Kirchentag in Croydon


Heimat im Herz, Welt im Blick: Als Magnetic Man geben die Dubstep-Veteranen Skream, Benga und Artwork mit Inbrunst die Underworld der Generation Bass.

Dubstep mag sich weltweit zum Steckenpferd von Schlafzimmerfricklern und Ravern gemausert haben. In ihrem Kern aber ist die Szene winzig geblieben, ein London Thing, wie es im Buche steht. Sie dreht sich um wenige Clubnächte wie FWD

Magnetic Man stechen lieber noch eine Büchse Stella und wühlen ungeniert im Zitatschatz der britischen Tanzmusik. Jungle, Acid House, Soul, Großraumtrance und, ja, natürlich auch jene wuchtig wabernden Bassläufe, die spätestens seit Skreams Debütalbum von 2006 als Dubstep um die Welt gehen. Das hört sich manchmal großartig an, hymnisch, zwielichtig funkelnd und aufregend wild. Manchmal aber auch wie ein misslungener Modeselektor-Remix für die Black Eyed Peas. Die Schmerzfreiheit der späten Geburt nennt man das wohl. Oder aber „the closest thing dubstep will ever have to Funkadelic“, wie es kürzlich der ehrwürdige „Guardian“ tat. Hängt wohl davon ab, auf welcher Seite des Kanals man seine Hausapotheke zu füllen pflegt.

„Wir hätten einfach nur Banger machen können, aber wir wollten Songs machen“, erklärt Artwork in besagtem „Guardian“. Und Skream ergänzt: „Nur hatten wir keine Ahnung, ob wir das überhaupt können.“ Das schelmische Geezergrinsen muss man sich dazu denken. Um zu verstehen, warum Magnetic Man klingen, wie sie klingen. Und warum das damals einfach gut gehen musste, als der 15-jährige Skream auch noch nicht wusste, wie man einen Banger macht – und trotzdem die Tanzmusik revolutionierte. Mit der Single „I Need Air“ und Katy B’s „Katy On A Mission“ (produziert von Benga) hat die Croydon-Blase derzeit zwei Singles in den Charts. Parallel arbeiten sie mit La Roux und revitalisieren gemeinsam mit den Rinse-DJs Geeneus und Zinc die Karriere von Ms Dynamite. Man schriebe gerne: Magnetic Man machen die aufregendste Popmusik der Gegenwart. Leider stimmt das nicht. Skream und Benga sind vorzügliche, mitunter geniale Produzenten. Als Magnetic Man aber sind sie mehr Botschafter als brillant, stilisierte Superhelden der Subbasskultur. Anfangs traten die drei noch anonym hinter einem Leintuch auf. Mittlerweile geben sie mit Leidenschaft, Charme und sündhaft teurem Apparat die Rampensäue in der Festivalmanege. Wenn DMZ in dunklen Tempeln spirituelle Messen feiern, dann sind sie der ökumenische Kirchentag, die Underworld ihrer Generation. Einer muss den Job ja machen. Und momentan kann man sich dafür niemand besseren wünschen als Ollie Jones, Beni Adejumo und Arthur Smith, die drei kleinen Jungs aus dem Big Apple.

Albumkritik S. 110

www.magneticman.net