Kashmir live 2014: So war ihr Konzert im Berliner Lido


Kashmir spielte im Berliner Lido und bewiesen, dass sie schon lange nicht mehr eine reine Referenzband sind.

Referenzen können manchmal ein Fluch sein. „Kashmir klingt wie Radiohead“ war lange Jahre die wohl meistbenutzte Formulierung für die dänische Band, die in ihren Anfangsjahren Nirvana hieß und sich durch den Erfolg von Kurt Cobains gleichnamiger Band gezwungen sah in Kashmir umzubenennen – inspiriert durch den Titel eines Led-Zeppelin-Stücks.

Ganz abwegig ist der Vergleich zwar nicht – Sänger Kasper Eistrups Stimme hat ein ähnliches Timbre wie Thom Yorke –, doch dem melancholischen Schwermut der vier Jungs aus Kopenhagen gewinnt man besonders live immer noch was Leichtfüßigeres als ihren englischen Musiker-Kollegen ab.

Im Berliner Lido ist beim Konzert am 8. Januar 2014 nicht viel zu spüren von der Sperrigkeit der aktuellen, 2013 erschienenen Platte E.A.R., mit deren Sound sie an ihre 2003er Platte ZITILITES anknüpften. Stattdessen werden die Songs der neuen Scheibe von dem druckvollen Sog des Schlagzeugs in sphärische Welten mitgerissen, in denen sich die poppigen Melodien kaum mehr von den kryptischen Momenten unterscheiden.

Gleich zu Konzertbeginn schüttelt sich der Kashmir-Sänger seine „Eternally Amplified Restlessness“ – der ausgeschriebene Albumtitel – vom Leib und wirkt mit Mütze auf dem Haupt, Vollbart im Gesicht und Jeanshemd am Körper wie die Inkarnation des skandinavischen Musikers. Ein „DK“-Sticker auf einer seiner Gitarren prankend, könnte als Patriotismus gedeutet werden, wüsste man nicht, dass der Aufkleber eigentlich nur ein Mitbringsel seiner „Dead Kennedys“-Verehrung ist, den er – einem Interview mit Laut.de zufolge – dem Gitarristen der Band geklaut hat.

Die Songs erklingen dabei immer dann am dichtesten, wenn die Band zu langen Instrumental-Parts ansetzt. Man spürt, dass die Experimentierfreude, mit der sie an das neue Album herangingen, auch live erproben wollen, sich in der Musik verlieren. Dabei entstehen herrlich-atmosphärische Klangwelten, in denen man einen Eindruck davon bekommt, warum sie Musik-Legenden David Bowie und Lou Reed einst für gemeinsame Songs für die 2005er-Platte NO BALANCE PALACE gewinnen konnten – das wunderbare David-Bowie-Duett „The Cynic“ findet sich auch ohne den Meister in anmutender Form im Set wieder.

Doch einzelne Songs hier einzeln herauszunehmen, würde der Sache nicht gerecht werden – das Live-Set sollte eher als Gesamtwerk gesehen werden. Schwermütig wie leichtfüßig, melancholisch wie hoffnungsvoll. Und so warmherzig wie ein, entschuldigt den schwachen Wortwitz, guter Kashmir-Schal, den man sich an einem winterlichen Januar-Tag um den Hals legt.

Hier die Setlist von Kashmir live im Berliner Lido:

  1. „Pedestals“
  2. „Melpomene“
  3. „Purple Heart“
  4. „Graceland“
  5. „No Balance Palace“
  6. „Peace In The Heart“
  7. „Foe To Friend“
  8. „Mouthful Of Wasps“
  9. „In The Sand“
  10. „Milk For The Blackhearted“
  11. „Surfing The Warm Industry“
  12. „Piece Of The Sun“
  13. „The Cynic“
  14. „Seraphina“
  15. „Rocket Brothers“