Kolumne

Linus‘ Popkolumne: Kachel’n‘Katastrophen – Tücken von Online-Interviews


Linus Volkmann sendet eine Kolumne von hinter den Kulissen. Was alles bei Online-Interviews schief gehen kann.

Immer wieder mal habe ich in dieser Kolumne bunte Abseitigkeiten ausgestellt, die anfallen, wenn man zu Gesprächen mit Musiker:innen geladen wird. Mit reingezogen habe ich bereits unzählige Acts wie Helge Schneider, Kelly Osbourne oder auch die Beastie Boys.

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Denn was kann bei Interviewterminen nicht so alles passieren! Das Diktiergerät fängt Feuer, man setzt sich versehentlich auf die Handtasche, in der der zu interviewende Act seinen räudigen Miniatur-Hund aufbewahrt oder man ist auf dem Hinweg (mehrfach) von einer Taube mit fliegendem Vogelkot getroffen worden und versucht das vor Ort nun geschickt durch das Sitzen hinter einer Zimmerpflanze zu verbergen.

Mit der vermehrten und durch die Pandemie-gelernte Nutzung von Video-Interviews scheinen sich heute die grellen Anekdoten rund um Musiker:innen-Begegnungen überholt zu haben. Man hört seinen Lieblingsstar nicht versehentlich pupsen (außer er wäre dabei sehr laut), überhaupt fällt riechen bei all diesen Bildschirm-Dates aus und auch jede Menge „physical comedy“ (#Bananenschale und Co) liegt brach.

Doch auch der virtuelle Raum behält sich Platz für Erlebnisse jenseits des Eigentlichen vor. Hier ist alles, nun ja, etwas subtiler – aber bei genauerer Betrachtung nicht weniger störanfällig. Mir scheint es daher dringend an der Zeit, auch hier einmal hochmotiviert Anekdoten zusammenzufegen. Schließlich muss man ja nicht mal beruflich Interviews führen, um selbst schon in Fallstricke der Online-Kachel-Welt geraten zu sein.

Ich habe in meiner eigenen Blackbox der Fuck-Ups gekramt und auch geschätzte Kolleg:innen befragt. Heraus kam diese muntere Sammlung. Viel Spaß damit! (Fremdscham inkl.)

Katze vor Gericht

Zum Einstieg ein Klassiker, der vor einiger Zeit viral ging, aber den dennoch nicht alle auf dem Schirm hatten. Star dieses Zoom-Fuck-Ups sind die traurig verzweifelten Gesichtszüge der Katze, die doch eigentlich ein seriöser Anwalt sein will. Miau!

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Sparks ohne Ton

Um Online-Dates anzuzetteln, benötigt es am besten einen eigenen Account. Ich zumindest war es irgendwann leid, immer zu warten, ob einem das Gegenüber einen Zoom-Link bereitstellt – für ein Gespräch von Laptop-Kamera zu Laptop-Kamera. Ich wollte auf potenzielle Talkgäste wirken wie ein reicher Mann aus dem Internet. Und was besitzt der? Immobilien, kostbare exotische Tiere und einen bezahlten Zoom-Account. Ja, mir wären die beiden anderen Attribute auch deutlich lieber, aber es hat leider zu einem der drei gereicht.

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So konnte ich aber immerhin unlängst einem anderen Autoren (#arm) einen Link zur Verfügung stellen, auf dass er damit ein Interview mit Amerika machen würde. Genauer gesagt mit Russell Mael von der kalifornischen Kult-Band Sparks. Vornehm!
Autor und Künstler fanden sich im Call ein, ich fühlte mich kurz wie ein omnipotenter Matchmaker, bis ich merkte, dass beide Seiten mich nicht hören konnten. Ich versuchte mit schnell hingeschluderten Texttafeln die Situation zu klären, die ich in die Kamera hielt. Aber Russell Mael ist Mitte 70, meine Schrift schlecht zu lesen und kam spiegelverkehrt an. Vermutlich dachte der Künstler, ich bin ein verrückter Stalker in einem Extra-Fenster seines Rechners und der Autor dachte sicher, dass ich trotz meiner grobporigen Haut, des wirren, lichten Haares und der glasigen toten Augen erst seit gestern im digitalen Redakteursbusiness arbeite.

Aus Sorge, das arrangierte Meeting zwischen Russell und dem Autoren könne Schaden nehmen, wenn ich es als „Host“ verließ, blieb ich stumm dabei – und saß die Stunde einfach da und nickte random. Der verdienten Popgruppe Sparks möchte ich erstmal nicht mehr unter die Augen treten.

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Katze im Bild

Kann jederzeit passieren: Plötzlich kommen andere Leute ins Zimmer der Person, mit der man gerade ein Online-Meeting hat. Sorry, aber wer daraus nicht ein wenig Adrenalin zieht, tut mir einfach nur leid. Ich liebe Überraschungen (also bloß auf der anderen Seite, versteht sich). Leider sind sie einigermaßen selten und die Hereinplatzer:innen meist sehr gut geschult und verschwinden sofort wieder. Besser läuft es da bei Tieren. Denen scheint das Internet und die dort anfällige Etikette auffällig egal. Das stellt mitunter ein belebendes Element dar:

Meine Katze Nandini ist sehr aufmerksamkeitsheischend und betritt mit an Absicht grenzender Sicherheit pünktlich zu Onlinemeetings immer mein Büro. Dann beginnt sie erstmal damit, mich ausgiebig anzumiauen – und ja, es klingt eher wie Schreie: ‚Mau! Mau! Mauuuuuuu!!!‘ Entrüstet ob meiner Ignoranz ihr gegenüber, springt sie letztendlich auf den Schreibtisch und vor die Kamera. So far, so good, jeder mag süße Tiere. Aber das Arschloch eines süßen Tiers bleibt halt immer noch ein Arschloch und das muss nun auch nicht die aufstrebende Indiepopband aus L.A. sehen. Also verdecke ich den Anus meist geistesgegenwärtig mit meiner Hand. Außer, ich mag die Meetingteilnehmer nicht, dann verdecke ich ihn nicht. Herman Dune fand die Katzen ganz toll, weil er selber welche hat, das ist dann natürlich auch ein Icebreaker.“ (Dank an Désirée Pezzetta für diese Story)

Räume zu Gesicht

Wer in einem Online-Call noch nie auf die seltsame Einrichtung der Beteiligten in ihren jeweiligen Kacheln geglotzt hat, werfe den ersten Stein. Ich muss gestehen, dass ich schon mal Screenshots gemacht habe, nur um später dann noch mal genüsslich reinzuzoomen. „Liegt da wirklich ‚Mein Kampf‘ auf dem Beistelltisch?“ Entwarnung aber an all meine zukünftigen Interviewpartner:innen … Bis jetzt habe ich noch nie etwas erkennen können in diesen grobpixeligen Aufnahmen. Ich bin zwar genauso neugierig wie indiskret, aber dabei auch eine Art Hans Maulwurf. Das gebe ich hier übrigens alles so freimütig zu, WEIL ICH WEISS, dass das Gucken in die Kulisse der Anderen sehr verbreitet ist.

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„Eloy de Jong [Caught In The Act] saß neulich vor einer Wand, an der ausschließlich eigene Goldene Schallplatten hingen – nur eine unterschied sich. Hört (und hängt) der ehemalige Boygroupstar wirklich The Velvet Underground – oder täuschte nur eine x-beliebige Banane?“

Das übermittelt mir ein langjähriger Online-Redakteur mit Neunziger-Fetisch. Falls Caught In The Act je „After Hours“ oder ähnliches von Velvet Underground covern werden, erinnert euch, wo ihr den ersten Hinweis darauf gelesen habt!

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Noch mehr Gold im Hintergrund

„Der Sänger von Pinegrove hat mich auf die goldene Schallplatte bei mir im Hintergrund angesprochen und war ein wenig enttäuscht, dass es nicht meine, sondern die meines Mannes ist.“ (Dank noch mal an Désirée Pezzetta. PS: Und wer den Namen ihres erwähnten Gold-Mannes errät, bekommt von mir ein Zoom-Ständchen zum Geburtstag)

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Abhusten auf dem Highway

Und von wegen Online-Interviews seien eher statisch denn erratisch. Das mag vielleicht auf die Journalist:innen zutreffen – die wollen ja ein möglichst interessantes Gespräch aufzeichnen und sitzen dafür artig und stocksteif am Rechner. Mancher Act indes ist gerade auf Tour oder aus anderen Gründen (#wahn) nicht an den Schreibtisch gefesselt. Hey, wozu ist man schließlich Künstler:in geworden! Insofern trifft man den oder die andere Gesprächspartner:in auch mal beim Gleitschirmfliegen oder mit kaum Empfang in einem Erdloch an. Auch irgendwie aufregend!

Wer kuschelt besser? Metal, Punk, Rock und Rap im Schmuse-Test

„Ich habe einen Zoom-Talk mit Miki Ratsula und der passt scheinbar genau hinein in die Autofahrt von Miki und Freundin zum legendären South-by-Southwest-Festival in Austin. Die Freundin fuhr und wer wollte es den beiden verdenken, dass sie wegen der enormen Hitze (#Texas) die Fenster auf dem Highway bis zum Asphalt runtergekurbelt hatten. Was nicht nur einen eher ‚unkonventionelles‘ Hörerlebnis zur Folge hatte, nein, beide mussten auch dauernd husten wegen des reinfliegenden Wüstensands.“ (Vielen Dank Christina Mohr für diese Story)

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Verbindungsabbruch

Wenn ihr nun das nächste Mal die Einrichtung im Hintergrund eures Online-Gegenübers judged, genießt es – und denkt an diesen Text.

Schließen möchte ich mit der Verabschiedung, die einst auch mein Interview mit dem beliebten Musiker Beck beendete. Der war zu jener Zeit noch bei der weniger beliebten Sekte Scientology – und kein Fan von Rückfragen zu diesem Thema. Viel zu früh im Gespräch (böser Fehler) fragte ich genau danach. Seine Antwort: „Oh, ich glaube, die Verbindung bricht ab, ich …“

Paulas Popwoche: Ush, Ush, Ush

And never heard from him again.

In diesem Sinne!

Was bisher geschah? Hier alle Popkolumnentexte im Überblick.

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