, und Jeff Beck blieb zurück. Egal, die Tränen über diese verpassten Chancen sind längst geweint. Jetzt blickt Beck nach vorne. Er hat sich ein kleines Tonstudio eingerichtet und verbringt darin mittlerweile genauso viel Zeit wie mit der Pflege seiner zehn aufgemotzten Oldtimer-Boliden. Er hört sich um, schaut MTV, studiert die Charts. Beck weiß, was musikalisch angesagt ist. Auch wenn er mit seinem neuen Album Zugeständnisse an die Jetzt-Zeit macht – nur wenige aktuelle Acts halten seinem strengem Urteil stand: „Mir gefallen die Black Crowes – weil da jetzt Jimmy Page mitmischt“, verkündet er. „Aber was ich auf MTV sehe, ist fast nur Schrott. Ich kann Fake sofort riechen. Okay, Prodigy, die sind echt originell. Und die Spiee Girls. Das ist astreine Unterhaltung.“ Ein mildes Urteil, womöglich wegen der äußerlichen Vorzüge der Damenkapelle? „Nein“, sagt der Frauen-Experte, „ich finde sie optisch gar nicht so attraktiv, sie haben einfach ausgezeichnete Popsongs. Dieser ganze ‚Ich-bin-ja-so-sexy-Mist‘ ist doch lächerlich. Irgendwann werden diese Girl-Groups noch völlig nackt auftreten. Ganz ohne Klamotten – und ganz ohne Musik.“ Er nimmt’s mit einem Lächeln. Mittlerweile.